Mögliche Umgestaltung
Ein unendlicher Status Quo für den Westgürtel
Der Westgürtel soll neu gestaltet werden. Die Fahrspuren werden dabei aber wenig bis gar nicht angegriffen.
Von Salme Taha Ali Mohamed und Miriam Al Kafur
WIEN. Der Westgürtel ist quasi ein inoffizielles Wahrzeichen der Stadt Wien. Geprägt wird er durch die Stadtbahnbögen, die U6 und vor allem eines: Autokolonnenverkehr auf bis zu acht Spuren.
Für Anrainer stellt das oft eine Belastung dar. "Speziell die Menschen, die im Gürtelbereich wohnen, sind aufgrund der enormen Verkehrsbelastung in ihrer Lebensqualität immens beeinträchtigt", weiß Martin Fabisch (Grüne), Bezirksvorsteher der Josefstadt. Im Bezirk gibt es seit 2021 Bestrebungen, das Grätzl Breitenfeld direkt beim Gürtel zu einem Supergrätzl zu machen. "Was den Radverkehr betrifft, haben wir seitens des Bezirks den Lückenschluss Radfahren gegen die Einbahn in der Laudongasse realisiert, derzeit wird in der Pfeilgasse, Zeltgasse und Josefgasse eine hochqualitative Radverbindung geschaffen", erklärt Fabisch weiter.
Doch obwohl es immer wieder gefordert wurde, fand noch keine grundlegende Umgestaltung des Gürtels seitens der Stadt statt. Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) wagt nun einen Vorstoß zur Umgestaltung des Straßenzuges und sucht mit einer Ausschreibung nach Ideen, wie man das Areal ab Herbst 2024 neu gestalten könnte. Schlagworte wie "gestalterische Aufwertung", "Begrünung" und "Mikroklima" fallen. Der Mariahilfer Bezirksvorsteher Markus Rumelhart (SPÖ) begrüßt das, was er als "zukünftige Aufwertung des Gürtels" bezeichnet.
Nur kosmetische Schritte?
Die Anfrage der BezirksZeitung leitete das Büro der Stadträtin an die zuständige MA 19 - Architektur weiter. Diese schreiben, dass "der Bedarf nach weiteren nutzbaren und attraktiven Freiflächen" wegen der dichten Besiedelung sehr groß ist. Weiter heißt es, dass im Fokus des gegenständlichen Projekts die Fußgeher, Begrünung sowie die Aufwertung derzeit ungenutzter Flächen stehen, aber "auch mehr Spiel- und Sportmöglichkeiten, da sehr viele Jugendliche das Angebot am Gürtel nutzen." Der Planungsprozess wird demnächst starten, Details, Pläne oder Kosten gibt es daher noch keine. Die Ausschreibung, die dem "Falter" zugespielt wurde, soll sehr vage formuliert sein.
Laut den Medienberichten ist in der Ausschreibung aber vorgesehen, dass die Fahrspuren so bleiben sollen, wie sie derzeit sind. Nur an zwei Stellen soll es zu einer kleinen Einschränkung im Autoverkehr kommen. Neben einer Querung am Hernalser Gürtel wäre das für Neubau bei der Nebenfahrbahn am Urban-Loritz-Platz südlich der Gürtelbrücke. Diese soll verschwinden oder kleiner werden. Hinzu kommen Begrünungen an sechs Standorten, so auch beim Urban-Loritz-Platz.
Der Neubauer Bezirksvorsteher Markus Reiter (Grüne) ist klar für Begrünungsmaßnahmen: „Wir begrüßen und unterstützen jede Initiative, die den Gürtel verkehrssicherer macht, mehr Bäume bringt und die Situation für den Radverkehr verbessert.“ Auch in Währing, wo der Währinger Gürtel betroffen ist, ist man für eine Veränderung offen. "Jede Begrünung des tristen Gürtels ist begrüßenswert. Was dem ersten Eindruck nach fehlt, sind Lösungen für die vielen Konfliktpunkte zwischen Fuß- und Radverkehr", sagt Bezirksvorsteherin Silvia Nossek (Grüne).
Döbling könnte im Bereich der U6-Nußdorfer Straße von der Umgestaltung profitieren. "Ich bin immer für mehr Grün, aber man muss sich auf den Plänen genau anschauen, inwiefern das Döbling betrifft", sagt Bezirksvorsteher Daniel Resch (ÖVP), der von den Plänen durch die Medien erfahren hat.
Geschlossene SPÖ
Rund um den Alsergrund sollen je rund 1.000 Quadratmeter beim Währinger Gürtel und bei der U6-Station Nußdorfer Straße ausgeschrieben werden. "Die Umgestaltung des Westgürtels ist ein Stadtprojekt und fällt daher nicht in die Kompetenz des Bezirks", erklärt die Alsergrunder Bezirksvorsteherin Saya Ahmad (SPÖ). Ihr Parteikollege Peter Jagsch aus Hernals stimmt ihr zu: "Grundsätzlich sind wir beim Gürtel aus der Bezirkskompetenz draußen. Alles, was die Lebensqualität am Gürtel und im Gürtelnahbereich erhöht, wird von mir natürlich ausdrücklich begrüßt." Bezüglich Hernals sind die 1.000 Quadratmeter an der Kreuzung Breitenfelder Gasse/Hernalser Gürtel ausgeschrieben. Die Querung in diesem Bereich soll autofrei werden – es ist dasselbe Eck, von dem auch die Josefstadt und Ottakring betroffen sind. "Wir haben am Gürtel schon immer investiert. Natürlich sind wir über eine Weiterentwicklung in diesem Bereich froh und unterstützen jede Aufwertung in diesem Prozess", sagt der Ottakringer Bezirksvorsteher Franz Prokop (SPÖ).
Kurzum: Es handelt sich um kosmetische Maßnahmen, am eigentlichen Wesen des Gürtels wird sich nichts ändern. Die Fahrspuren sollen so bestehen bleiben, wie sie sind. Schade, um eine Chance, mit der sich Sima ein städteplanerisches Denkmal setzen könnte, meint Martin Heintel vom Institut für Geografie und Regionalforschung an der Uni Wien: "Es ist eine Situation, bei der mutige Politik gefragt wäre. Die Behübschung ist zwar nett, substantielle Fragen und Probleme werden aber nicht gelöst."
Verpasste Chance
Die Behauptung der MA 19, dass eine Reduzierung der Fahrstreifen den Verkehr in die umliegenden Grätzl leitet, kann Heintel nicht nachvollziehen: "Der Durchzugsverkehr wird nicht in kleine Seitengassen abwandern."
Dabei wäre genau jetzt der richtige Zeitpukt, am Gürtel einiges zu verändern: Mit dem U-Bahn-Ausbau sowie der Reduzierung auf Tempo 30 in der Äußeren Mariahilfer Straße werden sich entlang des Gürtels einige Baustellen bilden. Außerdem gibt es immer weniger Autos pro Kopf und laut MA19 legen knapp drei Viertel ihrer Wege zu Fuß, mit dem Rad oder den Öffis zurück. Weshalb Heintel nochmals nachdrücklich betont, dass das Pferd von hinten aufgezäumt wird: "Besser wäre es, zuerst eine Verkehrslösung – auch für den Radverkehr – zu finden und umzusetzen. Erst dann sollte man sich den Aufhübschungen widmen."
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