Benefizabend
Ein Schwangerschaftsabbruch zu Weihnachten

- Gutes tun zur Weihnachtszeit: Doktor Christian Fiala und Philosophin Lisz Hirn wollen mit einem Benefizabend Spenden für einen Schwangerschaftsabbruch sammeln und damit einer Frau helfen, die ungewollt schwanger geworden ist.
- hochgeladen von Elisabeth Schwenter
Im Gynmed Ambulatorium am Mariahilfergürtel findet am 17. Dezember ein Benefizabend statt. Mit den Spenden soll ein Schwangerschaftsabbruch für eine Frau finanziert werden, die ungewollt schwanger geworden ist und sich diesen finanziell nicht leisten kann. Arzt Christian Fiala und Philosophin Lisz Hirn wollen vor Weihnachten damit auf die Situation vieler Frauen aufmerksam machen.
RUDOLFSHEIM-FÜNFHAUS. Vor wenigen Monaten sorgte die Nachricht über ein elfjähriges Mädchen, das in Argentinien von einem Priester vergewaltigt und schließlich schwanger wurde, für Aufsehen. Die Kirche verlangte von jenem Mädchen, das Kind zu bekommen, denn ein Abbruch der Schwangerschaft sei eine Sünde. Ein Fall, der vor allem eines zeigt: Frauenkörper sind auf der ganzen Welt fest in fremder, zumeist männlicher, Hand.
Wie viel „Glaube“ und „Sünde“ auch hierzulande mit dem Thema verbunden ist, zeigt sich bei einem Besuch im Gynmed Ambulatorium für Schwangerschaftsabbruch und Familienplanung am Mariahilfergürtel. Hier findet man auch das Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch, in dem die Geschichte des Abbruchs, seiner Gegner und des Kampfes um Selbstbestimmung von Frauen anhand von Daten, Fakten und Medienberichten skizziert ist. Vor dem Eingang zur Klinik steht ein Mann mit einem Rosenkranz in der Hand. Er betet.
Im Ambulatorium arbeitet Christian Fiala. Seit mehr als zehn Jahren ist der ärztliche Leiter des Gynmed-Ambulatoriums in Wien auf die Betreuung und medizinische Behandlung von Frauen, die ungewollt schwanger sind, spezialisiert. „Die Familienpolitik in Österreich orientiert sich an einer Ideologie, die den Frauen gegenüber zynisch bis bösartig ist“, sagt Fiala. Damit spricht er sowohl den Einfluss der Kirche als auch die rechtliche Grundlage für Schwangerschaftsabbrüche und die politische Realität hierzulande an. Es gibt seiner Meinung nach viel Verbesserungsbedarf.
Das Gesetz: Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr
„Eine Frau, die den Abbruch ihrer Schwangerschaft selbst vornimmt oder durch einen anderen zulässt, ist mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.“ So steht es im Österreichischen Strafrecht – Stand 2019. Die Ausnahme von diesem Gesetz, das von Kaiserin Maria Theresia Mitte des 18. Jahrhunderts eingeführt wurde, ist die sogenannte Fristenlösung. Ein Schwangerschaftsabbruch auf Verlangen der Frau und ohne medizinischen Grund ist in Österreich dann straffrei, wenn er vor der 16. Schwangerschaftswoche von einem Arzt durchgeführt wird. Es gibt in Österreich keine vorgeschriebene Wartezeit oder Termin in einer Beratungsstelle, keine inhaltlichen Vorgaben für die ärztliche Beratung und die Frau muss ihre Gründe für den Abbruch nicht angeben. Bei einem Abbruch werden auch keine persönlichen Daten gesammelt und auch die Krankenkasse wird nicht informiert. Soweit, so gut.
Doch das sorgt auch dafür, dass die breite Öffentlichkeit wenig über die große Zahl der Abbrüche, die in diesem Land stattfinden, weiß. Beschäftigt man sich mit der Statistik, wird klar: Ein Abbruch ist kein Einzelschicksal und nicht einmal eine Ausnahme. In Österreich finden nach Schätzungen von Fiala jährlich 30.000 bis 40.000 Abbrüche statt, die meisten davon in Wien. Weltweit sind es nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO rund 42 Millionen Abbrüche, das sind 20 Prozent aller Schwangerschaften. „Somit hat die überwiegende Mehrheit der Frauen auf der Welt mit großer Wahrscheinlichkeit mindestens einen Abbruch in ihrem Leben“, so Fiala.
Was die Öffentlichkeit auch nicht mitbekommt: Ein Abbruch kostet rund 600 Euro und ist damit auch eine ordentliche finanzielle Belastung für Frauen. „Ein Schwangerschaftsabbruch sollte über die Krankenkasse finanziert werden“, fordert Fiala. „Damit Frauen nicht alleine für die Finanzierung verantwortlich sind. Sie sind ja auch nicht alleine für die Schwangerschaft verantwortlich.“ In fast allen europäischen Ländern ist das bereits Realität, vor allem, wenn es sich um sozial schwache Frauen handelt. Ausnahmen sind Liechtenstein, Malta und Monaco – hier sind Abbrüche überhaupt verboten. Fiala fordert daher schon seit Langem grundsätzliche Änderungen in der österreichischen Familienpolitik. Das eine Jahr Gefängnisandrohung müsse aus dem Gesetz gestrichen werden, die Kostenübernahme des Abbruchs sei durch die Krankenkasse sicherzustellen und die Abtreibungspille solle in der Apotheke rezeptfrei erhältlich sein.
Wissen die Frauen denn, was sie tun?
Auch die Rudolfsheimer Philosophin und Obfrau des Vereins für praxisnahe Philosophie Lisz Hirn ist sich sicher, dass in Sachen Schwangerschaftsabbruch in diesem Land einiges im Argen liegt. „Es ist bezeichnend, wie in Österreich mit Frauenkörpern umgegangen wird“, sagt sie. „Warum trauen wir Frauen nicht zu, die jeweils richtige Entscheidung für ihr Leben zu treffen?“
Um auf das Problem aufmerksam zu machen, veranstalten Hirn und Fiala zusammen mit dem Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch und dem Verein für praxisnahe Philosophie am 17. Dezember einen Benefizabend unter dem Motto „Abbruch in Not“. Das Ziel: Sensibilisierung für das Thema und die Kostenübernahme von zumindest einem Schwangerschaftsabbruch für eine Frau durch die Einnahmen des Benefizabends. „Unsere Idee ist es, ein unpopuläres Thema gerade zur Weihnachtszeit vor den Vorhang zu holen“, so Hirn. Und das abseits der Kategorien „Glaube“ oder „Schuld“.

- Was würde die Möglichkeit eines kostenlosen Schwangerschaftsabbruchs für Frauen mit geringem Einkommen verändern?
- Foto: Flyer: Abbruch in Not
- hochgeladen von Elisabeth Schwenter
Ein Abbruch, so Fiala, sei von den allermeisten Frauen wohl überlegt. Das zeigen auch die Zahlen. „Die meisten Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, sind zwischen 25 und 35 Jahre alt und haben bereits ein oder mehrere Kinder. Sie wissen genau, warum sie diese Entscheidung treffen. Das sind keine Teenager“, erklärt Fiala. Diese Frauen bräuchten Unterstützung und nicht noch mehr Steine in den Weg gelegt. Eine Frau ist etwa 35 Jahre ihres Lebens fruchtbar. Das ist eine sehr lange Zeit, in der eine Frau gelegentlich ungewollt schwanger wird. Frauen entscheiden sich aufgrund der momentanen Lebenssituation für einen Abbruch. „Der Grund dafür ist die reifliche Überlegung und die Feststellung, dass sie aufgrund der aktuellen Lebenssituation oder der schwierigen Beziehung zum Partner die Verantwortung für ein Kind derzeit nicht übernehmen können. Es ist also eine Entscheidung, in deren Zentrum das Wohl eines möglichen zukünftigen Kindes steht“, ist sich Fiala sicher.
Abbrüche zu kriminalisieren, sei daher nicht der richtige Weg. Vielmehr müsse der Staat den größten Teil der Kindergartenkosten und die Kosten von Langzeitverhütungen übernehmen, Abbrüche über die Krankenkasse finanzieren und Familien, die Kinder wollen, viel mehr unterstützen. "Aber Eltern in Österreich wird es nicht leicht gemacht. Die Folge ist eine der niedrigsten Geburtenraten in Europa und die höchste Rate an Frauen, die gar keine Kinder möchten”, sagt Christian Fiala.
Zu Weihnachten einen Abbruch finanzieren
Der Ort für die Veranstaltung wurde bewusst ausgewählt. „Die Klinik ist sicher ein Raum, den viele Menschen nicht kennen und mit dem sie auch Berührungsängste haben“, so die Philosophin Hirn. Das wolle man thematisieren und möglicherweise auflösen. „Der Abbruch selbst ist ja nicht das Problem. Er ist die Lösung des zugrundeliegenden Problems“, schließt Fiala. „Die ungewollte Schwangerschaft ist das Problem. Und Frauen brauchen einfach Hilfe dabei, die Lösung auch meistern zu können – sonst wird das Problem einfach immer größer.“
Zur Sache
Der Benefizabend im Gynmed Ambulatorium für Schwangerschaftsabbruch und Familienplanung (Mariahilfergürtel 37) beginnt am 17. Dezember um 19 Uhr. Ab 18.30 Uhr stehen die Türen der Klinik offen, rund 50 Plätze sind vorhanden. Der Einlass erfolgt ausschließlich nach Anmeldung per E-Mail unter abbruch-in-not@gmx.at. Der Eintritt ist frei, Spenden sind natürlich erwünscht. Die Gäste erwartet ein Musikkabarett, ein interaktives Podiumsgespräch und eine Kunstaktion zum Thema.
All jene, die nicht am Benefizabend teilnehmen könnnen aber trotzdem spenden möchten, können das unter dem Verwendungszweck "Abbruch in Not" über das Spendenkonto des Museums für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch tun.
IBAN: AT80 2011 1828 7575 8302


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