ÖVP-Nationalratsklub
Pongauerin Reiter will "Pensionsalter diskutieren"
Carina Reiter ist seit 2019 ÖVP-Nationalratsabgeordnete für den Wahlkreis Pinzgau/Pongau/Lungau. Im Interview an ihrem "Stammtisch" im Café Hasslwanter stellt sich die Pfarrwerfenerin hinter Parteiobmann Nehammer und fordert eine offene Diskussion über die Erhöhung des Pensionsalters.
MeinBezirk.at: Was halten Sie vom Rücktritt von Frau Sachslehner als ÖVP-Generalsekretärin?
Carina Reiter: Der Rücktritt ist zu Kenntnis zu nehmen. Als Generalsekretärin ist man meiner Meinung nach vor allem ausführende Kraft und muss mit den Vorgaben der Parteispitze arbeiten. Klar soll man Missfallen auch ansprechen, aber Kompromisse gehören in der Politik dazu und sind mitzutragen.
Finden Sie auch, dass die ÖVP von Ihrem Weg abgekommen ist?
Reiter: Ich glaube, dass die Partei schon in ihren Grundwerten gefestigt ist. In der Regierungsfunktion muss man eben ab und zu Kompromisse eingehen, um Lösungen zu erzielen. Freilich gibt es hin und wieder Punkte, die zu kritisieren sind. Aber die muss man sich dann eben ansehen und überarbeiten.
Die Umfragewerte der ÖVP gehen seit der Parteiübernahme durch Karl Nehammer nach unten. Ist er die richtige Besetzung als Obmann?
Reiter: Ja, ich halte ihn für eine gute Besetzung. So ein Amt in einer Krise zu übernehmen, wenn die nächste Krise bereits vor der Haustür steht, ist wirklich nicht einfach. Natürlich gehört es angesprochen, wenn etwas mal nicht so gut läuft. Aber es gilt einfach die Leute durch Arbeit zu überzeugen und die Dinge umzusetzen, für die man gewählt worden ist.
Was läuft zum Beispiel nicht so gut?
Reiter: Vor einiger Zeit wurde ja die sogenannte Message Control immer kritisiert. Klar braucht es Individualität in einer Partei. Ich glaube aber schon, dass man eine gemeinsame Linie in der Öffentlichkeit haben sollte. Themen gehören zunächst intern diskutiert, bevor man damit zu den Medien geht.
Trauen sich die Länder einfach wieder mehr zu sagen?
Reiter: Die haben sich immer getraut. Es wurde nur nicht immer alles über die Medien ausgerichtet.
Sehen Sie sich eigentlich als Schwarze oder Türkise?
Reiter: Ich finde eine Partei zeichnet sich durch ihre Grundwerte aus und nicht durch Fragen über die Parteifarbe. Aber in Salzburg sind wir wohl schon noch klassisch, bürgerlich schwarz mit ein paar türkisen Tupfern.
Sie sind seit 2021 Jugendsprecherin des ÖVP-Parlamentsklubs. Was sind Ihre Ziele in der Jugendpolitik?
Reiter: Im ehrenamtlichen Bereich, wo sich Jugendarbeit hauptsächlich abspielt, ist ein Ziel für die Budgetverhandlungen definitiv die Erhöhung der Bundesjugendförderung. Hier hat sich seit über 20 Jahren nichts getan, obwohl sich die Jugendarbeit immer weiter entwickelt hat. Auch hauptamtliche Betreuungseinrichtungen wie Jugendzentren müssen vom Bund wirksam unterstützt werden. Und ganz wichtig sind weitere Schritte in Bezug auf mentale Gesundheit. Die Pandemie war hier ein Brandbeschleuniger und man darf dieses Thema nicht weiter klein reden.
Welche konkreten Maßnahmen stellen Sie sich in Bezug auf die mentale Gesundheit vor?
Reiter: Es braucht vor allem in der Prävention mehr niederschwellige Angebote. Das gilt natürlich für die Schulen aber auch darüber hinaus. Ich denke zum Beispiel an ein „Rat auf Draht“ Angebot über WhatsApp. Die Hürden müssen möglichst gering sein, damit sich Betroffene auch trauen, Hilfe zu holen. Aber aktive Jugendarbeit betrifft einfach so viele Bereiche, auch die Debatte über eine Pensionsreform muss endlich offen geführt werden.
Wie stellen sie sich eine solche Pensionsreform vor?
Reiter: Wir müssen uns überlegen, wie wir auch in der Zukunft faire Pensionen gewährleisten können. Da muss man auch über die Einschleifung des Pensionsalters diskutieren. In Dänemark redet man gerade von 68 Jahren, wir müssen schauen, dass wir die 60 überhaupt zusammenbringen. Das ist ein unbequemes Thema, aber es gehört im Sinne der Generationsgerechtigkeit debattiert.
Vor allem am Land gibt es ein Problem, dass immer mehr Lehrstellen nicht besetzt werden. Wie kann man die Jugend vom Konzept Lehre überzeugen?
Reiter: Wir müssen Berufsbilder in der Lehre aktualisieren und neue Lehrberufe schaffen, die mit der Zeit gehen. Man muss Jugendlichen und Eltern vermitteln, welche Chancen eine Lehre eröffnet. Auch die Lehre mit Matura versucht man immer weiter zu stärken und dadurch entstehen wiederum tolle Berufswege.
Aber wie kann man die Eltern von den Chancen der Lehre überzeugen?
Reiter: Die Eltern sollten auch bei Berufsinformationsmessen mehr mit einbezogen werden. Und für die Lehrlinge sollte man sich bessere Anreize überlegen. Der Bildungsscheck ist ein gutes Beispiel dafür, dass es funktionieren kann.
Arbeitgeber berichten, dass oft auch Anreize nicht mehr helfen.
Reiter: Natürlich werden weiterhin viele in eine Schule gehen. Aber auch hier muss man einfachere Möglichkeiten schaffen, um beispielsweise eine Lehre noch nach der klassischen Matura absolvieren zu können. Der Praxisbezug sollte auch in den Schulen mehr fokussiert werden.
Gibt es spezifische Pongauer Interessen, die Sie als heimische Abgeordnete im Nationalrat vertreten?
Reiter: Ein klassischer Dauerbrenner ist die Begradigung und Lawinensicherung der Bahntrasse am Pass Lueg. Durch eine schnellere Verbindung könnte man hier den Bahnverkehr weiter forcieren. Auch Wohnen und Digitalisierung sind immer ganz oben auf der Agenda. Ich bringe in Wien die ländliche Perspektive unserer Gemeinden ein und bin im stetigen Austausch mit den heimischen Verantwortungsträgern, um im Sinne des Bezirks zu arbeiten.
Nehmen Sie den allgemeinen Vertrauensverlust in die Politik in Ihrer Arbeit wahr?
Reiter: Ja. Themen werden nicht mehr in aller Ruhe ausdiskutiert, sondern alles ist gleich total dramatisch. Als lokale Mandatarin sehe ich mich aber schon in einer Schlüsselrolle, um in der Bevölkerung Verständnis für politische Entscheidungen zu stiften. Man nimmt hier oft nur das Hickhack in Wien wahr und dem will ich schon mit einer gewissen Sachlichkeit entgegentreten. Dafür muss man den Leuten zuhören und mit ihnen diskutieren.
Erfahren Sie in diesen Gesprächen auch persönliche Anfeindungen?
Reiter: Das ist unterschiedlich. Offensive Beleidigungen höre ich nur selten. Aber ich merke schon, dass es als junge Frau in der Politik noch viel schlimmer ist. Da muss man sich schon ganz andere Sachen anhören als die männlichen Kollegen. Da braucht man eine hohe Schmerzgrenze und die habe ich. Im Internet ist das alles natürlich noch schlimmer. Mein Ziel ist es trotzdem immer klare Worte zu finden, mit den Konsequenzen muss man dann eben leben.
Danke für das Gespräch!
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