Krieg in der Ukraine
ASPR-Leiter Moritz Ehrmann im Interview

ASPR-Dir. Moritz Ehrmann | Foto: Peter Seper
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Diplomat Moritz Ehrmann leitet das Friedenszentrum in Stadtschlaining. Im Gespräch mit den RegionalMedien Burgenland nimmt er zum Angriff Russlands auf die Ukraine Stellung.

STADTSCHLAINING.  Kreml-Chef Putin hat Ukraine am 24. Feber 2022 den Krieg erklärt. Die EU und US-Präsident Biden verhängen massive Sanktionen. Wie sieht ASPR-Leiter Moritz Ehrmann den Krieg vor unserer Haustür.
Der österreichische Diplomat hat im Juli 2021 die Leitung des Friedenszentrums in Stadtschlaining übernommen und stellte sich den Fragen der RegionalMedien Burgenland.

RegionalMedien Burgenland: Wie groß sind die Rückschläge der jahrelangen Friedensbemühungen in Europa (seit dem Fall der Berliner Mauer) durch den russischen Überfall in der Ukraine?
Moritz Ehrmann: Die Auswirkungen dieser Entwicklungen können wir derzeit denke ich noch gar einschätzen. Jedenfalls überschreitet es meine persönliche Vorstellungskraft. Ich komme aus einer Generation die seit über zwei Jahrzehnten Frieden in Europa gewohnt ist. Das kann man nun leider nicht mehr als gegeben annehmen.
Wer sich mit der Szene beschäftigt, der hat spätestens seit dem Beginn des Ukraine-Konflikts 2014 das Gefühl bekommen, dass so etwas wie ein Hauch des Kalten Kriegs in Europa zu spüren ist. Dazu kommt, dass Russland ja seit Jahren mehrmals und durchaus eindringlich darauf hinweist, dass ihre Sicherheitsbedenken nicht in Betracht gezogen werden.
Was aber nun passiert, überschreitet so viele Grenzen, dass ein Status Quo Ante kaum mehr vorstellbar ist.

Das Friedenszentrum (ASPR) fokussiert seine Arbeit seit Jahren auf den Bereich Friedensbildung und seit dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien auch aktiv auf die Konfliktvermittlung. Ist Letzteres zwischen Putin und der Ukraine in der jetzigen Situation überhaupt noch möglich? Und wenn ja, auf welche Art und Weise?
Beide Seiten scheinen das angeboten zu haben. In einem ersten Schritt muss alles versucht werden was weitere Gewalt vermeidet. Schätzungsweise macht ein solcher Schritt nur auf höchster Ebene Sinn.
Natürlich bedeutet das noch keine Lösung des Konflikts, der ja wie gesagt schon einige Zeit besteht. Um das herbeizuführen, würde es Dialog und Vermittlung auf verschiedensten Ebenen, von der hohen Politik über Politikberater und Vertreter der betroffenen Gesellschaften brauchen. Und es wäre ein langer Prozess.
Wir machen es uns in Konflikten ja meistens sehr einfach. Wir stellen uns selbst auf die moralisch richtige Seite und bauen Narrative aus, die den anderen entfremden oder sogar dämonisieren. Das gibt uns in der großen Unsicherheit, die Konflikte hervorrufen ein Gefühl von Sicherheit.
Gelingen würde Konfliktvermittlung nur dann, wenn sich die Konfliktseiten aus diesen Komfortzonen herauswagen würden, und jeweils die Bedürfnisse der anderen Seite anerkennen würden. Dabei ist vorrangig egal ob diese Bedürfnisse rein subjektiv bestehen oder objektiv nachprüfbar sind.

Wie groß ist eine Ausweitung der Kriegsgefahr in Europa, wenn Putin auf die Sanktionen der EU und von Amerika reagiert?
Russland muss mit der Verhängung von Sanktionen gerechnet haben. Natürlich trägt der Schritt nicht zu Entspannung, sondern zu weiterer Verhärtung bei.
Gewarnt wird bereits vor einer Ausweitung der Gewalt auf Länder mit ähnlichen Dynamiken wie die Ukraine, vor allem Moldau und Georgien, aber auch Bosnien-Herzegowina. Das wäre die nächste naheliegende Eskalationsstufe.
Ein Überschwappen eines Krieges auf NATO-Staaten wäre allerdings eine Schwelle, die derzeit kaum vorstellbar ist. Hier träten Bündnisverpflichtungen in Kraft und die militärische Macht der NATO ist jedenfalls eindeutig über die Russlands zu stellen. Allerdings, wie gesagt, vor einer Woche war auch das derzeitige Szenario noch kaum vorstellbar…

Wie sehr und in welche Richtung wird sich die Arbeit im ASPR nach diesem Angriff Russlands intensivieren?
Ein Institut, das sich mit den Themen Frieden und Konflikt befasst, muss auf solche fundamentalen Entwicklungen am eigenen Kontinent Antworten finden. Ob das nun über konkrete Konfliktvermittlung geschieht, Forschung oder andere Wege.
Als österreichisches Institut wäre man jedenfalls in einer geopolitisch guten Lage hier positiv beizutragen.
Da sich aber nach wie vor die Ereignisse überschlagen, wäre es unseriös hier zu versuchen konkrete Antworten zu geben.

Was hat der 24. Feber 2022 in Ihrer Friedensarbeit ausgelöst?
In der Friedensarbeit ist man Krieg und gewaltsame Konflikte gewohnt. Ich selbst war 2014 in Bagdad als der sogenannte Islamische Staat zuerst alle nördlichen Provinzen überrannte und dann vor den Toren der Stadt stand. Das fühlte sich von der Signifikanz damals zumindest ähnlich an wie heute, auch wenn ich Gott sei Dank nicht Kiew bin. Sicherheit wurde auf Jahre hinweg weltweit anders gedacht als davor.
Ein Krieg am eigenen Kontinent, ausgelöst durch eine der Großmächte ändert alle Sicherheitsparameter in der Region. Wenn Sicherheit neu gedacht werden muss, muss auch Friedensarbeit neu gedacht werden. Allerdings aus einer völlig anderen Perspektive.

Danke für das Gespräch !

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