Obdachlosigkeit
Sozialstadtrat fordert Lösung für die Mariahilfer Straße
Die Mariahilfer Straße hat seit geraumer Zeit mit einer hohen Zahl an Obdachlosen zu kämpfen. Im großen Interview mit MeinBezirk spricht Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) über die aktuelle Situation, Maßnahmenpakete und warum soziale Maßnahmen alleine nicht ausreichen.
WIEN. An einem verregneten Nachmittag trifft MeinBezirk Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) im Café Sperl auf der Mariahilfer Straße zum Interview. Es geht um das Thema Obdachlosigkeit auf der größten Einkaufsstraße Europas.
Denn immer mehr wohnungslose Personen halten sich auf der Einkaufsmeile auf. Hacker verrät, wie er mit den Sorgen der Menschen umgeht, welche Maßnahmen bereits getroffen wurden und welche Forderungen er an die Bundespolitik hat.
"Wir benötigen mehr Polizisten"
Die Mariahilfer Straße hat seit geraumer Zeit mit einer hohen Zahl an Obdachlosen zu kämpfen. Woran liegt das?
PETER HACKER: Objektiv betrachtet war das immer schon so. Das ist Teil des Phänomens, das wir generell "Stadt" nennen. Da gibt es zentrale Anziehungspunkte wie Bahnhöfe und natürlich auch Einkaufsstraßen. Dort herrschen besonders schwierige Situationen im öffentlichen Raum. Einerseits braucht es soziale Maßnahmen im Sinne von Hilfe und Unterstützung, aber es braucht natürlich auch in der gleichen Wertigkeit Sicherheitsmaßnahmen. Es ist der Job des Innenministers, sich darum zu kümmern, dass in ganz Österreich genug Polizisten auf der Straße sind. Wir benötigen mehr Polizisten. Diese Präsenz ist wesentlich. Das hat eine unglaubliche Wirkung auf jede Form von Szene, aber es ist auch wesentlich für das Sicherheitsgefühl der Menschen.
Es ist augenscheinlich, dass sich hier immer mehr Personen aufhalten, die durch massiven Alkoholkonsum und Gewaltbereitschaft auffallen. Was kann man dagegen tun?
Zwar setzt die Bundespolitik gerne auf eine freundschaftliche Zusammenarbeit mit Ungarn, aber ich hätte ganz gerne, dass sie ihre ungarischen Obdachlosen wieder zurücknehmen. Die Einhaltung der europäischen Spielregeln durchzusetzen, ist ebenfalls Aufgabe des Innenministers. Habe ich ein Aufenthaltsrecht, wenn ich nichts zum Leben habe? Nein, hast du nicht. Wenn du dich nicht selbst ernähren kannst, wenn du nicht für dich selbst sorgen kannst, sorgt nicht der Staat, den du dir gerade ausgesucht hast, für dich. Das heißt in weiterer Folge, dass diese Personen von der Fremdenpolizei abgeschoben werden müssen.
Von Sorgen und Maßnahmen
Bereits im Juli wurden Maßnahmen für die Mariahilfer Straße präsentiert. Mehr Sozialarbeit, mehr Polizeipräsenz und auch die MA 48 – Abfallwirtschaft ist verstärkt vor Ort. Wirken diese Maßnahmen?
Ich finde schon. Wir haben seither zwei große Kommunikationsveranstaltungen gemacht, bei denen wir ganz bewusst die Anrainer dazu eingeladen haben, mit uns in einen direkten Dialog zu treten – und das mit allen, die an den Maßnahmen beteiligt sind. Denn es handelt sich ja nicht um eine Maßnahme, sondern es sind viele verschiedene. Von der Polizei über die Streetworker bis hin zur MA 48: Hier ziehen alle an einem Strang und stimmen sich in ihrer Tätigkeit auch ab. Ich glaube, die Menschen spüren, dass wir sie und ihre Sorgen ernst nehmen.
Im Bereich der U-Bahn-Baustelle am Neubau schicken Eltern ihre Kinder morgens mit gemischten Gefühlen alleine in die Schule, weil Obdachlose in den Hauseingängen übernachten. Was sagen Sie diesen Eltern?
Ich würde mit ihnen konkretisieren, was der Grund für ihre Angst ist. Ist die Straßenbeleuchtung schlecht oder sind es die Obdachlosen vor der Tür? Und wenn es die Obdachlosen vor der Tür sind, dann sage ich ihnen, dass ich auf ihrer Seite bin. Denn ich möchte nicht, dass sie vor ihrer Tür liegen. Deswegen haben wir zahlreiche soziale Angebote, die Hilfe und Unterstützung leisten. Wir haben so viele Übernachtungsmöglichkeiten wie keine andere Stadt. Wenn diese Person dieses Angebot jedoch nicht annehmen und weiter in einem Hauseingang übernachten möchte, dann endet hier der Job der Sozialarbeiter. Dann muss die Polizei einschreiten und erklären, dass sie nicht in einem Hauseingang übernachten kann. Nur weil ich Sozialarbeiter hinschicke und weiß, dass wir soziale Maßnahmen brauchen, heißt das nicht, dass wir die Zustände insgesamt für akzeptabel halten.
Grundsätzlich ist die Angst groß, dass die neue U-Bahn-Station zu einem Hotspot à la Praterstern werden wird. Wie nimmt man den Anrainern diese Ängste?
Auch wenn es noch etwas dauert, bis diese U-Bahn-Station eröffnet wird, können sich die Menschen sicher sein, dass uns dieses Thema bewusst ist. Wir treten mit den Menschen in Kontakt, wir hören uns ihre Sorgen an und zeigen, was wir tun. Wir erweitern stetig die soziale Arbeit auf der Straße. Darüber herrscht in der Wiener Stadtregierung völlige Einigkeit. Da wird es immer einen Schwerpunkt geben, da wird nicht gespart. Aber das ist nur "part of the game", denn ich sage es noch einmal: Es fehlen Polizisten. Und das können wir nicht lösen, denn wir können als Stadt keine Polizisten anstellen, solange das verfassungsgemäß die Aufgabe des Innenministers ist. Es ist daher meine ganz unmissverständlich klare Erwartungshaltung an die neue Bundesregierung, dass wir mehr Polizisten in der Stadt bekommen.
Deine Meinung zählt!
Wie empfindest du die Situation auf der Mariahilfer Straße? Welche Lösungsvorschläge hast du? Schick uns ein Mail an redaktion.wien@meinbezirk.at
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