Blick auf die Geschichte
Als die Steirer die Hölle noch fürchteten
Der Ablasshandel im Mittelalter war ein religiöses System, bei dem Gläubige durch Geldzahlungen oder gute Taten Ablässe erwerben konnten, um die Dauer der Bestrafung im Fegefeuer zu verkürzen oder gar die Hölle zu vermeiden. Diese Praxis beruhte auf der weitverbreiteten Angst der Menschen vor ewiger Verdammnis und einer langen Zeit der Buße nach dem Tod. Und die gab es in der Steiermark natürlich auch.
STEIERMARK. Ein Stück Papier mit viel Macht, das über die Sünden der Menschen bestimmt und den Weg in den Himmel oder die Hölle bereiten kann: Ja, das gab es – das war der Ablassbrief. Dieser bescheinigt für sich selbst oder auch Angehörige die Vergebung aller frevelhaften Taten, um den Qualen der ewigen Verdammnis zu entkommen. Diese Vorstellung war tief in der christlichen Theologie verwurzelt und sollte Menschen dazu bewegen, moralisch zu leben und die Gebote der Kirche zu befolgen. Die Kirche im Mittelalter nutzte diese Furcht aus, um durch Ablassbriefe finanzielle Mittel zu generieren. Diese wurden oft auch als direkte "Erlösung" aus der Höllenstrafe verkauft, was viele Gläubige dazu bewegte, große Summen zu zahlen.
In Analogie zur Hölle war das Fegefeuer oft mit Feuer und körperlichen Schmerzen verbunden. Man stellte sich vor, dass das Feuer im Fegefeuer die Seelen von ihren Sünden "reinbrannte". Diese Dauer konnte jedoch durch Fürbitten, Messen und Ablässe verkürzt werden, was einen großen Einfluss auf den Glauben und die Rituale der Gläubigen hatte.
Kennst du das Sprichwort "Das passt auf keine Kuhhaut? Dieses steht im direkten Zusammenhang mit dem Ablass: Der Vorstellung nach soll der Teufel die Sünden der Menschen notiert haben – und das gängige Material dafür war einst nun einmal Pergament: aus Kuhhaut. Je mehr Sünden man hat, desto länger ist die Liste. Und das, obwohl die Haut von Kühen größer als die der Schafe ist. Wenn nun selbst auf diesem vergrößerten Pergament die Sünden keinen Platz mehr haben, dann hatte man wohl ein besonders frevelhaftes Leben geführt.
"Stundenweise" freikaufen
"Die älteste Überlieferung von Ablässen für Kirchen und Klöster auf steirischen Boden reicht in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts zurück und ist eng mit den pastoralen Bestrebungen der neuen Bettelorden verknüpft", schreibt Annelies Redik in "Ablaß und Volksfrömmigkeit" (Blätter für Heimatkunde 52, 1978, S. 99). Abbitte leisten konnte man nicht nur mit dem Kauf von Ablassbriefen, Frömmigkeit zählte in verschiedenen Weisen. Wobei der Ablass dabei sozusagen ein Zeitkontingent war, das Mann und Frau "sammeln" konnten.
Ein anschauliches Beispiel dafür ist das Pilgern nach Mariazell: Im Jahr 1442 erließ Erzbischof Ludwig D'Alleman von Arles allen, die in Mariazell den Lobgesang "Salve Regina", ein Stundengebet, samstags und an jedem Tag in den Fastenzeiten sangen oder dem Gesang beiwohnten, einen 40-tägigen Ablass. 100 Tage gab's wiederum für das Tragen des Pilgerzeichens, als sichtbares Zeichen dafür, dass man eben pilgerte. Schon weit früher, nämlich 1313, wurde der Pfarre Gratwein, Marktgemeinde Gratwein-Straßengel im Bezirk Graz-Umgebung, das Recht zugesprochen, den besonders Gläubigen ebenso einen Ablass von 40 Tagen zu gewähren, wenn sie an Feiertagen ihre Frömmigkeit beweisen, etwa durch Gebete.
Die Wallfahrtskirche Maria Straßengel (heute in derselben Marktgemeinde) muss hier ebenso erwähnt werden: Anlässlich des 700-jährigen Jubiläums des Wallfahrtsortes, beziehungsweise der Stiftung durch das Stift Rein, sprach Pius IX. 1858 der Kirche einen vollkommenen Ablass zu. Das bedeutet, dass die Kirche den Gläubigen "einfach so" Ablass gewähren konnte: Es heißt, dass am Ostersonntag des besagten Jahres gut 85.600 Menschen die Kirche und den Gottesdienst besuchten, um sich von den Sünden befreien zu können, so Redik.
(Zum Vergleich: Heute zählt die Marktgemeinde Gratwein-Straßengel, die größte im Bezirk Graz-Umgebung, knapp 13.000 Einwohnerinnen und Einwohner – das bedeutet, wenn die Zahl von 85.600 nur annähernd stimmt, sind Menschen von nah und fern angereist.)
Kirche und Spitäler gestiftet
Auch für unterschiedliche Tätigkeiten bei Messen oder im Zuge von Stiftungen konnte man sich seine Sünden freikaufen. Nicht wenige Kirchen und Klöster konnten so erst erbaut werden oder erst durch die "Spenden" weitergeführt werden – etwa die Stiegenkirche in Graz, die als älteste römisch-katholische Kirche der Landeshauptstadt gilt. Sie wird urkundlich überhaupt erst zum ersten Mal in einem Ablassschreiben aus dem Jahr 1343 erwähnt.
Wie Redik festhält, gilt das auch für Spitäler. Ein Beispiel ist das "liechtensteinische Spital zu Murau", "das innerhalb weniger Jahre acht Ablaßbriefe von Bischöfen der Salzburger Provinz erlangt hat, welche allen, die das Spital besuchten und den Spitalinsassen hilfreich beistanden, das für bischöfliche Ablaßverleihungen übliche Ausmaß von vierzig Tagen Ablaß gewährten. Auch die private Gründung des Spitals in Leoben sicherte sich Besuch und Hilfe durch Ablässe."
Blick auf die Geschichte
Was macht die Steiermark aus und wer hat sie geprägt? Einzigartige Geschichten und außergewöhnliche Persönlichkeiten gewähren einen Blick in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der "Grünen Mark".
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