Verlag im 9. Bezirk
Die Edition Atelier gräbt vergessene Bücher wieder aus
Die Edition Atelier ist Verlag und Buchshop in einem. Wer steckt hinter dem Geschäft in der Nussdorfer Straße?
WIEN/ALSERGRUND. Geht man die Nussdorfer Straße entlang, bekommt man einiges zu sehen: Frisöre, Ärzte, ein Nagelstudio – und auch eine Buchhandlung. Das kommt etwas unerwartet, immerhin ist die Straße nicht als Einkaufsstraße bekannt, sondern eher für ihren Durchzugsverkehr berüchtigt.
"Während der Corona-Lockdowns sind wir hier viel spazieren gegangen und haben dabei bemerkt, wie viele Leerstände es in diesem Grätzl gibt", erklärt Sarah Legler. Sie und ihr Partner Jorghi Poll leiten die Edition Atelier. Diese ist genau genommen keine Buchhandlung, sondern ein Verlag. "Das Konzept der Verlagsbuchhandlung gibt es ja schon länger, nur ist es in Wien nicht so geläufig", erklärt Poll. "Aber wir wollten das machen. Es ist ein interessantes Grätzl und wir sind gespannt darauf, wie es sich entwickeln wird."
Früher waren die beiden mit ihrem Verlag in einem Altbau in der Schwarzspanierstraße ansässig. Das Unternehmen ist also schon lange im 9. Bezirk verwurzelt. "Aber irgendwann wollten wir unsere Autoren nicht mehr Hunderte Stufen zu uns hinauf hetzen", sagt Legler. "Daher haben wir ein neues Büro gesucht." Dieses haben sie durch eine glückliche Fügung in der Nussdorfer Straße 62/2 gefunden. Seit August 2021 ist das der neue Verlagssitz. Die Buchhandlung hat man gut ein Jahr später eröffnet.
Vergessene Bücher, neu verlegt
Die Edition Atelier hat sich auf zeitgenössische deutschsprachige Literatur und Wiederauflagen aus dem frühen 20. Jahrhundert spezialisiert. "Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden viele Autoren und Autorinnen aussortiert", so Poll. Darunter waren etwa jüdische Schriftsteller oder Mitglieder der Arbeiterbewegung, deren Bücher kaum noch veröffentlicht wurden. "Alles, was nicht strikt bürgerlich war, hatte es lange schwer", so Poll. So gerieten viele Autoren in Vergessenheit. Diese möchte die Edition Atelier nun ausgraben, neu verlegen und vor den Vorhang holen.
Ein Beispiel dafür ist der Roman "Die Unpolitischen" von Diego Viga. Der Autor wurde 1907 in Wien als Paul Engel geboren, floh aber 1938 vor den Nazis nach Ecuador. Dort schrieb er "Die Unpolitischen". Der Roman erzählt die Geschichte eines jüdischen Mediziners, der ebenfalls 1938 aus Wien flieht.
Vergessene Bücher zurück ins Leben holen
Im Rahmen solcher Projekte kommen Poll und Legler oft mit Nachkommen der Autoren in Kontakt, in diesem Fall etwa mit Engels Tochter Teresa Engel Monath. Sie kam sogar zur Präsentation des Buches nach Wien und schaute in der Verlagsbuchhandlung vorbei. "Es ist immer wieder schön, zu sehen, was das den Menschen bedeutet, wenn die vergessenen Bücher der Urgroßeltern oder des Onkels plötzlich wieder da sind", sagt Legler.
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