Tabulos im Auftrag der Männergesundheit
Urologie-Oberarzt Dr. Ralf Koller mahnte zum Abschluss des Mini-Med-Wintersemesters in Kundl Männer zu mehr Vorsorge und referierte über Probleme und Lösungsansätze rund um Prostata und Penis.
KUNDL (nos). Dass das "Thema Männergesundheit zu unterrepräsentiert" ist, stellte schon Dr. Dieter zu Nedden, österreichweit verantwortlich für die Mini Med Studien, in seiner Einführung am 16. November im Sandoz Visitor Center fest. Zwar sei eine Gesinnungsänderung in der Gesellschaft spürbar, doch "Männergesundheit ist kaum ein Thema", darum wolle man dies als Schwerpunkt über das ganze nächste Jahr ziehen, so der Professor. Der "Hörsaal" im Kundler Center war beinahe bis auf den letzten Platz und fast nur mit Männern gefüllt – eine Besonderheit im Vergleich zu den vorhergehenden Vorlesungen, aber dem Thema durchaus entsprechend.
Prävention sehr unterschiedlich
Die landläufige Meinung, dass Männer Gesundheits- und Vorsorgemuffel seien, sollte etwas revidiert werden, wenn man den Ausführungen der beiden Mediziner folgt. Zwar nehmen nur 17 Prozent der Männer eine geschlechtsspezifische Vorsorgeuntersuchung in Anspruch – bei den Frauen sind es 77 Prozent –, das ist aber nicht nur die Schuld der Männer. Hier gibt es systemische Ursachen im heimischen Gesundheitsapparat: "Männer haben hier im Vergleich zu Frauen keine Lobby", führt Dr. zur Nedden aus. Brustkrebsvorsorge, gynäkologische Routineuntersuchungen oder HPV-Prävention werden stark öffentlich unterstützt und finanziert, während die Krankenkassen und die öffentliche Wahrnehmung bei der Prophylaxe für Männer bei weitem nicht so freigiebig sind.
Inkontinenz, Impotenz und Prostata – worüber Keiner spricht
Dr. Ralf Koller, Oberarzt an der Urologischen Abteilung des Bezirkskrankenhauses Kufstein, zeigte sich hoch erfreut ob des starken Besucherzustroms zu seiner Vorlesung in Kundl, zumal "Männergesundheit sehr tabubelastet" sei.
Schon der Einstieg Kollers brach das erste Tabu und begann offen und durchaus als Auflockerung mit erektiler Dysfunktion. "Wenn er kurz steht, und dann ist es wieder weg, ist das auch nicht fein", erklärte der Urologe und ging zuerst der Frage nach, was überhaupt zu einer Erektion führt.
Physiologisch gesehen sind es externe Reize, durch Berührung, Geruch, Sehen, Schmecken oder Hören, die auf den Hypothalamus und das Mittelhirn einwirken und den Parasympathicus zum Erektionsvorgang animieren.
Der Fachmann spricht von erektiler Dysfunktion bei einer "anhaltenden Unfähigkeit eine Erektion zu bekommen oder aufrecht zu erhalten, die für einen befriedigenden Geschlechtsverkehr ausreichend ist". "Wenn's einmal nicht klappt, ist das noch kein Problem, aber wenn man sich daraus Stress macht, kann es ein Problem werden", so Koller. Erektionsschwierigkeiten können aus zwei Quellen kommen: Körperliche Ursachen, wie Gefäßprobleme, oder psychische, etwa Stress. "Wenn ich mich unter Stress setze, sinkt die Libido", erklärte Koller. Dann setze der Sympathicus ein, "und das will man ja grade nicht". Je mehr Mann sich im Kopf damit beschäftige, desto eher setze eine Abwärtsspirale ein.
Bei körperliche Ursachen gelte es, nicht nur die Impotenz selbst zu behandeln, sondern auch die Risikofaktoren, "das muss man im weiteren Kontext sehen", so der Facharzt. In 42 Prozent der Fälle sind erhöhte Blutfettwerte mitausschlaggebend, in 41 Prozent zu hoher Blutdruck. Gefäßerkrankungnen sind bei rund einem Drittel der Patienten Ursache für Erektionsprobleme, bei einem Viertel ist es Diabetes. Dies alles führt zu Durchblutungsproblemen, was auch den Penis betreffen kann, denn er ist "die Antenne des Herzens", so der Oberarzt.
Koller gab auch einen Einblick in diverse Therapiemöglichkeiten: vom "Phosphodiesterase 5"-Hemmer (PDE5), den bekannten blauen Pillen, über die Schwellkörper-Autoinjektionstherapie (SKAT), bei der sich der Patient ein Mittel in den Penis spritzen lässt, zu Vakuum-Pumpen bis zur Penisprothese.
"Gar nicht so lustig"
Priapismus ist das Fachwort für eine über zwei Stunden bestehende, oft schmerzhafte Dauererektion. "Klingt vielleicht ganz toll, ist im Ernstfall aber gar nicht so lustig", erklärt Koller. Spätestens nach vier Stunden gelte es dringend einen Urologen aufzusuchen, das im Schwellkörper aufgestaute Blut könnte gerinnen und verklumpen! Als Ursachen für Priapismus können Drogenmissbrauch (Kokain, Narkosemittel), eine überdosierte SKAT-Injektion, Tumorerkrankungen, Traumata oder Querschnittslähmung in Frage kommen.
Die Zeugungsfähigkeit
Etwa 15 Prozent der Paare bleiben trotz Kinderwunsch und regelmäßigem Geschlechtsverkehr über ein Jahr hinweg kinderlos. Dann sollten Frau wie Mann den Weg zum Arzt einschlagen und die Ursachen dafür ergründen lassen. Auch hier können psychische wie körperliche Gründe vorliegen. Eine Ursache beim Mann könnte ein Hodentumor sein, der "ein Tumor des jungen Alters" ist, so Koller. Sind die Gründe geklärt, kann medizinisch unterstützt weiter versucht werden, ansonsten gäbe es auch noch diverse Möglichkeiten künstlicher Befruchtung.
Männer, die keinen Kinderwunsch mehr hegen, können sich als Verhütungsmittel einer Vasektomie unterziehen, also sich die Samenleiter im Hoden durchtrennen lassen. Diese Methode ist in über 99 Prozent der Fälle erfolgreich, schützt aber nicht vor Geschlechtskrankheiten, mahnt der Urologe. Zudem ist sie an sich irreversibel. Rück-Operationen haben sehr gemischte Ergebnisse, "man sollte sehr sicher sein, dass man kein Kind mehr will", stellt Koller fest.
Wenn die Prostata wächst
Mediziner unterscheiden grundsätzlich zwei Arten der Prostatahyperplasie, einer vergrößerten Prostata: die benigne, also gutartige, "betrifft sehr, sehr viele Männer", weiß der Urologe. Durch ihre Lage im Becken, kann sie wie eine Manschette die Harnröhre abdrücken, was zu schlechterer Blasenentleerung führen kann, bis hin zum Urinrückstau in die Nieren oder einer Inkontinenz. Dagegen lässt sich mit Medikamenten vorgehen, oder aber mit verschiedenen Operationsvarianten.
Die maligne Prostatahyperplasie ist oft mit einem Karzinom verbunden – Prostatakrebs ist nach wie vor die häufigste Krebserkrankung österreichischer Männer und die zweithäufigste Krebstodesursache (4.800 im Jahr 2010).
Zur Diagnostik brauchts es bei den Urologien zuallererst Fingerspitzengefühl – die Die digital-rektale Untersuchung (DRU), mit dem Finger zur Beurteilung von Form, Lage und Konsistenz der Prostata, ist die wohl bekannteste Variante. Zudem lässt sich im Blut die Konzentration des Prostata-spezifischen Antigens (PSA) messen und daraus eine mögliche Problematik ableiten, aber keinen Krebs. Dafür muss im Zweifelsfall biopsiert, also eine Gewebeprobe entnommen und untersucht werden. "Wir empfehlen ab 45 Jahren den PSA-Wert regelmäßig kontrollieren zu lassen", so Koller. Die Krankenkassen bezahlen diese Leistung im Zuge der Vorsorge ab einem Alter von 50.
Auch Ultraschall und Magnetresonanztomographie (MRT) kommen zum Einsatz. "Prostatakrebs kann man durchaus behandeln, die meisten Formen sind eher nicht so aggressiv", erklärt Koller.
Abhängig vom Alter lässt sich der Krebs abwartend und beobachtend konservativ behandeln, oder mittels Operation entfernen. Zudem stehen Chemo- und Strahlentherapien zur Verfügung, oder eine Hormontherapie, denn "der Prostatakrebs braucht Testosteron als Nahrung".
"Bei bösartigem Prostatakrebs spürt man erst etwas, wenn es schon viel zu spät ist", erklärte ein Betroffener.
Die Diskussion
In der abschließenden Diskussionsrunde sellten sich Dr. Koller und Dr. zur Nedden den Fragen aus dem Publikum. Sie erklärten etwa die Kontraindikationen für einen Einsatz von PDE5-Hemmern, also was einer Gabe von z.b. Viagra entgegenstehe. Patienten die Nitro-Sprays verwenden, seien beispielsweise hoch gefährdet, wenn sie solche Potenzmittel einnehmen!
Zum Thema "vorzeitiger Erguss" stellten die Mediziner fest, dass zuerst unterscheiden werden müsste, ob dies schon immer der Fall war, oder erst im Laufe der Aktivität auftrat. "Jeder Mann glaubt, der andere könne eine halbe Stunde lang, aber drei bis fünf Minuten sind ganz normal", meint Koller, "Wenn man kaum eingefädelt hat und es ist vorbei, ist es halt auch nicht gut."
Seit 2004 gibt es die "Betroffenengruppe Unterland" der Selbsthilfegruppe Prostatakrebs Tirol. Die Treffen finden jeden letzten Dienstag im Monat um 19 Uhr im Restaurant Waldruhe, Wörglerstraße 8, in Kirchbichl statt. Weitere Informationen und Kontaktmöglichkeiten finden Sie hier in einer pdf-Datei.
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