Kooperation von Kunstuni & JKU
Ausstellung beleuchtet erstmals NS-Geschichte der Nibelungenbrücke
Eine neue Ausstellung in Kooperation von Kunstuniversität Linz und der Johannes Kepler Universität beleuchtet erstmals die NS-Geschichte der Linzer Nibelungenbrücke aus unterschiedlichen Perspektiven. Durch die Auseinandersetzung mit dem zentralen Linzer Bauwerk will man sich die Brücke aneignen. "Über eine Brücke ... gehen/fahren/forschen/streiten heißt die Ausstellung. Bis zum 18. Dezember ist sie Montag bis Freitag im Brückenkopfgebäude Ost, jeweils von 11 bis 18 Uhr frei zugänglich. Die Eröffnung findet am 20. November um 18 Uhr statt.
LINZ. Keine Tafel, Denkmal oder Schild verweist auf die Historie der Linzer Nibelungenbrücke. Mit der Ausstellung in Kooperation der Kunstuniversität Linz und der Johannes Kepler Universität (JKU) soll sich das erstmals ändern. Studierende der Studiengänge Kulturwissenschaften, Medienkultur und Kunstwissenschaften sowie Politischer Bildung beforschten die Geschichte der Brücke und setzten sich künstlerisch mit den Ergebnissen auseinander. "Während der NS-Zeit sind nicht nur Repräsentationsbauten und Wohnungen entstanden, sondern auch Bauten und Bauwerke, die der Infrastruktur bis heute dienen. Diese werden selten thematisiert und sind oft unhinterfragt Teil unseres Alltagslebens", so Medienwissenschaftlerin Angela Koch, Professorin für Medienästhetik an der Kunstuniversität Linz.
Neue Entdeckungen zur Nibelungenbrücke
Die Idee zur Ausstellung stammt von Birgit Kirchmayr, Professorin für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte an der JKU. Bereits 2009 kuratierte Kirchmayr im Rahmen der Kulturhauptstadt Linz09 die Ausstellung "Kulturhauptstadt des Führers". Schon damals entstand der Wunsch nach einer näheren Beschäftigung mit der Nibelungenbrücke. Viele neue Quellen wurden jetzt von den Studierenden entdeckt. "Im Stadtarchiv sind rund 500 Fotos gefunden worden, die den Bau der Brücke dokumentieren", berichtet Kirchmayr. Ein Teil daraus ist in Form einer Collage in der Ausstellung zu sehen. In Zeitungen taucht der Name Nibelungenbrücke erst 1939 erstmals auf, ergaben die Recherchen. "Mit dem Bau begonnen wurde bereits 1938. Zuvor war immer nur von der neuen Brücke die Rede", so die Historikerin.
Wie kam die Nibelungenbrücke zu ihrem Namen?
Aber warum heißt die Brücke überhaupt Nibelungenbrücke? Diese Frage stellten die Studierenden Passantinnen und Passanten. Eine Videodokumentation zeigt: Fast niemand wusste die Antwort. Kirchmayr ist darüber nicht verwundert, denn auf der Brücke finden sich keine Informationen dazu. "Umso mehr wollten wir gemeinsam in den Archiven graben, der Geschichte der Brücke nachgehen und sie in einer Ausstellung verpacken", meint Kirchmayr. Das Vergessene soll hervorgeholt und diskutierbar gemacht werden. Viele wüssten nicht, dass es sich bei der Nibelungenbrücke um einen NS-Bau handelt, der direkt nach dem "Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich" gebaut wurde. Die deutsche Nibelungensage repräsentiert hier die Ideologie des NS-Regimes. "Kriemhild und ihre Brüder machten sich auf den Weg nach Osten zu Hunnenkönig Etzel", erklärt Kirchmayr.
NS-Geschichte der Brückenkopfgebäude
Mit der NS-Geschichte beschäftigen sich auch mehrere Arbeiten: etwa zum Einsatz von Zwangsarbeitern – beim Bau wurde Granit aus den Steinbrüchen der KZs Mauthausen und Gusen verwendet. Mit der Brücke entstanden auch die beiden Brückenkopfgebäude, in denen die Kunstuniversität untergebracht ist. Dazu mussten Bestandsgebäude abgerissen werden, die darin lebenden Personen wurden enteignet. In einer Nische erzählen zwei Studierende durch Dokumente exemplarisch die Geschichte eines Falls. Die Brückenkopfgebäude sind ebenfalls NS-Bauten – in einem noch original erhaltenen Raum – dem Vestibül – befindet sich ein weiterer Ausstellungsraum. Dieser widmet sich der Auseinandersetzung mit der Nibelungensage.
Auseinandersetzung mit Nibelungenmythos
Mit mehreren Illustrationen wird dort der Nibelungenmythos aus einer feministischen Perspektive erzählt. Eine weitere Forschungsarbeit setzt sich mit den Skulpturen auseinander, die auf Wunsch von Adolf Hitler auf der Brücke hätten positioniert werden sollen. Vier sechseinhalb Meter große Reiterstandbilder waren dafür angedacht – diese sollten Siegfried, Kriemhild, Gunter und Brunhild zeigen. Zwei weitere Figuren – Hagen und Volker – waren für den Brückenaufgang in Urfahr vorgesehen. Beauftragt dafür war der deutsche Bildhauer Bernhard von Plettenberg. Er selbst wandte sich noch nach Kriegsende in den 1950er-Jahren an den Linzer Magistrat, um die Umsetzung zu erwirken. Die Anfrage wurde abgelehnt. Die Statuen blieben Gipsmodelle – eines davon ist heute in der Dauerstellung des Nordicos zu sehen.
Diskussionsveranstaltungen zur Ausstellung
Während der Ausstellung sind auch mehrere Veranstaltungen geplant. Am 26. November um 18 Uhr diskutieren unter dem Titel "Eine Torte für die Brücke" Anna Pech und Moritz Matschke über ihren Beitrag zur Ausstellung mit Wiltrud Hackl (Kunstuniversität Linz). Am 3. Dezember um 18 Uhr spricht Angela Koch (Kunstuniversität Linz) mit Eva Meran vom Haus der Geschichte Österreich über "Kontaminierte Objekte & Gebäude". Und am 12. Dezember um 18 Uhr ist Germanist Robert Schöller von der Universität Fribourg zu Gast, um mit Birgit Kirchmayr (JKU) über den Nibelungenmythos im Nationalsozialismus zu diskutieren.
Beteiligte Studierende: Fabiola Benninger, Sophie Buchner, Thea Burkhard, Flora Goldmann, Stefanie Grasberger, Lena Himmelbauer, Julia Höglinger, Maria Keplinger, Thomas Obristhofer, Drina Scholz, Marina Sladojevic, Marina Weinzierl, Janice Wette, Paula Ursprung sowie Jasmin Ziermayr.
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