Einen Tag vor Weihnachten
FPÖ präsentierte Historikerbericht
Nach mehrmaligen Aufschüben stellte die FPÖ spontan am 23. Dezember den Historikerbericht zur Aufarbeitung der Geschichte ihrer Partei vor. Eine im August veröffentlichte Kurzfassung war auf harsche Kritik gestoßen. Auch am aktuellen Bericht gibt es Kritik. RMA-Mitarbeiter Ted Knops berichtete live von der Pressekonferenz.
Hier können Sie den gesamten FPÖ-Historiker Bericht lesen.
ÖSTERREICH. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker präsentierte am Montagvormittag den mit Spannung erwarteten, endgültigen Bericht – gemeinsam mit dem Koordinator der von der Partei eingesetzten Historikerkommission, Andreas Mölzer, und dem Historiker Thomas Grischany, einem Co-Autor des Berichts und früheren Kabinettmitarbeiter von Ex-Vizekanzler Strache. Der Leiter der Historikerkommission, Ex-FPÖ-Politiker Wilhelm Brauneder, fehlte ebenso wie FPÖ-Chef Norbert Hofer. Grund laut Mölzer: Die Pressekonferenz sei spontan erst am Sonntag einberufen worden. Trotzdem war der Saal in der FPÖ-Parteizentrale voll. Der gewählte Termin sei weder „Schikane der Journalisten“ noch „taktisches Manöver“, wie FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker versicherte.
Grund für die Beauftragung des Historikerberichts war die NS-Liederbuchaffäre rund um die Burschenschaft des niederösterreichischen FPÖ-Politikers Udo Landbauer. Die noch von Ex-Vizekanzler HC Strache beauftragte Studie sollte die Geschichte des Dritten Lagers aufarbeiten und auch „dunkle Flecken“ der von früheren Nationalsozialisten mitbegründeten Partei beleuchten.
Burschenschaften kein Thema
Trotzdem fehlt in der Studie überraschend das Thema "Burschenschaften": Burschenschaften im Allgemeinen seien Hafenecker zufolge kein Thema im Historikerbericht. "Wir haben da oft gar keinen Zugang in die Archive, außerdem ist das auch eine Frage des Datenschutzes", begründete er. Er führt weiter aus: "Jede Kooperation geht mit ihrer Geschichte so um, wie sie damit umgehen möchte. Wenn es Kooperationen gibt, die eine öffentliche Aufarbeitung machen wollen, dann passiert das. Es passiert aber ganz sicher nicht auf Zuruf der FPÖ."
Präsentation als "Weihnachtsgeschenk"
"Die Arbeit am Bericht hat gezeigt, dass es einige Themenfelder gibt, die es galt, wissenschaftlich aufzuarbeiten. Das hat auch dazu geführt, dass dieses Projekt immer größer geworden ist. Deshalb war uns bald klar, dass das Projekt nicht bald abzuschließen war. Auch wenn wir zwei Jahre nach Start des Projekts stehen, waren wir trotzdem um einiges schneller als die ÖVP, die sechs Jahre für die Aufarbeitung ihrer Geschichte brauchte, die SPÖ sogar zehn Jahre", verteidigte Hafenecker zu Beginn der Präsentation die lange Aufarbeitungszeit. Er verwies auch auf den Umfang des Projekts.
Ursprünglich habe man die Präsentation in Form einer Podiumsdiskussion durchführen wollen, so Hafenecker, der sich darüber beklagte, dass niemand auffindbar gewesen sei, der sich für eine Diskussion angeboten hätte. Auch wehrte er sich gegen Kritiker, die sich über den Termin beschwert hatten und bezeichnete die Präsentation als "Weihnachtsgeschenk".
"Nicht Wurmfortsatz eines 'Sammlungsbeckens der Ehemaligen'"
Grischany, der die Historie der Freiheitlichen Partei erklärte, bezeichnete den Begriff des "Nationalen" als zentrales Element des freiheitlichen Lagers. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei der Begriff mit der Solidarität mit den Heimatvertriebenen verbunden gewesen. Seit Jörg Haider bis heute komme er vermehrt mit einem österreichischen Patriotismus zum Ausdruck, die Bedeutung der nationalen Identität für das freiheitliche Lager habe aber nichts mit Fremdenfeindlichkeit oder Rassismus zu tun.
Und Grischany betonte: Trotz personeller Verflechtungen habe die FPÖ auf inhaltlicher, materieller Ebene ein Eigenleben und sei nicht bloß eine Art "Wurmfortsatz" eines Sammlungsbeckens der "Ehemaligen". Auch wenn Vieles in dieses Eigenleben hineinspiele. Vieles in dem Bericht befasse sich mit der Wehrpolitik. Es gebe auch kleine Beiträge zum Islam, zum Nationsbegriff. Auch einen Überblick über die Restitutionsmaßnahmen sei in dem Bericht enthalten. Zwei israelische Historiker hätten sich kritisch damit auseinandergesetzt. Auch die Rolle von Jörg Haider in diesem Bereich spiele eine Rolle in dem Bericht. Und zusätzlich gehe es auch um Bestrebungen der Vergangenheitsbewältigung, etwa durch Kurt Scholz.
"Mehr als nur Bearbeitung brauner Flecken"
Mölzer merkte an, dass die Historikerkommission einerseits zwar wegen der Liederbuchaffäre (um Udo Landbauer, Anm. d. Red.), aber auch wegen des Gedenkjahrs 2018, an dem die Republik 100 Jahre Bestehen gefeiert hatte, tätig geworden sei. "Da wollte sich die FPÖ auch ihrer Geschichte zurückbesinnen. Das war mehr als nur eine Bearbeitung von echten oder mutmaßlichen braunen Flecken, sondern insgesamt die Rückschau der eigenen Geschichte bzw. des nationalen Lagers in Österreich".
Auf der letzten bedruckten Seite des Berichts, auf Seite 666, merkte Mölzer an:
"Der kritische Leser dieser Arbeiten wird jedenfalls unschwer erkennen, dass es dabei keineswegs darum ging, irgendwelche "braucnen Felcken" zu exkulpieren oder auch die eigene Geschichte schön zu frben, sondern eben dieser eigenen Geschichte illusionslos ins Auge zu sehen. Es sind ja Höhen und Tiefen als solche zu akzeptieren".
Auf die Frage zum "Österreich-Patriotismus", zum Bekenntnis zur deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft, aufgrund dessen das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) die Partei immer noch als "rechtsextrem" beurteilt habe, antwortete Hafenecker, dass sich die Frage ad absurdum führe, weil Gewaltbereitschaft in der Partei nicht gegeben sei. Man dürfe auch nicht Äpfel mit Birnen vermischen: Es existiere sehr wohl eine deutsche Kulturgeschichte. Man müsse aber unterscheiden zwischen deutschsprachiger Bevölkerung und der Bundesrepublik Deutschland. Er kritisierte, dass sich das DÖW nicht mit der Partei an den Tisch setze.
Kritik an den Medien
Kritik übte Grischany an den Medien und an online-Foren, "wie da bereits beim Zwischenbericht gegen die Partei Stellung genommen" worden sei. Beim Rohbericht, der von den Autoren dezidiert als "Zwischenbericht" definiert worden war, habe es Kritik gehagelt, obwohl es kein wissenschaftlicher Aufsatz gewesen sei. Man versuche hier, etwas zu erschweren, beklagte sich auch Grischany.
Kritik an Uni Wien und SPÖ
Hafenecker kritisierte den Chef des Geschichtsinstitut der Universität Wien, weil er nicht in der Lage gewesen sei, mit der FPÖ über den vorliegenden Bericht, bei dem sechs habilitierte Wissenschafter mitgearbeitet hätten, zu diskutieren. "Ich möchte nicht wissen, was unter dem Kuratel der Uni Wien herausgekommen wäre, wenn sie diesen Bericht gemacht hätten." Parteien müssten generell selbst die Aufarbeitung in die Hand nehmen, weil sie Zugang zu eigenen Archiven hätten. Die Universität Wien hätte diesen Zugang nicht gehabt. "Wir waren um größtmögliche Objektivität bemüht", beteuerte Hafenecker. Und, man hätte den Bericht nicht, wie die SPÖ, von einer hauseigenen Parteiakademie machen lassen.
SPÖ nennt Präsentation "durchschaubares Manöver"
SPÖ-Abgeordnete Sabine Schatz, Bereichssprecherin für Erinnerungskultur, nennt die Präsentation des FPÖ-„Historikerberichts“ ein „durchschaubares Manöver“. Inhaltlich seien bei erster Durchsicht vor allem zwei Punkte auffällig: "das Auslassen der FPÖ-Verbindungen zu Burschenschaftern und Identitären und die seltsame Rechtfertigungs-Suada der rechtsextremen Einzelfälle in einem Beitrag von Generalsekretär Hafenecker", so Schatz gegenüber der APA. Besonders deutlich werde das auch am Beitrag von FPÖ-Generalsekretär Hafenecker (ab S. 491), der 33 antisemitische, rechtsextreme und NS-„Einzelfälle“ von FPÖ-PolitikerInnen aufliste, dazu aber bei fast allen die entsprechenden Rechtfertigungsversuche der FPÖ. "Es sind keine Einzelfälle, es ist auch nicht der gern von FPÖ-Politikern zitierte ‚Narrensaum‘ der FPÖ, sondern es ist schlicht und einfach das Wesen dieser Partei“, urteilt Schatz.
Kritik von SOS-Mitmensch
"Eine Präsentation an einem 23. Dezember ist so wie keine Präsentation. Der Bericht soll offenbar über Weihnachten in der Versenkung verschwinden“, kommentiert SOS Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak die "peinliche Vorgangsweise der FPÖ-Parteiführung unter Norbert Hofer und Herbert Kickl, die bezeichnenderweise beide der Präsentation fernbleiben". Und Pollak weiter: „Hofer, Kickl & Co. zeigen kein Interesse an einer selbstkritischen Aufarbeitung des Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus in der Partei. Das überrascht zwar nicht, ist aber dennoch ein Armutszeugnis und lässt für die Zukunft nichts Gutes erahnen.“
"FPÖ Partei wie nahezu jede andere"
Der Leiter der Historikerkommission, Ex-FPÖ-Politiker Wilhelm Brauneder, hatte die FPÖ im Kurzbericht als „eine Partei wie nahezu jede andere“ bezeichnet.
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