Sonntagspredigt im Salzkammergut
24. Sonntag im Jahreskreis: „Wie oft muss ich meinem Bruder/meiner Schwester vergeben?“

Foto: panthermedia.net/farbenfinsternis
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Wenn wir in der Geschichte der Menschheit nur die letzten 20 Jahre betrachten, dann haben wir den Eindruck: es gibt enorme und rasante Veränderungen. - Wer hatte vor 20 Jahren ein Handy? Heute fast jeder.
Trotz dieses rasanten Entwicklungstempos gibt es aber Themen des Menschseins, die sich kaum verändern. Eines dieser Themen ist der Umgang mit Schuld und Vergebung.
Wie oft muss, wie oft soll ich dem anderen vergeben? Viele Pharisäer waren der Auffassung: dreimal reicht. Darin steckt schon viel Menschlichkeit. Das kostet schon Überwindung, einem Menschen nicht nur einmal etwas nachzusehen, sondern sogar zweimal und dreimal.
Auch die Jünger Jesu wollen wissen, wie ihr Meister denn zu dieser Frage steht. Petrus ahnt schon, dass Jesus hier wohl weiter gehen wird. Deshalb setzt er höher an. Siebenmal will er vergeben, immerhin. Doch Jesus antwortet ihm: Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal! Und das ist keine Zahl mehr, das ist ein Symbol. Das heißt: immer.
Petrus hätte lieber klare Verhältnisse gehabt: siebenmal oder zehnmal oder fünfzehnmal. Dann könnte man sagen: Bis hierher und nicht weiter.
Jesus geht es nicht um eine berechnende Großzügigkeit: grenzenlos wie seine Liebe soll auch unsere Bereitschaft sein zu vergeben. Ist das aber nicht zu viel verlangt? Es geht ja nicht um Kleinigkeiten. Das beweist die Summe, die Jesus im Gleichnis nennt: 10 000 Talente Schulden – das wären heute fast 5 Milliarden Euro! Was wir vergeben sollen, sind nicht nur Kleinigkeiten des Alltags: der vergessene Termin, das unpünktliche Erscheinen. Auch das, was wirklich verletzt: die Beleidigung, der Seitensprung, der Betrug, die üble Nachrede, ja selbst ein Mord ist in der Sicht Jesu nicht von der Vergebung ausgeschlossen. Denn auch der Mensch, der Böses getan hat, ist nicht nur ein Bösewicht. Niemals dürfen wir eine Person einfach mit ihren Taten identifizieren. Die unendliche Würde, die einem jeden Menschen von Gott her zukommt, kann durch noch so schlimme Taten nicht verwirkt werden. Als Christen dürfen und müssen wir in jedem Menschen immer noch ein Ich entdecken, das von der Anerkennung Gottes lebt. Der Mensch mag äußerlich gesehen zum Tier pervertieren – in den Augen Gottes ist und bleibt er Mensch.
Das ist die christliche, die biblische Botschaft. Eine Zumutung, eine Botschaft, an der wir ein Leben lang zu ringen haben. Und wir werden Situationen erleben, in denen wir ehrlicherweise sagen müssen und dürfen: Ich kann nicht, zumindest noch nicht vergeben. Die Verletzung ist so tief, dass ich mit einem schnellen Wort der Vergebung weder mich noch den anderen ernst nehmen würde. Das Evangelium will unsere Gefühle nicht ignorieren. Es will uns helfen, durch unsere Gefühle hindurch auch ganz anders und ganz neu zu handeln. Es ermöglicht den Gedanken, auch anders zu können. Im Horizont des Evangeliums wird uns dann vielleicht ab und zu das scheinbar Unmögliche gelingen: Übergroße Schuld nicht anzurechnen, Vergangenes in der Vergangenheit zu lassen, nicht nachtragend zu sein.
Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal. Dieses Wort Jesu, das aus der tiefen Erfahrung von Versöhnung und Vergebung durch den Vater im Himmel kommt, ist keine moralische Keule, die unsere ehrlichen Empfindungen und Gefühle totschlagen will. Kein Wort, das von uns immer und sofort und um jeden Preis Vergebung einfordert. Wohl aber ein Wort, das uns sensibel und offen machen soll im Umgang mit Schuld und mit den Missetätern in unserer Gesellschaft. Ein Wort, das die Frage nach der Vergebung in unserem Gewissen wachhalten will. Denn das Maß christlicher Vergebung ist die Maßlosigkeit.

Die Predigt stammt von Dechant Franz Starlinger.

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Dechant Franz Starlinger | Foto: Pfarre Laakirchen
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