Pfarre Neulerchenfeld vor dem Aus
Die Nachricht hat die Kirchgänger aus allen Wolken fallen lassen: Das Gotteshaus in der Neulerchenfelder Straße 47 soll nächstes Jahr an die serbisch orthodoxe Kirche übergeben werden. Die Pfarrgemeinde will die Entscheidung der Erzdiözese nicht einfach hinnehmen.
(rg). Die Entscheidung über die Auflösung der Pfarre Neulerchenfeld traf die Mitglieder der Gemeinde völlig unvorbereitet. „Mit uns hat man vorher nicht einmal gesprochen“, ist Pfarrer Tadeusz Cichon von der Vorgangsweise der Erzdiözese enttäuscht. „Wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt.“ Dass die Kirche an die Serbisch- Orthodoxe Glaubensgemeinschaft fallen sollte, erfuhr der Pfarrgemeinderat (PGR) erst am 4. Oktober bei einer außerordentlichen Sitzung durch einen Brief des zuständigen Bischofsvikars Karl Rühringer, der am 9. Oktober verlesen wurde. „Ich glaube, dass die Entscheidung aufgrund falscher Informationen getroffen wurde.“, protestiert Pfarrer Cichon, der die Zahl der Gemeindemitglieder seit dem letzten Zählsonntag am 28. Februar mit 749 als konstant sieht. Pfarrer Cichon sorgt sich vor allem um das Schicksal der Pfarrgemeinde. Diese sieht er in Gefahr, denn die Pfarre Neulerchenfeld ist seinem Verständnis nach eine sehr lebendige Gemeinde. „Vor allem jüngere Paare sehnen sich nach der Kirche.“
Mehr Serbisch Orthodoxe
Für Erich Leitenberger, Sprecher der Erzdiözese Wien, ist die Entscheidung aufgrund der vorliegenden Fakten gefallen. Denn die klassische Pfarrgemeinde, also die Menschen ohne Migrationshintergrund, wäre geschrumpft. Diese würden in andere Gegenden wie Korneuburg oder Tulln ziehen. Übrig blieben vorwiegend die Mitglieder der polnischen Gemeinde, die halt „sehr auf die Person des aus Polen stammenden Pfarrers bezogen sind“. Auch wäre das Gotteshaus in einem mittlerweile schlechten Bauzustand. Demgegenüber stünde die große Gemeinde der 150- bis 180.000 Serbisch-Orthodoxen in Wien. Diese mussten bislang mit drei kleinen Kirchen auskommen. „Das Pfarrzentrum in der Grundsteingasse bleibt aber in jedem Fall erhalten“, so Herr Leitenberger. Die Kirchenmitglieder könnten ja in die nur wenige hundert Meter entfernte Pfarre Maria Namen gehen. Cichon schätzt die Entfernung auf mindestens einen halben Kilometer – unzumutbar für ältere Leute.
„Fadenscheinige“ Ausreden
Argumente, die der Pfarrer und Gemeindemitglieder nicht gelten lassen. „Die Kirche ist in einem bautechnisch guten Zustand, auch die Betriebskosten sind sehr niedrig.“ Reinhard Kuttner, Mitglied der Gemeinde, findet die Argumentation der Erzdiözese fadenscheinig. „Es ist eine Unrechtssituation, wenn eine lebendige Gemeinde zerschlagen wird, wenn hunderte polnische Katholiken zugunsten serbisch- orthodoxer Christen vertrieben würden.“ Herr Kuttner hält die Ansiedlung der Serbisch- Orthodoxen Kirche mitten in ein Zentrum türkischer Zuwanderung angesichts der Spannungen zwischen den zwei Bevölkerungsgruppen für „perfid“.
Die Bezirksvorstehung hält sich aus dem Zwist komplett heraus. Wir wurden über die Entscheidung der Kirche zwar auch nicht informiert, das muss man aber auch nicht“, betont Eva Weißmann, SP-Stellvertreterin des Bezirksvorstehers.
Pfarrer Cichon hofft jedenfalls, dass es noch zu einem Umdenken innerhalb der Erzdiözese kommen wird. „Mir blutet das Herz, wenn ich sehe, wie sehr sich die Gemeinde in den letzen Jahren für die Kirche eingesetzt hat, wie viel Arbeit um Gottes Lohn getan wurde.“ Deswegen liegt nun auch eine Unterschriftenliste für eine Petition an Kardinal Schönborn zur Zurücknahme der Entscheidung in der Kirche auf. Übrig bleibt das Gefühl, dass Pfarrer Cichon der einzige Kirchenvertreter ist, dem das Wohl der eigenen Herde wirklich am Herzen liegt. Die Erzdiözese ist viel zu sehr mit der Pflege gutnachbarschaftlicher Beziehungen beschäftigt. Vielleicht kommt es ja doch noch zu einem Weihnachtswunder.
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