Der Wurtenkees Gletscher - Erlebnis Berg
Eine Skitour auf zwei Dreitausender am Wurtenkees Gletscher: By fair means, das heißt mit schwerem Rucksack mit Getränken und Verpflegung und ohne Hüttenstop während des Aufstiegs
Abenteuer 3000
Es gibt die Saualm und die Gurktaler Alpen für die Mittelkärntner und dann, später im Frühling die hohen Berge im Westen. Den Wurtenkees Gletscher kenne ich vom Pistenskifahren sehr gut und was lag näher, als einmal mit eigener Muskelkraft und dank der im Mittelgebirge in vielen Skitouren erarbeiteten Ausdauer, auch einmal auf einem Dreitausender zu stehen? Oder gar auf zwei?
Die Tour war mir schon vor Monaten durch den Kopf gegangen. Ich rief bei den Mölltaler Gletscherbahnen an und mir wurde mitgeteilt, dass eine Hin- und Rückfahrt bis zur Mittelstation mit dem Gletscher Express für Skitourengeher 19 Euro kosten würde. Ich stand dann relativ früh schon beim Stübele See auf etwa 2200 m Seehöhe. Von hier ging ich bei strahlend schönen Wetter eher unschwierig bis auf etwa 2800 m zur Berstation der Eisseebahn und dem Eissee-Bergrestaurant rauf. Ab hier wird der Anstieg steiler, härter. Die Luft wird dünner und die Pistenskifahrer stehen verwundert da und betrachten mich, den Skitourengeher, der im Steilhang eine gerade Linie nach oben zieht, verwundert.
Berg um Berg und drei wilde Salzburger am Schareck
In dieser einen Urlaubswoche sollte ich dann in Summe fast fünftausend Höhenmeter in mehreren Skitouren in der Innerkrems, in Bad Kleinkirchheim und auf das Verditz hochsteigen. Ich ging Touren, die mich nicht in eine solche Höhe führten, die aber horizontal sehr viel weiter ausgesetzt waren, als die Wurtenkees Tour. Dennoch blieb diese eine Tour in meinem Gedächtnis haften. Die Steilheit des Aufstiegs ganz oben in der Nähe der Baumbachspitze ist unglaublich. Der Grad hinüber zum Schareck ist bedrohlich überwechtet und ich tat gut daran mich immer relativ weit rechts am Grad zu halten und die heftigen Windstöße waren nicht unerheblich . Den Grad ging ich mit Skischuhen und Skistöcken und Rucksack. Hinter mir kam ein osteuropäischer Berggeher mit Steigeisen nach und danach noch drei wilde Salzburger mit Tourenski. Der Ausblick vom Schareck ist grandios: Der Hohe Sonnblick schien zum Greifen nahe und der Blick hinunter nach Salzburg ist wuchtig und beeindruckend und die Leistung der drei Salzburger, die da durch Rinnen von Sportgastein raufkamen, ist unglaublich, ja kaum fassbar.
Nach dem Gipfel stand ich am Grad wieder Richtung Gletscher-Jet Bergstation und schoss Fotos mit dem Samsung Smartphone und fror mir einen ab. Besonders die Finger am kalten Display und im stürmischen Wind und mitten in den Schneefahnen werden sofort eiskalt. Aber das spätere Fotomaterial sollte auch etwas hergeben. Das Licht hier oben ist heller, schöner, die Farben intensiver, die Eindrücke, die nach innen gehen, kommen schneller an und explodieren fast im Kopf und in der Wahrnehmung und die Steilwände nach unten, die registriere ich gar nicht, weil ich einfach eins bin mit mir und mit meinem Vorhaben, da rauf zu kommen und wieder heil rüber zu dem Paar Ski, das ich weiter unten auf einer ebenen Fläche bei der Bergstation zurückließ.
Die Stunden der wahren Empfindung
Es gibt Landschaften, die sehen auf den ersten Blick großartig aus, einmalig. So großartig und einmalig, daß man auf die Dauer erschlagen wird. Und sowohl der Blick hinunter nach Sportgastein, als auch der zum Wurtenkees ist eindringlich, ja er kommt brutal und frontal. Die deutsche Bergsteigerlegende Reinhard Karl schrieb in seinem wohl berühmtesten Text "Unterwegs nach Haus" "Plötzlich am Berg, kommt mir zu Bewußtsein, daß die Jahre vorbeigeflossen, sind, daß das alles vorbei ist und nur noch in der Erinnerung weiterleben wird." Es ist die Bilanz seiner Jugendzeit. "Was ich suchte, war so unantastbar wie ein Regenbogen."
Alleingänge sind auch ein Weg in die Askese: Sie zwingen zur Reduktion. Ohne Gesprächspartner, immer wieder den Willen befeuern, die Härte, die Linie nach oben zu suchen, den Fokus scharf zu stellen, schon um der Sicherheit wegen. Die Müdigkeit immer wieder abschütteln und Reserven zu schützen, um auch wieder runter vom Berg zu kommen und auch die eigenen technischen Möglichkeiten immer wieder aufs Neue abzuwägen. Oft blitzschnell.
Ich wurde schon mehrmals gefragt, ob ich vor etwas davonlaufe, wenn ich da schnell oder weniger schnell den Berg raufklettere. Aber da oben geht man in die eigenen Ängste direkt hinein. Das ist das Gegenteil von davonlaufen. Das ist sich selbst sich selbst stellen. Das ist, wenn nicht eine spirituelle Suche, dann doch ein Kennenlernen der eigenen physischen und psychischen Möglichkeiten im Einklang mit der Natur und in archaischen, reduzierten Landschaften.
Die Abfahrt als Gipfelerlebnis
Und dann die Abfahrt im griffigen Schnee bei Sonne und wolkenlosem Himmel: Augenblicke, in denen es an nichts fehlt und nichts zu viel ist. Alles fließt. Zeit die stillsteht. Unsichtbarkeit. Sich wie pure Elektrizität fühlen. Das Leben, das perfekt ist. Eine Welt, die genauso ist, wie sie sein soll. Lockere Schwünge eine steile Piste hinunter, und ich schließe die Augen, weil ich diese fließenden Bewegungen noch mehr in mir fühlen möchte. Das ist das neue Skifahren. Das sind Abenteuer die nach innen zielen. Das ist der Skitourensport.
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