Heute vor 100 Jahren: Start des österreichischen Luftlinienverkehrs
Am 14. Mai 2023 jährt sich ein besonderes Ereignis der Mobilitätsgeschichte zum 100. Mal:
Der Premierenflug einer österreichischen Airline und die offizielle Aufnahme des Flugliniendiensts zwischen Deutschland und Österreich.
Wien vor 100 Jahren
„Der Flieger kommt!“ – derartige Rufe schallten zur Mittagszeit des 14. Mai 1923 durch Wien, als viele Finger in den Himmel über den Kahlenberg zeigten. Es war die Maschine, die plangemäß den Luftlinienverkehr zwischen Österreich und Deutschland aufnehmen sollte. Beteiligt waren hieran die Fluggesellschaften des deutschen Junkers-Konzerns und die Österreichische Luftverkehrs AG (die historischen Wurzeln der heutigen Flag-Carrier Lufthansa und Austrian Airlines) gemäß der pazifistischen Vision des hinter dieser Unternehmung stehenden Luftfahrtpioniers Hugo Junkers (1859-1935): „Unsere Ziele sind höher gesteckt, nämlich das Flugzeug zu benutzen, um Menschen und Nationen einander näher zu bringen.“.
Es war der erste Flug der eben erst gegründeten Österreichischen Luftverkehrs AG. Mit ihr trug erstmals ein österreichisches Unternehmen zum regelmäßigen internationalen Luftverkehr für Personen, Fracht und Post bei. Bis zum Ende der 1930er-Jahre sollte sie als „viertgrößte Fluggesellschaft Europas“ zu einer der größten Erfolgsgeschichten werden, welche die Erste Republik hervorbrachte. Ihr Premierenflug vor 100 Jahren wurde zu diesem Zeitpunkt bewusst als historisch wahrgenommenen. Aus diesem Grund hatte sich auch eine große Menschenmenge versammelt, um Zeuge eines Ereignisses damals modernster Technik zu werden, als die Linienmaschine erstmals an ihrem geplanten Landeplatz niederging. Der genaue Ort wirkt aus heutiger Sicht kurios: kein moderner Flughafen, sondern eine Wiese neben der Donau, im heute nicht mehr existierenden Überschwemmungsgebiet bei Jedlesee im 21. Bezirk (siehe Foto). Mit ein Grund für diese Wahl war die größere Nähe zur Stadt, etwa im Vergleich zum bekannten Flugfeld in Aspern. Doch auch die zahlreichen Lacken, durch welche die Zuschauer*innen waten mussten, um die Fluggäste aus Deutschland erstmals willkommen zu heißen, schmälerten nicht den großen Jubel und das Gefühl dass ein neues Zeitalter begonnen hatte.
Startschuss zu einer großen Erfolgsgeschichte – Vergleich 1923 mit 2023
Aus heutiger Sicht muten diese Anfänge im Mai 1923 sehr bescheiden an: eine sumpfige Wiese mit ein paar Bretterhütten ohne Hangars, nur jeweils ein anwesendes Flugzeug für maximal vier Passagier*innen pro Tag und nur eine Fluglinie mit einer einzigen Destination. Mit fortschreitender Technik entwickelte sich jedoch aus dieser Keimzelle einer der zentralen Eckpfeiler des globalen Verkehrs. Heute liegt Wiens „Tor zur Welt“ nicht mehr im Stadtgebiet, sondern in Schwechat. Der Flughafen Wien ist einer der modernsten überhaupt – vielfach international ausgezeichnet, darunter gerade erst als „Best European Airport 2022“. An diesem größtem Verkehrsflughafen Österreichs wurden im Jahr 2022 knapp 24 Millionen Passagiere abgefertigt, im Rekordjahr (Vorkrisenniveau) 2019 sogar fast 32 Millionen. Derzeit fliegen etwa 60 Airlines 190 Destinationen in 67 Ländern von Wien aus an. Das 10 km² große Flughafenareal bietet etwa 100 Flugzeugabstellpositionen. Mit rund 23.000 Beschäftigten in 230 Unternehmen, davon rund 5.000 bei der Flughafen Wien AG, ist der Standort Flughafen Wien heute einer der größten Arbeitgeber in der Region. Ein Vergleich dieser Zahlen zwischen den Jahren 1923 und 2023 veranschaulicht die unglaubliche Entwicklung, die sich in einem Jahrhundert vollzogen hat.
Aktuelle Forschung
Die Untersuchung der Zeitgeschichte zu Beginn des Luftlinienverkehrs vor 100 Jahren ist Gegenstand aktueller Forschung, zu der wir heuer auch noch eine umfangreiche Monographie erwarten. Im Namen der Wissenschaft bittet der Luftfahrthistoriker Robert Krickl (siehe Foto) um Mithilfe und Kontaktaufnahme zu allem, was die Luftfahrt in der Ersten Republik betrifft: Jeder noch so kleine Hinweis, Erzählungen, Dokumente, Briefe, Fotos etc. können wertvolle Einblicke in die damalige Zeit liefern und helfen, die Geschichte korrekt zu rekonstruieren und der Nachwelt zugänglich zu machen.
Die Geschichte sollte der pazifistischen Vision vor einem Jahrhundert recht geben, die Menschen einander näher zu bringen und dadurch größeres Verständnis und Austausch zwischen den Kulturen zu schaffen. Zusammenfassend spannt der Forscher Robert Krickl einen Bogen von der Vergangenheit in die Zukunft: „Das 100 Jahr-Jubiläum ist ein Anlass mit Bewunderung auf die großen Leistungen der Pionier*innen und die gewaltigen Fortschritte der Technik zurückzublicken – und sich gleichzeitig bewusst zu werden, dass die Geschichte stetig voranschreitet und es heute ebenso viele aktuelle Herausforderungen gibt, auf deren Bewältigung wir einmal in Zukunft hoffentlich ebenso mit Stolz zurückblicken werden.“
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