Landesgericht St. Pölten
Mordverdacht – Urteilsverkündung gestoppt
ST. PÖLTEN. Es ist schon die Ausnahme, dass der Oberste Gerichtshof das Urteil in einem Geschworenenprozess aufhebt und der Fall in einem neuen Prozess mit anderen Richtern und Geschworenen wiederholt werden muss. Umso kurioser verlief eine Neuauflage am Landesgericht St. Pölten, bei der die Berufsrichter das Urteil der Geschworenen unmittelbar vor der Verkündung aussetzten und die Causa abermals vom OGH überprüft und vermutlich in einem dritten Prozess verhandelt werden muss.
Tathergang
Dem Prozess liegt eine Anklage wegen Mordversuchs zugrunde. Demnach soll ein 47-Jähriger aus dem Bezirk St. Pölten Land im Februar 2020 seine sitzende Ehefrau von hinten mit einem schweren Stein attackiert haben. Sie beugte sich vor und spürte plötzlich einen Schlag gegen Halswirbelsäule und Schulter. Ihr erster Gedanke war, dass ihr Mann kollabiert und auf sie gestürzt sei. Als Zeugin beim ersten Prozess im vergangenen Sommer schilderte sie den nachfolgenden Tathergang: Als sie sich umdrehte, stand der Mann mit dem Stein vor ihr. Sie packte ihn an den Handgelenken, dann ließ der Angreifer den Stein fallen. Da ihr die Flucht nicht gelang, legte sie sich bäuchlings auf den Stein und schrie. Von hinten legte er ihr die Hand auf Mund und Nase und umfasste ihren Hals. Wegen ihrer heftigen Gegenwehr ließ er schließlich von ihr ab, stieg in ein Fahrzeug und fuhr davon.
Prozess ohne Ende
Die acht Geschworenen waren damals der Ansicht, dass es sich um keinen Mordversuch gehandelt habe. Sie verurteilten den Angeklagten wegen versuchter absichtlich schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, wobei er den unbedingten Teil von acht Monaten mittlerweile verbüßt hat. Wieder auf freiem Fuß und mit seiner Frau ausgesöhnt, landete er neuerlich nach Aufhebung des Urteils in Untersuchungshaft.
Beim zweiten Rechtsgang hatte sich an der Verantwortung des Beschuldigten nichts geändert. Verteidiger Gerhard Taufner fasste zusammen: „Er hat nie im Leben vorgehabt, seine Frau schwer zu verletzten und schon gar nicht zu töten.“ Den Schlag mit dem Stein habe er ihr in Hockstellung mit relativ geringem Kraftaufwand versetzt, es war daher nur eine Rötung erkennbar. Er habe sich selbst als böse darstellen wollen, damit seine Familie nach seinem geplanten Suizid nicht allzu sehr trauere.
Wieder berieten acht Geschworenen in Klausur. Als der Richtersenat unter dem Vorsitzenden Markus Grünberger das Ergebnis überprüfte, stellte er fest, dass die Laien von einer falschen Erwägung ausgegangen waren, weshalb kein korrektes Urteil gefällt wurde und daher ausgesetzt werde. Der Angeklagte musste zurück in die Untersuchungshaft.
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