Teilzeit bedeutet in der Praxis oft "verteilte Zeit"
AMS-Geschäftsstellenleiterin Stadt und Flachgau Manuela Seidl im Chefinnen-Gespräch über Hürden für Wiedereinsteigerinnen bei der Jobsuche.
Beim AMS haben Sie es immer mit Menschen zu tun, die Probleme haben, einen Job zu finden. Sie sind seit 19 Jahren hier – wieviel Probleme und Sorgen anderer muss man hier aushalten können?
MANUELA SEIDL: Es ist ein schwieriger Job, und ja, ich bin seit 19 Jahren hier. Es ist eine recht große Herausforderung, den Anforderungen des Unternehmens AMS und den Bedürfnissen der Kunden gerecht zu werden. Einerseits muss ich Budgets, Ziele und Zahlen erreichen, andererseits auch die Bedürfnisse der Kunden. Wir müssen uns dabei stets veranschaulichen, dass wir für die persönliche Situation der Kunden nicht verantwortlich sind, wir können sie nur begleiten, wir müssen sie wieder fit für den Arbeitsmarkt machen. Dieses Abgrenzen müssen auch unsere Mitarbeiter lernen, sonst läuft man Gefahr, den eigentlichen Auftrag des AMS zu vergessen. Unser höchstes Ziel ist die Integration in den Arbeitsmarkt.
Sie haben 130 Mitarbeiter für einen Arbeitsmarkt mit 125.000 Arbeitnehmern. Reicht das?
MANUELA SEIDL: Wir haben erst kürzlich zehn Stellen nachbesetzt, vier davon erst vor zwei Wochen. Das Know-how-Management ist für die Belegschaft deswegen natürlich eine besondere Herausforderung. Es dauert ein gutes halbes bis dreiviertel Jahr, bis ein neuer Mitarbeiter alles kann. Wir haben ein internes Coaching-System, das hervorragend funktioniert, aber auch Aufwand bedeutet. Insofern muss ich sagen: Ja, wir sind zufrieden. Aber wenn Sie sich den Arbeitsmarkt anschauen – von 2008 auf 2016 haben wir 80 Prozent mehr Kunden, aber natürlich nicht 80 Prozent mehr Mitarbeiter erhalten –, muss ich sagen: Mehr wäre natürlich besser.
Haben Sie an Ihrem Standort hier in der Auerspergstraße noch Platz für mehr Mitarbeiter?
MANUELA SEIDL: Nein, und das ist eigentlich unser Problem: Es ist auch ohne weitere Mitarbeiter zu eng hier für uns. Wir sind seit mehr als einem Jahr auf der Suche nach einem neuen, größeren Standort in der Stadt Salzburg. Sie müssen wissen: 2008 hatten wir 5.000 bis 6.000 Arbeitslose, jetzt sind es knapp 10.000 und bis 2018 werden die Zahlen weiter steigen, wenn man den Wirtschaftsforschungsinstituten glauben darf – und die kommen alle zu uns.
Sind Sie auf der Suche nach einem bestehenden Gebäude oder nach einem Grundstück für einen Neubau?
MANUELA SEIDL: Das AMS Österreich verhandelt mit entsprechenden Projektentwicklern.
Wiedereinsteigerinnen: Was sind die größten Hürden?
MANUELA SEIDL: Die Kosten für die Kinderbetreuung, aber auch Arbeitszeiten, die nicht mit Kinderbetreuungseinrichtungen vereinbar sind. Es bräuchte in Salzburg sehr viel mehr öffentliche Kinderbetreuungseinrichtungen für unter Fünfjährige. Eine Angestellte, die im Handel 800 Euro netto verdient, kann sich einen Betreuungsplatz bei Tageseltern um 300 Euro oder mehr nicht leisten. Nicht zuletzt deshalb – und aufgrund einer Richtlinienänderung – ist unsere Kinderbetreuungsbeihilfe im letzten Jahr dramatisch gestiegen. Wir hatten 2016 1.820 Elternteile, 95 Prozent davon Frauen, die diese Förderung in Anspruch genommen haben, das ist eine Steigerung von 81 Prozent gegenüber dem Jahr davor. Es gibt von Lamprechtshausen bis nach Faistenau einfach zu wenig und zu teure Betreuungsplätze.
Ist eine Teilzeit-Stelle hilfreich?
MANUELA SEIDL: Ja, wenn ich einen Job mit Arbeitszeiten von acht bis zwölf habe. Nur: Solche Jobs gibt es fast nicht mehr, schon gar nicht im Handel. Flexible Arbeitszeiten zwischen neun und 19 Uhr, auch wenn es dann nur vier Arbeitsstunden sind, sind einfach nicht in Einklang mit Betreuungszeiten zu bringen. Das gilt auch für den Bereich der Reinigung. Da muss morgens und abends ein paar Stunden gearbeitet werden, oft ist ein eigenes Auto erforderlich – das kann sich nicht ausgehen, noch dazu, wo diese Jobs auch nicht sehr lukrativ sind.
Langzeitarbeitslose: Im Flachgau und in der Landeshauptstadt sind 886 Menschen davon betroffen, das ist um ein Drittel mehr als im Vorjahr. Was soll diesen Menschen Hoffnung geben?
MANUELA SEIDL: Unser Ziel ist es, die Verfestigung von Langzeitarbeitslosigkeit zu verhindern. Aber: Es findet ein Verdrängungswettbewerb aus neuen EU-Ländern statt. Rumänen und Bulgaren, die sich mit einem geringen Einkommen zufrieden geben und sehr flexibel gegenüber Arbeitszeitmodellen sind, erschweren die Chancen von Langzeit-Arbeitslosen, noch dazu wenn sie vielleicht gesünder, fitter, jünger und billiger sind. Wenn man weiß, dass 50 Prozent unserer Arbeitslosen nur über einen Pflichtschulabschluss verfügen, dann weiß man auch, woran es hapert: an der Ausbildung. Im Rahmen unserer Möglichkeiten, z.B. Qualifizierungen, wird hier gegengesteuert.
Ist die Mindestsicherung eine Hilfe bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt?
MANUELA SEIDL: Mindestsicherungsbezieher sind dazu gezwungen, mit dem AMS zusammenzuarbeiten. Sie werden vom Sozialamt zu uns geschickt und wir überprüfen: Gibt es einen Kurs, eine offene Stelle, an die der oder die Betroffene vermittelbar ist? Wenn das ignoriert wird, dann wird die Mindestsicherung auch gekürzt. Salzburg ist da vergleichsweise streng. Die Mindestsicherung ist meiner Meinung nach ein Anreiz, in den Arbeitsmarkt einzutreten.
Bereiten Ihnen Flüchtlinge am Arbeitsmarkt auch Sorgen?
MANUELA SEIDL: Die große Welle ist bei uns noch nicht angekommen, aber wir sind vorbereitet. Wir haben mit den 500 bis 600 Konventionsflüchtlingen und Asylberechtigten, die wir schon in vergangenen Jahren relativ konstant hatten, einiges ausprobiert, und das auch erfolgreich. Wir machen eine zweiwöchige Kompetenzanalyse, schauen, was bringen die Flüchtlinge mit. Da hatten wir zum Beispiel schon mal einen Lkw-Fahrer aus Syrien, der keinen Führerschein hatte, auch keinen syrischen. Dann folgen sechs Wochen Perspektivenplanung, das bedeutet: Welche Aufschulungen sind notwendig – und das immer begleitet von einer Deutschstunde. Und anschließend haben wir drei Kursmaßnahmen für Berufseinsteiger im Bereich Küche, für das Bau- und Baunebengewerbe und für Metallbauhelfer. Auf diese Weise konnten wir im Vorjahr die Hälfte von 150 Teilnehmern in eine Arbeit oder eine Ausbildung bringen.
Wie viel Platz ist am Arbeitsmarkt für Flüchtlinge und wie motiviert sind sie?
MANUELA SEIDL: Der Arbeitsmarkt ist aufnahmefähig, die Dienstgeber warten auf willige und engagierte Asylberechtigte. Und die Motivation ist bei fast allen Flüchtlingen dieselbe: Sie müssen Schulden im Heimatland begleichen, sie müssen Geld nach Hause schicken.
Hier geht es zur Interview-ReiheChefinnen-Gespräch
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