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„Wird Bitcoin zum digitalen Sparbuch?"

Was ist Bitcoin eigentlich? | Foto: Foto: DADO RUVIC / Reuters
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Interview: Bitcoin werde als technologische Innovation völlig unterschätzt, sagt Nikolaus Jilch, Geldexperte der Agenda Austria. Er erklärt, warum viele dennoch mit Kryptowährungen Geld verlieren und warum Europa diesmal nicht nachhinkt.

VON BEATE LAMMER

Die Presse: Bitcoin spaltet die Gemüter. Es gibt fanatische Bitcoin- Hasser, und es gibt leidenschaftliche Bitcoin-Fans. Warum polarisiert Bitcoin so? Nikolaus Jilch: Bitcoin ist ein radikaler Gegenentwurf zu dem Geldsystem, das wir derzeit haben. Es gibt Leute, die der Meinung sind, Bitcoin sollte Euro und Dollar ersetzen. Und es gibt Leute, die sagen: Das ist alles Unfug und gefährlich, und was wir jetzt haben, ist wunderbar. Die Wahrheit liegt wohl dazwischen.

Was ist Bitcoin eigentlich?

Bitcoin entwickelt sich gerade zum digitalen Sparbuch. Das klingt auf den ersten Blick verrückt, denn es ist wahnsinnig volatil, es gibt viele Risken, Fallen, Probleme. Aber Michael Saylor von Micro Strategy (Softwareunternehmen, das in Bitcoin investiert, Anm.) oder Elon Musk von Tesla sehen das genauso. Sie legen das Geld ihrer Firmen in Bitcoin an, um sich vor der Abwertung der klassischen Währungen zu schützen. Bitcoin ist ein Geldsystem mit einer klar vorgegebenen Geldpolitik. Es ist das härteste Geld, das die Welt je gesehen hat, härter als Gold sogar. Und es ist auch eine Technologie, mit der man Geld herumschicken kann. Elon Musk kann die 1,5 Milliarden Dollar, die er in Bitcoin investiert hat, mit einer einzigen Ausführung zu mir schicken, wenn er will.

Manche sagen, Bitcoin steige nur deswegen so stark, weil wir in verrückten Zeiten leben, und dass Elon Musk bekannt dafür sei, dass er verrückte Dinge tut. Und man sollte die Leute da nicht „hineintheatern". Ich will niemanden hineintheatern. Eine Beschäftigung mit dem Thema ist keine Empfehlung, Bitcoin zu kaufen. Jeder, der sich für Bitcoin interessiert, soll sich zuerst informieren, worum es geht. Und dann eine seriöse Börse suchen und sich nicht auf irgendeinen Scam einlassen, der ihm in einer WhatsApp-Gruppe oder am Stammtisch empfohlen wurde. Viele Leute verlieren auch im Kryptosektor, weil sie nicht in Bitcoin investieren, sondern gleich in irgendeines der anderen 8000 Projekte. Und dort passiert sehr viel Lug und Betrug. Aber auch mit Bitcoin selbst kann man Geld verlieren, wenn man spät kauft und dann die Nerven wegschmeißt. Klar. Bitcoin ist für jeden zugänglich – und es ist ein kleiner Markt, der sich schnell bewegt. 2020 sind allerdings viele institutionelle Anleger eingestiegen. Hedgefonds, Vermögensverwalter, Family Offices. Das g ibt dem Ganzen ein bisschen mehr Legitimität. Was hat Bitcoin, das nicht jedes andere knappe Gut auch bieten kann – etwa Gold oder irgendeine andere Kryptowährung? Einige Kryptowährungen haben auch mehr Funktionen als Bitcoin. Manche sagen, Silber sei besser als Gold, denn das brauche man auch als Rohstoff. Nein! Das Beste, was einem Geld passieren kann, ist, dass man es nicht für etwas anderes braucht. Denn wenn man es für etwas anderes auch braucht, ist es unpraktisch und auch unmoralisch, es als Geld zu bunkern. Wenn ich Bananen als Geld bunkern würde, nähme ich ja jemand anderem etwas zu essen weg – abgesehen davon, dass die Banane verfault. Nun hat Gold auch Funktionen als Schmuck und in der Industrie, was ihm diesen berühmten intrinsischen Wert gibt. Bitcoin hat das nicht, es ist reines Geld. Und was die anderen Kryptowährungen betrifft, da hat Bitcoin den First-Mover-Vorteil. Da müsste schon ein Projekt kommen, das nicht doppelt so gut, sondern zehnmal so gut ist. Gibt es Leute, die besser kein Bitcoin kaufen sollten?
Ich würde jedem abraten, der schnell reich werden will. Wir wissen nicht, wo wir in diesem Zyklus stehen. Irgendwann wird der Preis wieder stark fallen, wie 2018. Er wird auch monatelang, möglicherweise jahrelang nach unten gehen. Es gibt auch die Möglichkeit, dass ein Staat Bitcoin verbietet, was den Preis hinunterdrücken würde. Ist es nicht doch ein Problem, dass die Mehrheit der Leute Bitcoin einfach nur deswegen kauft, weil es steigt? Jetzt fragen alle: Wie kann ich Bitcoin kaufen? 2018 hat das keiner gefragt. Natürlich ist das ein Problem. Die Blase wird sich ausweiten, dann wird sie platzen, und dann geht wieder der große Katzenjammer los. Aber das ist die Art und Weise, wie dieses Asset wächst. Sich über die Blasen bei Bitcoin zu beschweren, ist so wie sich am Strand über die Wellen zu beschweren. Dann darf man halt nicht ans Meer gehen. Bitcoin ist auf jeden Fall eine technologische Innovation, die von den Menschen, die sie erleben, vollkommen unterschätzt wird. Bitcoin wird oft vorgeworfen, massiv Strom zu verbrauchen. Ist diese Kritik nicht gerechtfertigt? Der Stromverbrauch von Bitcoin ist auf dem Niveau wie der von Netflix, YouTube und Computerspielen. Technologie braucht Energie. Das Auto braucht auch mehr Energie als Pferde. Die Frage, ob das eine Verschwendung ist, hängt davon ab, ob man Bitcoin als sinnvoll erachtet. Natürlich wäre es schön, wenn alles aus Luft und Wasserkraft käme, und es wird sich wahrscheinlich stärker in diese Richtung bewegen. Bitcoin kann sogar eine positive Rolle spielen, wenn es darum geht, Innovation im Bereich der erneuerbaren Energie voranzutreiben. Aber der Energieeinsatz bei Bitcoin ist dafür da, das System zu sichern. Wie sollen die Notenbanken und Staaten mit Bitcoin umgehen? Was sollen sie machen? Möglichst wenig. Wenn man die Innovationen bei uns nicht zulässt, finden sie woanders statt. Bei Krypto hinkt Europa noch nicht so weit hinter Amerika her wie in anderen Bereichen. Es gibt enorme Innovation auf dem Gebiet, auch in Österreich. Bitpanda ist eines der wichtigsten europäischen Fintechs im Bitcoin-Bereich, es gibt auch Coinfinity, Blockpit, Anwälte, Notare und Steuerberater, die sich damit beschäftigen. Ausnahmsweise haben die Österreicher hier einmal nicht sofort alles unterbunden, was neu war. Das sollte so weitergehen. Bitcoin sorgt in Österreich heute für Jobs und für Steuereinnahmen.
ZUR PERSON
Nikolaus Jilch ist Geldexperte beim wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria und Autor der am Donnerstag präsentierten Studie „Geld ohne Staat" über Bitcoin. Jilch ist Finanzjournalist und Moderator und war bis 2019 Wirtschaftsredakteur bei der „Presse".

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Regionaut Erich Timischl

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