1. Dezember 2015: Der gütige Nikolo und der garstige Moslem
„Ich bin rasiert, meine Haut ist rein - Ein Vollbart flößt kein Vertrauen ein“, sang einst schon der geniale Kabarettist Rainald Grebe. Auch über die Ästhetik von Hipster-Bärten wurde zuletzt trefflich gestritten. Sogar die Feuilletons großer Zeitungen widmeten ihnen ganze Artikel.
Bei einem scheint der Bart aber (bislang) gemeinhin unumstritten: dem Nikolo. Als wir uns in der vergangene Woche in unserer bz-Printausgabe des Themas angenommen haben, standen die Telefone nicht mehr still.
Grund der Erregung: Der Nikolo solle ohne Bart auftreten, um kleinen Kindern keine Angst zu machen. So lautete der Vorschlag, über den wir berichteten. An die Öffentlichkeit getraut hat sich mit dieser Aussage nicht irgendjemand. Sondern Susanna Haas, pädagogische Leiterin der – ausgerechnet – St. Nikolausstiftung der Erzdiözese Wien. Dass sie wissenschaftlich ziemlich gut argumentieren konnte, warum der Nikolo im Zweifelsfall den Bart abnehmen solle, davon ließ sich in der Verärgerung niemand bremsen.
Tenor der Anrufer: „Schon wieder“ werde da eine Tradition, die zu unserer Kultur gehöre, „verwässert“. „Uns“ – sprich: der älteren Generation – habe der bärtige Nikolo ja „auch nicht geschadet“. Der Krampus? Über den lasse man gerne mit sich diskutieren. Aber doch nicht über den Bart des gütigen Nikolo. Denn dieser sei „kein Schreckgespenst“. Aber „die Kinder von heute“, die seien „selbst welche“. Mit „ihrem Halloween“ und all den „fremden Bräuchen“, die da in unser Land kommen.
Womit wir beim Punkt wären: Denn irgendwann endete so gut wie jedes Gespräch bei den Themen Zuwanderung und Integration. Der Brauch vom Besuch des Heiligen Nikolaus werde doch nur in Frage gestellt, weil „die Moslems“ damit ein Poblem hätten, lautet die einhellige Vermutung.
Ob dem wirklich so ist, werden wir an dieser Stelle nicht klären. Das Problem ist aber auch ein ganz anderes: Mittlerweile reicht offenbar schon eine simple pädagogische Überlegung zum künstlichen Bart eines Laienschauspielers, um Ängste vor muslimische Mitbürgern zu wecken. Das zeigt, dass wir in Sachen Integration so einiges verschlafen haben.
Vielleicht hat die neue Stadtregierung ja Lust, sich in den kommenden fünf Jahren des Themas anzunehmen. Zeit wäre es. Nur eines gleich vorweg: Die Menschen, die diese Ängste vorbringen, schlicht abzukanzeln oder gar ins rechte Eck zu stellen, ist sicher keine probate Lösung. Auch sie haben das Recht, dass man sich ernsthaft mit ihren Bedenken auseinandersetzt.
Vielleicht gelingt es uns dann bald wieder, eine Diskussion über einen künstlichen Bart als das zu sehen, was sie ist: eine Diskussion über einen künstlichen Bart. Und über das Wohl unserer Kinder. Nicht über garstige Moslems.
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