KZ-Komplex Gusen: Spurensuche mit führenden Historikern startet

- Das Konzentrationslager Gusen II. Es wurde bald nach der Befreiung wegen der hohen Typhusrate in Brand gesteckt – mit ein Grund, warum es in Österreich so sehr vergessen ist. Die Häftlinge des Lagers mussten im Stollen „Bergkristall“ Messerschmitt-Flugzeugrümpfe herstellen.
- Foto: Archiv der Yale University, USA
- hochgeladen von Michael Köck
Was passierte im KZ Gusen und den unterirdischen Stollen? Eine Expertengruppe soll nun Antworten liefern.
ST. GEORGEN AN DER GUSEN (mikö). Mai 1945. Die Konzentrationslager in Gusen werden befreit. 70.000 Menschen schufteten in den Stollen und Steinbrüchen im KZ-Komplex Gusen. Rund die Hälfte der Häftlinge hat das Martyrium nicht überlebt. Bis heute gibt es viele offene Fragen. Der Linzer Filmemacher Andreas Sulzer vermutet, dass in bislang unentdeckten Stollen Atomversuche der Nazis stattfanden. Zudem glaubt er, dass neben den bekannten Messerschmitt-Flugzeugrümpfen Raketen gebaut wurden. Bohrungen im Februar dieses Jahres blieben jedoch erfolglos. Sulzer glaubt dennoch, dass die Nazis an Geheimwaffen forschten. Er bezieht sich auf originale Archiv-Dokumente und Zeitzeugen-Berichte. Nun soll eine Expertengruppe Licht in das Dunkel um Gusen bringen. Ende Oktober oder Anfang November tritt die Gruppe das erste Mal zusammen.
Expertengruppe startet in Kürze
Unter Federführung von Bezirkshauptmann Werner Kreisl, der sagt: „Wir werden uns die Unterlagen von Andreas Sulzer genau ansehen und uns fragen: Was ist wirklich dran? Es geht um eine geschichtliche Aufarbeitung und eine Gesamtbeurteilung.“ Dabei sein werden nationale und internationale Historiker, aber auch Vertreter des Landes und des Bundesdenkmalamtes. Unter anderem der Grazer Historiker Stefan Karner: „Ziel ist, die verschiedenen Gerüchte, die im Zusammenhang mit dem KZ-Komplex ‚Gusen‘ bestehen, auf ihren Wahrheitsgehalt zu untersuchen. Durch neue Archivquellen, neue Berichte oder bislang unbekannte Zeitzeugen oder, wie bei Gusen, durch ‚archäologische‘ Grabungen tauchen immer wieder neue Erkenntnisse auf.“
Dazu kommt, dass viele Dokumente zu Gusen mit langen Sperrfristen belegt sind. Zum Teil liegen diese Unterlagen in Bibliotheken in Moskau, New York oder US-Militärarchiven. Im Mai 2015, 70 Jahre nach der Befreiung, werden viele Akten freigegeben. Man darf aber schon auf den 22. Oktober gespannt sein: Dann werden neue Erkenntnisse über Gusen präsentiert. Filmemacher Andreas Sulzer, die Historiker Stefan Karner und Rainer Karlsch sowie Rudolf Haunschmied vom Gusen-Komitee werden über den neuesten Stand der Forschung informieren.
Bürgermeister drängt auf Aufklärung
St. Georgens Ortschef Erich Wahl (SP) geht es um die Sicherheit der Bevölkerung. „Daher dränge ich darauf, die Forschungen voranzutreiben. Gibt es etwas, das das Grundwasser gefährdet? Wurde mit radioaktiven Stoffen geforscht? Wo sind mögliche Stollen?“
Infoabend
Am Mittwoch, 22. Oktober, 17 Uhr kommen Historiker nach St. Georgen (Aktivpark oder Landesmusikschule). Die Bevölkerung wird über den aktuellen Stand der Forschungen und die weitere Vorgangsweise informiert.
Interview mit Andreas Sulzer hier:
http://www.meinbezirk.at/grein/chronik/gusen-ist-wie-das-zentrum-eines-spinnennetzes-d1098933.html



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