Lehrstellenmarkt 2022
"Es sind jetzt noch 300 Lehrstellen offen"
"So ein Missverhältnis gab's noch nie" sagt AMS-Chef Jagereder. Für Lehrlinge heißt das: sehr viele Möglichkeiten.
BEZIRK RIED. Etwa 300 offene Lehrstellen findet Klaus Jagereder, Leiter des AMS Ried, aktuell in seinen Dateien. Jetzt, in der zweiten Septemberhälfte, wenn eigentlich alles längst unter Dach und Fach ist, 300. Das sei viel. Zudem sei die Zahl nicht sehr aussagekräftig, weil es im Bezirk kaum Betriebe gebe, wo nicht kurzfristig eine Lehrstelle geschaffen würde, wenn es einen Interessenten gibt. Auch im laufenden Jahr gäbe es Chancen einzusteigen, man müsse nicht ein ganzes Jahr warten. Den gut 300 offenen Lehrstellen stehen 42, 43 Lehrstellensuchende gegenüber. Für Jagereder ein Missverhältnis, das er so nicht kennt. Er kann sich noch gut an ganz andere Zeiten erinnern. Wichtiger aber, findet der AMS-Chef, sei es, die Sache aus der Perspektive der zukünftigen Lehrlinge zu betrachten: So eine Vielfalt, so ein Angebot, war noch nie da.
Bombastische Möglichkeiten
Kürzlich seien Eltern mit einem Schüler im AMS gewesen, der jetzt doch keine Matura machen möchte, schildert der AMS-Chef: "Das ist dann eine riesige Freude, weil wir so viele Möglichkeiten bieten können." Allein die derzeit offenen Lehrstellen decken die ganze Bandbreite ab, von Metall- bis Elektrotechnikerin, von Köchin bis Konstrukteurin, von Prozesstechnikerin bis Mechatronikerin, von Einzelhandelskauffrau bis Frisörin. "Recht viel mehr geht nimmer", weiß Jagereder.
"Das ist eine Freude, dass wir gerade so viele Möglichkeiten bieten können."
Er verweist auf Zeiten, da hätten sie bei Lehrstellensuchenden, die mit zwei, drei Vorschlägen gekommen sind, oft nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen können, ob des mangelnden Angebots. So kamen im September 2009 auf 60 bis 70 angebotene Lehrstellen 120 Lehrstellensuchende. Im September 2011 schon wäre das Verhältnis ausgeglichen gewesen. Die zunehmende Verschärfung sei gut ersichtlich. Zur demographischen Entwicklung käme ein immenser Schub in der industriellen Entwicklung. "Hier zählt Ried zu den stärksten Regionen österreichweit", erklärt Jagereder. "Nicht ohne Grund haben wir schon vor zwei Jahrzehnten angefangen mit der Lehrlingsmesse", weiß Christoph Wiesner, Geschäftsstellenleiter der Wirtschaftskammer Ried: "Die Jugendlichen wollen dort hin, wo es 'cool' ist. Die Lehrlinge wollen einen 'klassen' Betrieb."
Jungs von Mädchen abgelöst
"Digitalisierung ist 'cool'", fügt Wiesner an. In der Lehrberufsgruppe "Informatik/EDV/Kommunikationstechnik" haben sich die Lehrlingszahlen in diesen zwanzig Jahren versechsfacht. 2002 gab es zehn Informatik-Lehrlinge im Bezirk, Stand Dezember 2021 waren es 60. Auch der Anteil der Mädchen ist hier um das Sechsfache gestiegen: 2002 waren es zwei, 2021 bereits zwölf. In der früher zweitgrößten Gruppe "Tourismus/Gastgewerbe/Hotelerie" haben sich die Lehrlingszahlen in den letzten zehn Jahren von 66 auf 31 mehr als halbiert. In der Lehrberufsgruppe Chemie/Kunststoff lösten die weiblichen Lehrlinge die männlichen ab. Waren in diesen Bereichen 2002 21 Jungen und sieben Mädchen in Ausbildung, sind es heute 19 Mädchen und zwölf Jungen. Wiesner empfiehlt den angehenden Lehrlingen, sich viel anzuschauen, viel auszuprobieren und dann aus dem Bauch zu entscheiden und zu sagen: "Dort mag ich hin."
ZUR SACHE
Die größte Lehrberufsgruppe im Bezirk ist nach wie vor "Maschinen/Fahrzeuge/Metall" mit 304 Lehrlingen (Stand 31. Dezember 2021), gefolgt von "Büro/Handel/Finanzen" mit 168 und "Bau/Architektur/Gebäudetechnik" mit 134 Lehrlingen.
Während die stärkste Lehrberufsgruppe in den vergangenen 20 Jahren um mehr als 100 Lehrlinge gewachsen ist, hat sich die Zahl in der Gruppe "Holz/Papier/Glas/Keramik" von 110 im Jahr 2002 genau halbiert. 2021 gab es hier noch 55 Lehrlinge.
Die Lehrberufsgruppe Nummer eins für Mädchen ist nach wie vor "Büro/Handel/Finanzen". In diesen Bereichen machten 2002 170 Mädchen eine Lehrausbildung, 2021 waren es immer noch 130. Die weiblichen Lehrlinge haben sich in der Gruppe "Fahrzeug/Metall/Maschinen" von elf (2002) auf 40 (2021) fast vervierfacht und in der Bau-Gruppe immerhin mehr alsverdoppelt (7/16).
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