Zeitzeuge zu Besuch im Goethe Gymnasium: "Ich wusste, wir müssen raus"
Eric Sanders, ein vertriebener Schüler des Goethe-Gymnasiums, hat über sein Leben gesprochen.
HIETZING/PENZING. Eric Sanders stand bei der Westeinfahrt als Hitler im März 1938 in Wien ankam und dachte sich nur eines: "Wir müssen raus". Der gebürtige Hietzinger hat als Zeitzeuge im Goethe Gymnasium über sein Leben vor, während und nach der Vertreibung aus Österreich gesprochen. Seit 1938 lebt er in England, kommt aber gerne und immer wieder zurück nach Penzing um an diese furchtbare Zeit zu erinnern. Sanders gehört zu den 40 Schüler und fünf Lehrern, die 1938 der Schule verwiesen wurden. Seit 2005 erinnert das Goethe Gymnasium mit einer Gedenktafel gleich neben der Stiege am Eingang an diesen dunklen Fleck der Geschichte der Schule.
Bereits zum dritten Mal hat Sanders seine alte Schule besucht und den jungen Menschen seine Geschichte erzählt. Und zu erzählen gibt es viel, rund eineinhalb Stunden wurde gebannt gelauscht. Besonders ist schon die Sache mit seinem Namen: Geboren ist er als Ignaz Schwarz, genannt wurde er in seiner Kindheit aber immer Erich. In der Schule wurde der Jude dann von anderen Kindern "Nazi" genannt. In der Volksschule und in der Hauptschule war die aufkommende Ideologie noch nicht spürbar, aber im Gymnasium waren dann schon einige Schüler Nazis. "Sie haben mich gestoßen und gekniet. Ich war Jude, klein und ein Feigling. Erst beim Wiederholen der 7. Klasse habe ich begonnen zurückzuschlagen", erzählt Sanders.
Aus Erich Schwarz wurde später Eric Sanders, als er in der britischen Armee diente und alle ihre deutschsprachigen Namen ändern sollten. Aufgewachsen ist der nach eigenen Angaben schlechte Schüler – er musste die fünfte und siebente Klasse wiederholen – in Hietzing. Die Eltern hatten ein Geschäft in der Auhofstraße und gewohnt hat die Familie in der Schweizertalstraße. "Die Schule hat damals Schi verliehen und ich bin jeden Nachmittag am Himmelhof Schi gefahren. Natürlich ohne Lift", so der mittlerweile 98-Jährige.
Flucht nach England
Sanders engste Familie, also der kleine Bruder und seine Eltern, haben es - mit Schwierigkeiten aber doch - aus Österreich raus geschafft. Als erstes ging sein erst 16-jähriger Bruder Alfred, er wanderte illegal nach Palästina aus. Eric hat tragischerweise seinen Bruder nie wieder gesehen: Die Brüder dienten während des zweiten Weltkrieges beide in der englischen Armee und waren sogar beide in Italien stationiert. Als ihnen gelang, ein Treffen zu vereinbaren, verunglückte Alfred am Weg zu dem Treffen bei einem Autounfall. Heute beschreibt Eric dieses Erlebnis als eines der schlimmsten seines Lebens.
Der damals 19-jährige Sanders schaffte es nach England mit der Begründung, dass er seine Ausbildung fortsetzen möchte. "Und das ich, der schlechte Schüler", amüsiert sich Sanders heute noch. Eine Cousine, die schon in London wohnte, half ihm dabei und zahlte für einen Kurs an einer Handelsschule. Eigentlich reichte das nicht aus, aber die Mitarbeiterin im britischen Konsulat ließ es es durchgehen. "Später fand ich heraus, dass sie sehr oft die Regeln gebrochen hat und Mitglied des MI6 war". Sanders hat Frau Holmes auch in seiner 2008 erschienen Autobiografie verewigt. Übrigens: Der rüstige Pensionist hat gerade erst zwei Agentenromane veröffentlicht, "Mazes 1: Murder in Munich" und "Mazes 2: Conspiracy in Vienna".
Krieg mit Besenstiel
Nach zwei Jahren in England trat Sanders der britischen Armee bei, durfte aber nur in die Ausländerkompanie. "Wir waren in Le Havre, durften aber keine Waffen tragen. Eines nachts wurden wir von Flugzeugen aus beschossen und ich hatte Schildwache mit einem Besenstock", erinnert sich Sanders. Ab 1943 wurde er im Rahmen des Kriegsgeheimdienstes Special Operations Executive (SOE) für geheime Einsätze in NS-Deutschland ausgebildet. Nach dem Krieg war er anfangs als Übersetzer für Kriegsgefangene tätig und später in Wien für die Gesetzesdivision der Briten.
Eine Empfehlung hat Sanders den Schülern ganz am Schluss der Veranstaltung mitgegeben: "Ihr müsst das Leben genießen und auch am Genießen arbeiten".
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