Adelina Dragoste nach ihrem Praktikum in Kenia
"Gemeinsam lässt sich vieles leichter tragen"

Adelina Dragoste (2.v.l.) machte ein vierwöchiges Praktikum beim Verein "Daraja - die Brücke", der sich für HIV-positive Menschen in der Stadt Emali einsetzt.
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  • Adelina Dragoste (2.v.l.) machte ein vierwöchiges Praktikum beim Verein "Daraja - die Brücke", der sich für HIV-positive Menschen in der Stadt Emali einsetzt.
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Adelina Dragoste aus Ort im Innkreis studiert seit September 2024 Soziale Arbeit an der Fachhochschule Linz. Anfang des Jahres reiste die 26-Jährige in die Kleinstadt Emali in Kenia, und die Arbeit des Vereins "Daraja" mit  HIV-positiven Menschen zu unterstützen. Was sie erlebt und welchen Eindruck sie von Land und Leuten bekommen hat, erzählt sie im Interview.

Sie haben über den Verein Daraja, der HIV-positive Menschen in Kenia unterstützt, ein Praktikum gemacht. Wie ist der Kontakt zu Daraja entstanden?
Adelina Dragoste: Im Rahmen meines Studiums der Sozialen Arbeit wurde uns das Projekt „Daraja – die Brücke“ vorgestellt – verbunden mit dem Pflichtpraktikum, das nach dem ersten Semester vorgesehen war. Schon länger trug ich den Wunsch in mir, im Rahmen eines sozialen Projekts in einem afrikanischen Land mitzuarbeiten. Umso größer war meine Freude, als sich genau diese Möglichkeit durch mein Studium ergab. Als ich von Daraja und der bedeutsamen Arbeit mit HIV-positiven Menschen in Kenia erfuhr, wusste ich sofort: Das ist das richtige Projekt für mich. Heute bin ich sehr dankbar, mir diesen Herzenswunsch bereits so früh im Studium erfüllt zu haben.

Was lange waren Sie in Kenia und was war Ihre Aufgabe?

Insgesamt war ich fünf Wochen in Kenia, wobei ich eine Woche davon für einen anschließenden Urlaub genutzt habe. Während meines vierwöchigen Praktikums war ich gemeinsam mit den Projektmitarbeitenden von Daraja und drei weiteren Studienkolleginnen in verschiedenen Bereichen tätig. Wir nahmen regelmäßig an den Treffen der Selbsthilfegruppen teil und führten Hausbesuche bei Mitgliedern durch, die aus gesundheitlichen Gründen nicht an den Meetings teilnehmen konnten.
Zudem begleiteten wir Schulbesuche, bei denen wir die Kinder aus dem Projekt trafen. Dabei ging es vor allem darum, zu sehen, wie es ihnen geht, ob sie gut im Schulalltag zurechtkommen und ob sie weitere Unterstützung benötigen. Im Zuge dessen überbrachten wir auch einen Teil der Schulgebühren, die vom Verein übernommen werden. Diese vielseitigen Einblicke in die Projektarbeit waren für mich sehr bereichernd und haben mir einen umfassenden Eindruck von der wertvollen Arbeit vor Ort vermittelt.

Wie gut sind die Menschen in Kenia über HIV informiert?
Wie gut die Menschen über HIV in Kenia generell informiert sind, kann ich pauschal nicht beantworten, da unser Praktikumsaufenthalt ja nur auf die Kleinstadt Emali und Umgebung beschränkt war. Dort ist die HIV-Rate höher als im Rest des Landes und das hat verschiedene Gründe: Emali liegt an einer wichtigen Verkehrsstraße, der Mombasa-Road, die die Hauptstadt Nairobi und die Küstenstadt Mombasa miteinander verbindet. Emali ist bekannt als „die Stadt, die niemals schläft“, mit viel Durchreiseverkehr, einem regen Nachtleben mit Prostitution. Viele Frauen aus ärmeren Familien sehen in dieser strukturschwachen Region oft keine andere Möglichkeit, Geld zu verdienen, als die Sexarbeit. Und in keiner anderen Berufsgruppe in Kenia ist HIV mehr verbreitet als unter Prostituierten. Die meisten Menschen in Emali kennen zwar das Problem, doch sind die Scham und die Angst vor Stigmatisierung oft zu groß, um den eigenen Status offenzulegen. In den Selbsthilfegruppen, die von "Daraja – die Brücke" unterstützt werden, wird genau dieses Stigma abgebaut und über HIV beziehungsweise AIDS aufgeklärt. Im Projekt ist man überzeugt, dass ein offener Umgang gleichzeitig die beste Präventionsarbeit ist.

Wie gut ist die medizinische Unterstützung?
Medizinische Behandlung für HIV-positive Menschen in Kenia wird seit vielen Jahren von großen Organisationen wie der US-amerikanischen AIDS Healthcare Foundation, der AHF, oder dem Programm der Vereinten Nationen für HIV/Aids mit dem Namen "Unaids" angeboten, doch kommt immer weniger Hilfe bei den Betroffenen an. Der aktuelle Grund dafür ist die Tatsache, dass die Trump-Regierung in den USA Entwicklungsgelder eingefroren haben. Das hat ganz konkrete Auswirkungen auf die HIV-Präventionsarbeit. Außerdem stehen weniger Medikament-Ausgabestellen für HIV-Betroffene in Kenia zur Verfügung und die Kondom-Verteilaktionen können nicht im Ausmaß wie bisher durchgeführt werden. Die Vereinten Nationen warnen vor einem baldigen Anstieg von AIDS-Todesfällen durch die gekürzten US-Gelder. Im Projekt in Emali gibt es eine kleine Klinik, die von den Mitgliedern gratis genutzt werden kann. Zwei Krankenpfleger und eine Labormitarbeiterin sind für die HIV-positiven Menschen und ihre Familien da und testen und behandeln auch andere Krankheiten, wie beispielsweise Malaria.  Das ist enorm wichtig, da der Weg in ein größeres Krankenhaus für viele in Emali zu weit und zum Teil nicht leistbar wäre.

Wird die Anzahl der Neuinfektionen langsam geringer oder steigt diese noch immer?
 Es gibt keine verlässlichen Erhebungen, was die HIV-Rate in Emali betrifft. "Unaids" veröffentlicht aber umfangreiche Zahlen zur Infektionsrate landesweit. Seit den frühen 2000er-Jahren sind die HIV-Neuansteckungen in Kenia zurückgegangen. Das könnte sich aber aus oben genannten Gründen bald ändern. Vor allem junge Frauen zwischen 15 und 24 Jahren sind von Neuansteckungen betroffen.

Adelina Dragoste (r.) machte ein vierwöchiges Praktikum beim Verein "Daraja - die Brücke", der sich für HIV-positive Menschen in der Stadt Emali einsetzt.
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Können Sie mir zwei Erlebnisse oder Erfahrungen nennen, die Sie besonders geprägt haben oder die Ihnen besonders in Erinnerung bleiben werden?
Ja, besonders bewegt hat mich ein Hausbesuch bei einer blinden Frau, die aufgrund ihres gesundheitlichen Zustands nicht mehr an den Gruppentreffen teilnehmen konnte. Sie lebte gemeinsam mit ihrem Sohn, und auch einige Verwandte aus der Nachbarschaft waren anwesend. Ihr Sohn sprach sehr gut Englisch, und wir kamen ins Gespräch. Er erzählte uns, dass er die Schule erfolgreich abgeschlossen hat und davon träumt, eine Ausbildung in seinem Wunschberuf zu machen. Doch bevor er diesen Weg gehen kann, möchte er erst Geld verdienen, um die Ausbildung selbst zu finanzieren. Bis dahin kümmert er sich liebevoll um seine Mutter – solange, bis seine jüngere Schwester die Schule beendet hat und die Pflege übernehmen kann. Die Selbstverständlichkeit, mit der er diese Verantwortung trägt, hat mich tief beeindruckt. Solche Begegnungen führen einem eindrucksvoll vor Augen, was es bedeutet, füreinander da zu sein – still, verlässlich und ohne große Worte.

Ist Ihnen ein weiteres Erlebnis besonders in Erinnerung geblieben?
Ja, ein Gruppentreffen einer Selbsthilfegruppe. Die Sozialarbeiterin, mit der wir unterwegs waren, war sehr bemüht, uns ehrliche Einblicke zu ermöglichen. In einem der Meetings griff sie gezielt Themen auf, über die wir zuvor in Reflexionsgesprächen gesprochen hatten. Sie fragte in die Runde, ob einige der Teilnehmerinnen bereit wären zu erzählen, wie es für sie war, als sie erfahren haben, dass sie HIV-positiv sind – und ob sie wissen, wie es dazu gekommen ist. Die Offenheit, mit der sie ihre Geschichten mit uns teilten, hat mich tief bewegt. Noch mehr hat mich beeindruckt, mit wie viel Akzeptanz und Optimismus sie heute durchs Leben gehen – trotz allem, was sie erlebt haben.

Was haben Sie persönlich für Ihr Leben von diesem Praktikum mitgenommen?

Was mich besonders berührt hat, war die Lebensfreude der Menschen – und das, obwohl sie mit Herausforderungen konfrontiert sind, die wir uns in Österreich kaum vorstellen können. Trotz dieser schwierigen Umstände begegnen viele ihrem Alltag mit bemerkenswerter Gelassenheit, innerer Stärke und Herzlichkeit. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, wie sehr es auf die eigene Haltung ankommt. Wir können nicht alles kontrollieren, aber wir können entscheiden, wie wir mit Belastungen umgehen. Mit Zuversicht, Dankbarkeit und gegenseitiger Unterstützung lässt sich vieles leichter tragen. Besonders bewegt hat mich, wie selbstverständlich Menschen füreinander da sind – dieses Gemeinschaftsgefühl ist etwas, das ich mitnehme und nie vergessen werde.

Hier können Sie spenden

Der Verein "Daraja - die Brücke" ist ständig auf der Suche nach neuen Mitgliedern und freut sich immer über Spenden. Alle Infos finden Sie auch unter www.daraja.at

Adelina Dragoste (2.v.l.) machte ein vierwöchiges Praktikum beim Verein "Daraja - die Brücke", der sich für HIV-positive Menschen in der Stadt Emali einsetzt.
Adelina Dragoste (r.) machte ein vierwöchiges Praktikum beim Verein "Daraja - die Brücke", der sich für HIV-positive Menschen in der Stadt Emali einsetzt.

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