Erste Skitour am Wurtenkeesgletscher
In jeder Skitour, viel mehr noch in jedem Abenteuer, steckt etwas völlig Unerwartetes. Dabei müssen es keine Grenzerfahrungen mit sportlichen Höchstleistungen sein. Die erste Skitour im Dezember, zumal noch im Alleingang, ist eine Unternehmung, die etwas ganz Besonderes ist.
Der Wurtenkeesgletscher in der Goldberggruppe war in den letzten Jahren oft und oft in den Schlagzeilen: Neue Erschließungspläne, neue Pistentrassen wurden andiskutiert. Eine Skitour zwischen Hightech und gewaltiger Natur.
Ich fahre am späten Vormittag ins Mölltal hinauf. Ich nehme den Gletscherexpress, der mich bis zur Mittelstation auf 2200 m bringt. Das Hin- und Rückfahrtticket für SkitourengeherInnen kostet 19,00 Euro. Hier bei der Mittelstation, unmittelbar beim Stübele See lege ich die Harscheisen an und steige die Piste in Richtigung Duisburger Hütte hoch. Prächtiges Wetter, Sonne, wolkenloser Himmel und Windstille, lässt auf eine großartige Tour hoffen. Bald sehe ich weit unter mir den den Hochwurtenspeichersee. Ich nehme die Harscheisen wieder ab, verstaue sie im Tourenrucksack und steige langsam auf: Das Panorama ist einzigartig: Die Herzog Ernst Spitze im Norden, dahinter, nordwestlich und prägnant, der Hohe Sonnblick mit der Wetterwarte und dem Gipfelhaus. SkitourengeherInnen nähern sich der Herzog Ernst Spitze. Ich gehe zum Eisseehaus hoch, wärme mich kurz mit einem Tee auf und trinke ein halbes Liter Cola mit Wasser.
Plötzlich ist alles anders
Plötzlich ist alles anders. Hochnebel fällt von der Herzog Ernst Spitze in den Wurtenkees ein, der Aufstieg vom Eisseehaus zur Baumbachspitze und zum Schareck ist nicht mehr einsehbar. Ich lege wieder die Harscheisen an. Gehe hoch.
In der Goldberggruppe, diesen besonders wilden Teil der Hohen Tauern wurde seit der jüngsten Steinzeit nach Gold geschürft. Die Kelten trieben lange vor Christi Geburt einen regelrechten Goldhandel. Ihnen folgten die Römer. Edelmetall aus den Tauern war in ganz Europa hochgeschätzt. Dutzende von Knappenhütten, Poch- und Schmelzwerke entstanden in dem riesigen Bergwerksbezirk. Mein Ziel ist das Schareck, der zweithöchste Berg der Goldberggruppe. Der obere Bereich des Aufstiegs ist sehr steil und in der vorigen Saison ging ich ihn ohne Harscheisen. Irgendwann steige ich im Nebel aus den Bindungen, verwahre die Ski nahe der Gipfelstation und klettere unschwierig auf die Baumbachspitze. Beim metallernen Kreuz blicke ich gewaltige Abbrüche hinunter nach Salzburg. Ich steige ab, geh mit den Skiern wieder hoch in Richtung Schareck. Vor mir ein Steilaufschwung, der gewaltig aussieht. Ich klettere ihn mit den Tourenskischuhen hoch und gehe dann den gewaltigen, überwechteten Grad entlang bis hin zum Schareckgipfel. Im Norden fällt der Grad ab in das Schareck Kees, im Süden in den Wurten Kees. Mit den Skistöcken schaufle ich das hölzerne Kreuz frei. Das Akku meines Handys spielt wegen der Kälte verrückt. Ein paar Fotos sind noch möglich. Dann fällt das Teil komplett aus, schaltet sich selbst ab, ich fahre es wieder hoch, aber nichts mehr geht. Ich sitze am Gipfel, sehe hinunter nach Salzburg, blicke in das gewaltige Nebelmeer, das den Wurtenkees zudeckt.
Nur noch in Erinnerungen
Wenn der Weltbergsteiger Reinhard Karl auf die ihn plötzlich überrumpelnde Einsicht reagierte, daß die Jahre vorbeigeflossen sind, daß das alles vorbei ist und nur in Erinnerungen weiterleben wird," da denke ich an diejenigen, die die ersten großen Touren mit uns gingen und die heute nicht dabei sein konnten. Ich denke an Albert Wieland, der nachts den Glockner raufstürmt und einen Sechstausender am Ende alleine hochging. An Heinz Mayer, der mit uns vor kurzem noch eine neunstündige Tour unternahm und besonders auch an Elisabeth und Fritz Grabner, die uns das Skitourengehen beibrachten.
Nach gut und gerne 10 Minuten am Gipfel gehe ich den ausgesetzten Grad in Richtung Bergstation zurück. Meine Skistöcke geben mir Sicherheit, das Gleichgewicht zu halten. In der Vorsaison brachten mich einige gewaltige, völlig unerwartete Windstöße beinahe aus dem Gleichgewicht und drohten mich vom Grad zu fegen. Ich klettere den Aufschwung runter, überschreite einen weiteren Hügel und stehe bald neben meinen Tourenskiern. Die Abfahrt im Nebel zwingt mich zur besonderen Vorsicht. Am Eisseehaus reist der Hochnebel noch einmal auf und ich sehe auf die langsam untergehende Sonne, die ihr oranges bis goldenes Licht wunderschön auf den Wurtenkees legt. Es ist mit der herrlichste Moment der Tour.
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