Hilfe in der Not
Intensivwoche für mentale Gesundheit in 150 Wiener Schulen
Mittlerweile seit drei Jahren werden die "Mental Health Days" in Wiens Schule veranstaltet. Seit einem Jahr wird das Programm durch die Mutmillion der Stadt gefördert. Bei einem Lokalaugenschein gibt Vizebürgermeister und Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) ein erstes, größeres Fazit.
WIEN. Die Welt in der Schule dreht sich schon lange nicht mehr rein ums Lernen. Das Zwischenmenschliche und das Wohlbefinden des Einzelnen rückt zunehmend in den Mittelpunkt. Und damit auch mentale Belastungen wie Mobbing, falsches Selbstbild, belastende Krisen und Depressionen.
Einen Weg dagegen zu finden, ist für alle öffentlichen Stellen schwer. Einen Ansatz verfolgen die "Mental Health Days" von Initiator Golle Marboe seit mittlerweile drei Jahren. Seit einem Jahr wird das Projekt auch aus Mitteln der Mutmillion der Stadt gefördert. Die "Mental Health Days", das ist im Prinzip praxisnaher Unterricht in Workshop-Form, der über mehrere Tage stattfindet.
So geschieht es dieser Tage etwa in der Berufsschule Embelgasse 46, die als Pilotschule von Anfang an dabei ist. Auch dank der Mutmillion findet das Programm nicht nur hier in der Embelgasse, sondern mittlerweile in 150 Einrichtungen wienweit statt. Verschiedene Schulen können sich für die Teilnahme ihrer Schützlinge im Alter von zehn bis 19 Jahren anmelden.
Hilfe zur Selbsthilfe
Initiator Marboe erklärt beim Lokalaugenschein, warum dieses Projekt so wichtig ist: "Vor sechs Jahren hat sich mein Sohn das Leben genommen. Wir mussten uns die Frage stellen, warum wir ihm nicht helfen können. Warum hat er sich nicht bei uns gemeldet". Dabei sei man zu einer Erkenntnis gekommen: "Einen Befund gab es damals jedoch aus dem Freundeskreis. Wir wussten zu wenig über seine mentale Gesundheit". Es gab zu wenig Wissen, gerade als Angehöriger, welche Anzeichen mentaler Notsituationen es gibt.
In den Workshops werden auf den ersten Blick selbstverständliche Dinge erklärt. Was ist der Unterschied zwischen einer schlechten Laune, einer Traurigkeit und einer ausgeprägten Depression? Man versucht, Schülerinnen und Schüler Hilfe zur Selbsthilfe zu geben: Wo stehe ich gerade? Aber auch: Wo steht mein Gegenüber? Was sind die Alarmsignale? In den zweistündigen Workshops werden etwa die Themen Ängste, Leistungsdruck, Körperbild behandelt.
Ziel der "Mental Health Days" sei es eben einerseits, den Betroffenen Mut zu machen. Mut dafür, über Probleme zu sprechen. Andererseits geht es auch darum, Warnsignale wie Trübseligkeit, alarmierende Aussagen und Co. richtig deuten zu können. "Und vor allem geht es auch darum, die vielen Hilfsangebote, die es in der Stadt gibt, mit den Betroffenen, zu vernetzen", erklärt Marboe: "Es geht bei den 'Menthal Health Days' nicht darum, zu therapieren, das könne man gar nicht. Es geht aber sehr wohl darum, Bewusstsein zu schaffen und Wege zur Hilfe zu finden."
Eigene PSD-Teams aufgestellt
Auch Vizebürgermeister und Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) nahm an einem Ausschnitt des Workshops in der Berufsschule teil. Ein Jahr nach Förderbeginn gibt er ein Resümee: "152 Schulen profitieren von diesem Programm. Es ist unglaublich wichtig, dass wir enttabuisieren und den Kindern die Mittel in die Hand geben, um ihnen zu helfen". Immer wieder, nicht nur von Wiederkehr, ist bei den Verantwortlichen ein Satz zu hören: "Es muss selbstverständlich sein, wie wenn man sich den Arm bricht und zum Arzt geht, sich auch bei mentalen Problemen Hilfe zu suchen. Das ist ein Zeichen der Stärke".
Für die Schuldirektorin Daniela Kirnbauer sind die "Menthal Health Days" ein echtes Zukunftsprojekt: "Wir haben hier Lehrlinge, die ein bis zwei Tage in der Berufsschule sind, und den Rest der Woche an ihrem Arbeitsplatz. Dies ist ein besonderer Druck für junge Menschen, da sie gleich doppelt Leistung abliefern müssen. Die Leistungen der Workshops sind vielleicht nicht direkt messbar. Aber sie sind ein wichtiger Baustein für einen angenehmen Schulalltag von jedem bei uns".
Doch nicht nur das Bewusstsein in den Schulen soll gestärkt werden, sondern auch das Hilfsangebot selbst. "Wir schaffen eigene PSD-Teams (Psychosozialer Dienst, Anm.), die in notwendigen Fällen angefordert werden können. Diese bestehen aus klinischen Psychologen, Schulsozialarbeiten, Ergotherapeuten und anderem Personal. Dies startet bereits ab 1. November und wird bis zu 17 PSD-Teams beinhalten", erklärt Wiederkehr diesen – wie er ihn nennt – "wichtigen Mosaikstein" in der Betreuung. Die Teams sollen an 52 Schulstandorten Mobbing, Depressionen und Gewalt bekämpfen. Über eine eigene Hotline sollen diese PSD-Teams dann für Schulen zusätzlich anforderbar sein.
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