Patrick Budgen im Interview
Wenn es rund um den Tod kurios-witzig wird
Der ORF-Moderator Patrick Budgen hat ein neues Buch vorgelegt. Darin schildert er kurios-witzige Begebenheiten, die sich rund um Wiener Begräbnisse ereignet haben sollen. Im Interview erzählt er, was ihm zum Schreiben veranlasst hat, welche Rolle seine überstandene Krebserkrankung spielte und wie man dem Tod ein wenig an Schrecken nehmen kann.
WIEN. 71 "Wahre Wiener Begräbnis-Geschichten" versammelt Budgen in seinem neu erschienenen Erzählband – übrigens genauso viele wie die Nummer der 71er Straßenbahn, die vor dem Zentralfriedhof Halt macht. Zugetragen wurden ihm die Begebenheiten von Wiener Bestatterinnen und Bestattern, die beide Hände für die Echtheit der Geschichten ins Feuer legen würden, wie Budgen betont. Denn manches sei so kurios, da könne man schon mal ins Zweifeln kommen. Wenn etwa der Stromanschluss in die Gruft verlegt wird, damit der Opa weiterhin seine Lieblingsserie schauen kann, ist das aber allen voran zum Schmunzeln.
"Der Tod, das muss ein Wiener sein", sang einst Georg Kreisler und Budgen stimmt mit seinem anekdotischen Erzählband mit ein. Er möchte dem Tod damit ein Stück weit den Schrecken und die Ernsthaftigkeit nehmen, wie er selbst sagt. "Weil Sterben müssen wir sowieso alle irgendwann einmal." Inwiefern das Schreiben eine Auseinandersetzung mit der eigenen Vergänglichkeit auslöste, welche Rolle seine überstandene Krebserkrankung dabei spielte und wie er selbst einmal begraben werden möchte, erzählt der "Wien heute"-Moderator und Autor im Interview.
Was hat Sie dazu veranlasst, Begräbnisgeschichten aufzuschreiben?
Patrick Budgen: Prinzipiell ist es so, dass wir für "Wien heute" immer wieder von Promi-Begräbnissen berichten. Wenn ein prominenter Mensch stirbt, ob das jetzt Udo Jürgens, Peter Alexander oder Fritz Muliar ist, dann ist das ein großer Festakt und wir berichten natürlich im Fernsehen. Im Hintergrund ist da der Peter Holeczek von der Bestattung Wien. Ich sage immer, er ist der Oberbestatter der Stadt, der die Fäden zieht. Und er hat mir in den Drehpausen oft die unglaublichsten Geschichten erzählt, die so passieren – also Beschwerden, skurrile Wünsche, Hoppalas, die sich eben so zutragen. Ich habe dann schon einmal vor Jahren zu ihm gesagt, da müssen wir ein Buch draus machen. Er hat dann immer geantwortet, "das können wir erst machen, wenn ich in Pension bin". Nachdem er nächstes Jahr in Pension geht, haben wir gesagt, wir machen das jetzt.
Das heißt, die Geschichten wurden Ihnen zugetragen und Sie haben sie dann aufgeschrieben?
Genau. Der Peter Holeczek und seine Kolleginnen und Kollegen haben mir sozusagen die Begebenheiten erzählt und ich habe das dann in Kurzgeschichten verpackt und natürlich ein bisschen ausgeschmückt. Weil, wie es zu diesen Pannen gekommen ist, ist natürlich nicht überliefert. Aber die Pannen selbst haben tatsächlich stattgefunden.
Nach welchen Kriterien haben Sie die Geschichten ausgewählt? Bzw. was macht eine erzählenswerte Begräbnisgeschichte aus?
Alles, was man hört und am liebsten sofort seinem besten Freund oder der Mama oder wem auch immer weitererzählen will. Weil es so skurril und lustig ist, dass man gar nicht glauben kann, dass es tatsächlich passiert ist. Wenn man das Buch liest, könnte man den Eindruck haben, dass die Geschichten erfunden sind. Aber die Bestatter legen beide Hände ins Feuer dafür, dass die wirklich so passiert sind. Und ich habe sozusagen die skurrilsten und lustigsten ausgewählt. Es passieren natürlich auch viele tragische Dinge am Friedhof, die habe ich aber nicht ins Buch mit reingenommen.
"Ein Buch, das dem Tod den Schrecken nimmt", heißt es ja auch vonseiten des Verlages – das bedeutet, die tragische Seite des Todes sparen Sie bewusst aus?
Das Buch zeigt einfach, dass es auch noch nach dem Ende des Lebens so menschelt. Ich glaube, es nimmt damit dem Thema den Schrecken. Wenn eben Missgeschicke passieren, wenn Hoppalas passieren, wenn sich zum Beispiel Leute für die Gruft einen Stromanschluss wünschen, damit der Opa auch dort noch fernschauen kann – ich glaube, solche Dinge nehmen diesem ernsten Thema, das es natürlich ist und auch weiter bleibt, trotzdem ein bisschen die Ernsthaftigkeit. Weil Sterben müssen wir sowieso alle irgendwann einmal.
Nichtsdestotrotz, über allen Geschichten schwebt der Tod – lag im Schreibprozess auch eine Auseinandersetzung mit der eigenen Vergänglichkeit?
Lustigerweise gar nicht. Die Geschichten sind einfach so komisch, dass der Tod ja eigentlich nur eine Nebenrolle spielt. Das Hauptthema des Buches ist sozusagen das, was rundherum passiert, also Dinge, die rundum den Sarg, die Urnen und Trauerfeiern passieren. Insofern habe ich mich eigentlich beim Schreiben gar nicht so stark mit dem Tod auseinandergesetzt – und ich glaube auch den Leserinnen und Lesern wird es so gehen.
Was ich nur weiß, das hat sich aber auch durch das Schreiben des Buches nicht geändert: Wenn es bei mir einmal so weit ist, brauche ich keinen großen Pomp, keinen großen Blumenschmuck und ich habe auch keine speziellen Wünsche. Wir haben meine Großmutter, als die vor 15 Jahren gestorben ist, in einer Öko-Urne im Garten eingegraben. So hätte ich das auch gerne.
In Ihrem letzten Buch "Einsiedlerkrebs" ging es u. a. um Ihre Krebsdiagnose und das Leben damit. Gibt es für Sie einen Zusammenhang zu dem neuen Buch?
Ich glaube schon, dass diese Krebserkrankung meinen Umgang mit dem Tod verändert hat. Weil ich damals mit 36 als junger Mensch zum ersten Mal mit der Vergänglichkeit konfrontiert war und mir die Frage gestellt habe: "Was ist, wenn es jetzt aus ist?" Zum Glück bin ich mittlerweile wieder gesund, aber damals konnte mir das keiner versprechen.
Durch diese Erfahrung und weil ich mich mit dem Thema bereits in jungen Jahren auseinandergesetzt habe, hat der Tod für mich auch ein bisschen an seinem Schrecken verloren. Ich möchte nicht sagen, dass der Tod jetzt etwas Bekanntes ist – ich bin ja nicht gestorben. Aber es ist doch etwas, womit ich mich intensiv auseinandergesetzt habe. Ich glaube, hätte ich diese Krankheit nicht gehabt, hätte ich das neue Buch nicht mit dieser Leichtigkeit schreiben können.
Sie erzählen kurze Episoden aus dem (Nach-)Leben Verstorbener – tragen Sie damit zu einer Erinnerungskultur bei bzw. wie wichtig ist das Erinnern in Ihrem Buch?
Das Erinnern im klassischen Sinn nicht sehr. Wir haben ja auch die Charaktere, deren Namen und Alter verändert, sodass keine Rückschlüsse auf die echten Personen gezogen werden können und die Hinterbliebenen nicht damit konfrontiert werden. Es ist für mich ein bisschen ein Erinnerungsstück oder ein Denkmal für die Wiener Begräbniskultur. Es gibt ja dieses legendäre Lied, "Der Tod, der muss ein Wiener sein" [Anm.: Georg Kreisler]. Und ich glaube, diese Geschichten, die zeigen einfach, warum das so ist. Von denen gibt es vermutlich noch viel, viel mehr als die 71 Geschichten, die in dem Buch sind – 71 übrigens so wie die 71er Straßenbahnlinie, die zum Zentralfriedhof fährt.
Apropos Friedhof – gehen Sie gerne auf Friedhöfe bzw. welche Bedeutung haben Friedhöfe für Sie?
Der Friedhof hat jetzt keine religiöse Bedeutung für mich, weil diese Friedhofskultur von meiner Familie eben nicht gelebt wird. Aber ich finde gerade Wiener Friedhöfe wahnsinnig schön und eindrucksvoll. Es sind auch sehr beruhigende Plätze. Wenn man zur Ruhe kommen oder sich Gedanken machen will, ist der Friedhof ein guter Ort, um dort ungestört herumzuspazieren und um sich einsaugen zu lassen von der Atmosphäre. Gerade vom Zentralfriedhof, der unvergleichlich und zu jeder Jahreszeit wirklich schön ist.
Zum Schluss ein Blick in die Zukunft: Gibt es noch etwas zu erzählen bzw. wird es einen zweiten Teil geben?
Schauen wir mal. Es gäbe jedenfalls noch viele Geschichten zu schreiben. Ich weiß jetzt noch nicht, ob es wieder Friedhofsgeschichten werden. Aber skurrile und lustige Geschichten aus einer bestimmten Berufssparte, das könnte ich mir durchaus vorstellen, dass wir da nächstes Jahr ein neues Buch machen.
Über Patrick Budgen
Patrick Budgen, Sohn eines Engländers und einer Halbfranzösin, wuchs in Wien auf. Seit 2005 arbeitet er für den ORF und präsentiert als Moderator das Stadtmagazin "Wien heute" sowie das Frühfernsehen "Guten Morgen Österreich". Der sportbegeisterte Journalist und Katzenliebhaber lebt und arbeitet in Wien. 2021 erschien sein erstes Buch "Einsiedlerkrebs", in dem er u. a. von seiner überstandenen Krebserkrankung berichtet.
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