Der Landstraßer Bezirksvorsteher Erich Hohenberger im Interview: "Den komischen Canaletto-Blick kann ich nicht mehr hören"

- <b>Bezirksvorsteher Erich Hohenberger</b> (l.) im Gespräch mit Redakteur Andreas Edler und Chefredakteur Christoph Schwarz.
- hochgeladen von Markus Spitzauer
Bezirkschef Erich Hohenberger (SPÖ) über den Canaletto-Blick, Polit-Interventionen und die Fußball-EM.
LANDSTRASSSE. Die Leidenschaft von Erich Hohenberger sticht in seinem Büro sofort ins Auge: Hier arbeitet ein großer Fußball-Fan. Pokale, Bälle und Teamfotos dominieren den Raum.
Wie wird man als Floridsdorfer Bezirksvorsteher der Landstraße?
ERICH HOHENBERGER: Bruno Kreisky ist schuld. Ich war damals in der Zentralsparkasse tätig und hatte 1979 das einmalige Erlebnis, ihn drei Monate im Wahlkampf durch Österreich zu begleiten. Bis dahin hat mich Politik gar nicht interessiert – ich wollte Bankdirektor werden. 1983 bin ich dann doch dem Kreisky zuliebe in die Landstraßer Politik gekommen. Dass mir das so viel Spaß und Freude macht, hätte ich damals nicht geglaubt. So jemanden wie Kreisky gibt es heute weder links noch rechts oder in der Mitte.
Woran liegt das?
Schwer zu sagen. Kreisky war anders. Er hatte ein Gespür für Menschen. Heute finden Politiker keine klaren Worte mehr. Machen wir etwas, oder machen wir es nicht? Wir reden heute zu viel, brauchen für alles zehn Gremien. Jeder hat vor irgendetwas Angst. Handschlagqualität gibt es heute nicht mehr.
Hat man vor Politikern heute weniger Respekt?
Auf der einen Seite schimpfen alle über die Politik, auf der anderen Seite wird Politik richtig toll, wenn man plötzlich für die eigenen Kinder oder Enkel etwas braucht. 80 Prozent meiner Tätigkeit sind Interventionen. Von Wohnungen über Jobs, Kindergarten- und Schulplätze, Pflegeplätze, Schanigärten oder Ladezonen. Ich bemühe mich, wo ich kann, zu helfen. Das ist echte Politik für mich.
Kommen die Leute direkt zu Ihnen?
Ja, es gibt auch sehr tragische Fälle trotz unseres dichten Sozialnetzes. Und dann fühlt sich plötzlich niemand zuständig. Eine alleinerziehende Mutter kam zu Weihnachten mit dem Wunschzettel ihres Kindes zu mir. Die Tochter wünschte sich eine Barbiepuppe um 19,90 Euro. Nach einem längeren Gespräch zeigte sich, dass die Dame mit 179 Euro im Monat leben muss. Für uns ist das unvorstellbar. Sie haftet für den Kredit ihres Exmannes und die Bank ist kein Sozialinstitut. Der Mutter habe ich dann Gutscheine im Wert von 500 Euro gegeben. Das geht mir sehr nahe. Da merkt man erst, wie gut es einem geht.
Die Landstraße ist schwer einzuordnen. Was charakterisiert für Sie den Bezirk?
Für mich ist er der einzige Bezirk, der eine große Palette aufweist: vom größten Diplomatenviertel, über ein Industrieviertel, Arbeiterviertel, Regierungsviertel und Universitätsviertel. Das ist nicht vergleichbar mit anderen Bezirken Wiens.
Sorgt das Aufeinandertreffen von unterschiedlichen Lebenswelten für Probleme?
Nein, überhaupt nicht. Wir haben auch zwei Moscheen und es gibt kein Problem. Auch mit den Flüchtlingen nicht – wir haben die meisten in Wien und keine Probleme. Für jede Parkbank bekomme ich mehr Gegenstimmen als bei den Flüchtlingen. Und wenn eine Parkbank unser Kernproblem ist, dann sind wir ein glücklicher Bezirk.
Probleme ergeben sich gerade beim Bauprojekt am Heumarkt. Wie sehen Sie die derzeitigen Entwicklungen?
Ich bin Nachdenkpausen von Wien-Mitte gewohnt. Wir werden uns in Ruhe mit dem Projektbetreiber zusammensetzen. Er wird so wie bei Wien Mitte die Höhe reduzieren müssen und wir werden einen Flächenausgleich suchen. 25 Jahre darf das halt nicht dauern, denn so lange gibt es mich nicht mehr. Aber eine klare Aussage habe ich: Diesen komischen Canaletto-Blick kann ich nicht mehr hören. Da ist mir völlig wurscht, wer böse auf mich ist und wer nicht. Bei Wien-Mitte hab ich das auch tausendmal gehört. Wien ist ja kein Dorf bitte.
Hat Sie als passionierter Fußballer die EM fest im Griff?
Ja, natürlich. Wer am Abend eine Sitzung ansetzt, während ein interessantes Match stattfindet, muss derzeit eigentlich zum Psychiater.
Wen wünschen Sie sich als Europameister?
Nicht die Deutschen!
Interview: Andreas Edler und Christoph Schwarz
Zur Person
Erich Hohenberger (67) absolvierte in der Zentralsparkasse eine Ausbildung zum Banker. 1989 wurde er als Landstraßer Bezirksvorsteher angelobt.
Alle 23 Bezirksvorsteher im ausführlichen Interview finden Sie in den kommenden Wochen online auf www.meinbezirk.at/bz-interview


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