Traiskirchen wird zum Musical
Das Künstlerkollektiv „Die Schweigende Mehrheit“ verarbeitet den Sommer 2015 singend und tanzend.
WIEN. Sommer 2015. Ein völlig überfülltes Lager in Traiskirchen. Begegnungen, Hoffnungen, Ängste. Tina Leisch und Bernhard Dechant vom Künstlerkollektiv "Die Schweigende Mehrheit" verpacken diese Ereignisse in ein locker-flockiges Musical. Die bz hat die beiden Künstler zum Interview gebeten.
Ein so ernstes Thema als humorvolles Musiktheater?
BERNHARD DECHANT: Wir haben bewusst das Genre Musical gewählt. Wir glauben, dass Humor und Musik besser für Herz und Bauch sind und wir die Zuseher eher zum Nachdenken motivieren als mit einem schweren, politischen Theaterstück.
TINA LEISCH: Es ist ein klassisches Musical mit Tanz, Musik und Schmäh. Wenn der Konflikt zu arg wird, fängt der Schauspieler eben an zu singen. Wir bedienen uns aller Musicalkonventionen, um damit etwas zu erzählen.
Wie haben Sie den Sommer 2015 wahrgenommen?
LEISCH: Verrückt, ereignisreich, politisch aufregend – das Flüchtlingsthema, mit dem wir schon lange politisch und künstlerisch zu tun haben, wurde für viele Leute handfest und sichtbar.
DECHANT: Zwiegespalten. Einerseits war es schön, zu sehen, wie großmütig und großherzig die österreichische Zivilbevölkerung ist. Andererseits traurig, dass es ziemlich schnell auch eine Maschinerie dagegen gegeben hat. Die Ereignisse von 2015 wirken bis heute nach. Und Asylverschärfungen, Kürzungen der Mindestsicherung oder Burkaverbot werden das eigentliche Problem nicht lösen.
Sie verarbeiten darin die Erinnerungen an den Sommer 2015 sowohl von Menschen vor als auch hinter dem Zaun von Traiskirchen. Welche Geschichte ging Ihnen besonders nahe?
DECHANT: Eine wunderschöne und einfache Situation: Jemand ist abends am Zaun vorbeigegangen und hat miterlebt, wie ein kleines Mädchen einem Baby die letzten Strophen von Happy Birth-#+day vorgesungen hat. Das hat ihn total berührt.
LEISCH: Eine der nettesten Geschichten ist die eines taubstummen Flüchtlings, der die Gebärdensprache nicht beherrscht hat. Er hat die Ausdrucksweise mittels Gesten so gut verstanden, dass er zwischen den verschiedenen Flüchtlingen als Übersetzer fungiert hat.
Von wem stammt die Musik?
DECHANT: Die stammt von verschiedensten Musikern aus den unterschiedlichsten Regionen der Welt, die unser musikalischer Leiter Imre Lichtenberger Bozoki arrangiert hat.
Was wollen Sie den Zusehern mitgeben?
DECHANT: Wie wundervoll vielfältig unsere Menschheit ist, die sich in diesem Ensemble und in den Geschichten spiegelt.
LEISCH: Ich würde mir wünschen, dass die Leute rausgehen und sich überlegen, was sie tun und beitragen können, um diese Probleme zu lösen. Denn das wird niemand für uns lösen, das müssen wir schon selber tun.
Alle Aufführungen des Musicals im Überblick:
"Traiskirchen. Das Musical" ist ein komisches, verwegenes und bewegendes Musiktheaterspektakel. Das Ensemble besteht aus 33 Schauspielern und sieben Musikern. Fast alle Mitwirkende waren selbst 2015 oder davor im Flüchtlingslager Traiskirchen.
Die Premiere findet am 9. Juni um 19.30 Uhr im Volkstheater (7., Neustiftgasse 1) statt.
Weitere Vorstellungen:
• 15. und 17. Juni, jeweils um 19.30 Uhr.
Tickets kosten zwischen 7 und 48 Euro und sind online unter www.festwochen.at/karten-service erhältlich.
Termine in Niederösterreich:
• 21. Juni 2017, 19.30 Uhr im Stadttheater Wiener Neustadt, 2700 Wr. Neustadt; Herzog Leopold-Straße 17
Karten kosten zwischen 8,25 Euro und 49,50 Euro und sind bei www.oeticket.com
erhältlich.
• 2. Juli 2017, 20 Uhr Festspiele Stockerau, im Rahmen der Schiene querfeld 1
2000 Stockerau, Dr.Karl-Renner-Platz.
Karten kosten zwischen 15 Euro und 48 Euro und sind bei www.festspiele-stockerau.at erhältlich.
Weitere Vorstellungen sind im Herbst 2017 und im Frühjahr 2018 geplant.
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