Interview mit Ines Kosin
Bewusstsein schaffen am Weltschildkrötentag
Am Donnerstag ist Weltschildkrötentag – oder auch World Turtle Day. Dieser Tag wurde ins Leben gerufen, um auf die weltweite Bedrohung dieser urzeitlichen Lebewesen aufmerksam zu machen. Auch die Güssingerin Ines Kosin hat sich das zum Ziel gemacht. Im Interview erzählt die Präsidentin des Schildkrötenvereins "Chüücha", wie die Liebe zu den Tieren entbrannte und was man bei deren Haltung beachten muss.
- MeinBezirk: Was hat dein Interesse für Schildkröten geweckt?
Ines Kosin: Es war im Jahr 1997, als ich für meine Meerschweinchen als elfjähriges Mädchen Futter in der Tierhandlung kaufen sollte. Ich sah in dem Geschäft Wasserschildkröten, und es war um mich geschehen. Es war ein Gefühl von Liebe, kaum in Worte zu fassen. Einige Zeit später kaufte ich mir vom Taschengeld eine Wasserschildkröte, etwas später dann eine zweite. Inzwischen bin ich aber von Wasser- zu Landschildkröten gewechselt, da sie deutlich leichter zu halten sind.
- Was sind die besonderen Eigenschaften von Schildkröten?
Bei Schildkröten können wir sehr viel über und für uns selbst lernen, ich sage auch immer gern, dass Schildkröten gute Lehrer sind. Das, was für manche als langweilig eingestuft wird, ist genau eines dieser Lernprozesse: Einfach mal im Hier und Jetzt ankommen, nur beobachten statt immer nur anfassen. Den Alltag etwas entschleunigen, statt immer nur beschleunigt zu funktionieren.
Dadurch, dass Schildkröten keine Laute und keine Mimik von sich geben, bedarf es sehr viel Feingefühl. Wie geht es ihr gerade, was braucht sie? Hier müssen wir lernen, eigene Interpretationen oder Wünsche auszublenden und uns den Tieren vollends hinzugeben.
Ein weiterer „Nebeneffekt“ ist die Kräuterkunde: Da die europäischen Landschildkröten mit Wildkräutern ernährt werden, müssen wir lernen, was hier eigentlich bei uns vor der Haustür wächst. Und auf dieser Suche lernen wir nicht nur die Vorteile für die Tiere, sondern auch die nützlichen Anwendungsgebiete für uns Menschen. Weitere positive Aspekte aus der Natur kommen hinzu, wie z.B. die Bedeutung von Helligkeit.
Leider gibt es natürlich auch negative Punkte, zum Beispiel, dass der eingeführte Artenschutz, so scheint es, sehr viel mehr Wert auf Bürokratie legt, als auf eine artgerechte Haltung. Während die Papiere also stets überprüft und aktuell gehalten werden müssen, werden Schildkröten völlig legal gequält. Das macht mich sehr traurig, aber auch hier können wir lernen: Solange jeder in seinem Job etwas macht, was er selbst nicht gut findet, wird sich nichts ändern. Erst, wenn wir Unsinniges oder Ungerechtes verändern, können wir dadurch langfristig Erfolge erzielen. Jeder darf daher den Mut haben, einer von vielen zu sein, der die Veränderung ist, die er selbst sehen möchte.
Es gibt noch so viel mehr, aber für mich ist das Besondere, dass ich mit wenig Arbeit sehr viel Achtsamkeit, Ruhe, Kräuterkunde und Vertrauen in und über die Natur lernen und aufrecht halten kann. Mich nachmittags ins Gehege zu setzen, zwischen Mohnblumen und Salbeisträuchern, einfach nur zuschauen und die Sonne genießen, das ist für mich Erholung pur.
- Wie viele Schildkröten leben euch bei dir/?
Aktuell gehören zur Gruppe rund 40 Tiere, aufgeteilt in drei Gruppen.
- Warum ist wichtig, im Rahmen eines eigenen Weltschildkrötentages, auf den Schutz der Tiere hinzuweisen?
Es ist für uns Menschen völlig selbstverständlich geworden, Tiere in der Natur schützen zu müssen. Es scheitert zwar oft an der praktischen Umsetzung, aber immerhin ist das Bewusstsein vorhanden. Dank der Einführung des Artenschutzgesetzes ist es auch zum Großteil gelungen, die illegale und schädigende Entnahme der Tiere aus der Natur stark zu reduzieren. Dennoch bleiben zwei Probleme bestehen: In den Habitaten wird weiterhin natürlicher Lebensraum zerstört, andererseits halten sich schlechte Haltungspraktiken hartnäckig, sodass viele Tiere zu Hause jahrelanges Leid aushalten müssen.
Nun können wir, außer Schutzstationen vor Ort zu fördern, relativ wenig in den Habitaten tun. Dennoch ist es wichtig, auf die wertvollen Artbestände und Arterhaltung hinzuweisen. Dazu muss man gar nicht ins Ausland fahren, denn auch direkt bei uns in Österreich gibt es die heimische europäische Sumpfschildkröte. Der richtige Umgang mit ihr ist mangels Information noch sehr lückenhaft, da nicht jedes Fundtier auch wirklich hier heimisch ist. Ich wünsche mir mehr Aufklärung über die heimische Tierwelt und den Umgang mit ihnen, um die Tierwelt aus Sicht der Natur zu schützen, und nicht aus Sicht des Menschen.
Mein Hauptfokus in der Vereinsarbeit liegt in der Haltung in Gefangenschaft. Ich möchte den Weltschildkrötentag dazu nutzen, das Bewusstsein wieder hervorzuheben. Der Weltschildkrötentag kann als Anlass genutzt werden, sich über den Umgang mit wild lebenden und in Gefangenschaft gehaltenen Tieren wieder vor Augen zu führen. Ich sehe den Weltschildkrötentag positiv gesehen wie eine Art Neujahrsvorsatz: Wir können diesen Tag als Anlass nehmen, unser eigenes Handeln im Umgang mit Tieren und Natur zu hinterfragen und zu verändern. Auch wenn man mit Schildkröten nichts zu tun hat, lässt sich das Thema auf viele andere Bereiche übertragen, Tier- und Naturschutz sowie das eigene Handeln bleiben immer aktuell. Es ist nie zu spät, etwas zum Positiven zu verändern.
- Welche Aufgaben hat denn der Verein?
Der Schildkrötenverein hat die Aufgabe, über die artgerechte Haltung europäischer Landschildkröten aufzuklären. Wir möchten vorrangig sensibilisieren, dass Schildkröten in Gefangenschaft sehr viel mehr sind als ein durch die Wohnung laufendes gefühlloses etwas. Artgerechte Haltung zu fördern, dadurch Lebensqualität und Gesundheit zu steigern, ist unser Ziel. Wir bieten dies nicht nur auf unserem YouTube-Kanal, sondern auch in der Facebook Community „Griechische Landschildkröten artgerecht pflegen“, wo sich aktuell über 16.000 Schildkrötenhalter tummeln. Wir helfen uns gegenseitig, um ein Stück natürlichen Lebensraum in unseren Garten zu holen.
- Was sind die gängigsten Fehler bei der Haltung von Schildkröten?
Die häufigsten Fehler sind Einzelhaltung, Terrarienhaltung, Verzicht auf die Winterstarre und falsche Ernährung (Obst und Salat statt Wildkräuter) sowie Über- oder Untertreibung in Bezug auf die Temperatur. Wir merken aber auch im Bereich der gesetzlichen Vorschriften, dass im Behördendschungel viele Tiere gar nicht gemeldet sind oder es anderweitig große Lücken gibt. Aber auch der Umgang mit Fundtieren darf verändert werden, denn nicht jedes Fundtier ist ein ausgesetztes oder wild lebendes Exemplar, sondern wird gegebenenfalls schmerzlichst vermisst, ein Behalten oder Vermarkten ist daher je nach Art nicht nur gesetzlich verboten, sondern hilft dem suchenden Besitzer nicht weiter.
- Was sind die Grundbedingungen für eine artgerechte Haltung?
Bei europäischen Landschildkröten sind die Grundbedingungen, dass die Tiere in Gruppenhaltung einen mediterran und wild gestalteten Außenbereich bewohnen und sich tagsüber jederzeit ins vor Feinden geschützte, der Jahreszeit passende temperierte Treibhaus zurückziehen können. Nachts werden sie im Treibhaus eingesperrt, morgens die Tür wieder geöffnet. Ernährt werden sie mit Wildkräutern, im Sommer diese an- und vertrocknet. Im Winter halten sie bei circa vier Grad Celsius ihre Winterstarre, idealerweise in der sog. Überwinterungsgrube.
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