Long-Covid
Langzeitfolgen bei 10 bis 20 Prozent der Corona-Kranken
Die Zahl der Corona-Patienten in Krankenhäusern und auf Intensivstationen ist stabil. Immer mehr Menschen haben aber mit Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung, genannt Long Covid, zu kämpfen. Im Interview mit der BezirksRundschau erklärt Corona-Experte Primar Bernd Lamprecht, Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde / Pneumologie am Kepler Universitäts Klinikum, mit welcher Zahl an Betroffenen zu rechnen ist und wie die Chancen für eine Erholung sind. Lamprecht ist auch wissenschaftlicher Leiter der Pneumologischen Rehabilitation, Rehaklinik Enns.
Welchen Anteil an Long Covid-Patienten gibt es – haben wir nach der Covid-Pandemie die Long Covid-Pandemie?
Unsere bisherige Beobachtung ist, dass 10 bis 20 Prozent der Betroffenen über länger anhaltende Symptome berichten, beim überwiegenden Teil sind dies jedoch milde bis moderate Symptome, die sich über die Zeit – mehrere Wochen – weiter reduzieren.
Bericht über Long Covid-Patientin: "Das ist einfach keine Lebensqualität"
Was sind die Ursachen für diese langfristigen Folgen der Erkankung?
Zumindest vier plausible Erklärungen sind möglich: Erstens eine anhaltende geringe, schwelende Entzündung. Zweitens die Folgen einer Organkomplikation, wie eine Lungenembolie, die längere Zeit bis zur Rückbildung benötigen. Drittens die Folgen der Hospitalisation – etwa Gewichtsabnahme, Muskelabbau, Isolation. Und viertens Schwierigkeiten bei der Krankheitsverarbeitung mit Somatisierungsstörungen.
(Anmerkung der Redaktion zu "Somatisierungsstörungen": Ausdruck für Beschwerden deren konkrete Ursache sich trotz genauer Untersuchungen nicht konkret ergründen lässt.)
Ursache lässt sich meist finden
Die Konsequenz wäre, die Impfanstrengungen zu verstärken, damit eine noch schnellere Durchimpfung der Bevölkerung erfolgt?
Ja, absolut.
Müssen auch die Lockerungen in Frage gestellt werden?
Während es völlig klar ist, das eine Covid-Erkrankung nicht binnen 14 Tagen vollständig „abheilen“ kann, halte ich es aber auch nicht für realistisch, dass uns Long Covid langfristig belasten wird. In vielen Fällen lässt sich eine Ursache/Erklärung für die Beschwerden identifizieren und dann beheben, auch wenn dies manchmal einige Wochen in Anspruch nehmen kann.
Ist das Gesundheitssystem überhaupt in der Lage, mit so vielen Long Covid-Patienten umzugehen – es gibt ja schon die Meldungen, dass es an Covid-Reha-Ambulanzen mangelt?
Reha-Plätze sind tatsächlich begrenzt, daher muss hier priorisiert werden – wer benötigt dies wirklich und wie rasch.
Es heißt, dass viele Long Covid-Patienten erst einmal für die Reha fit gemacht werden müssen, weil sie es etwa aus Erschöpfung kaum aus dem Bett schaffen?
Reha ist ein mehrstufiger Prozess, der schon im Krankenhaus beginnt – die sogenannte Frührehabilitation. Und die auch nach einem dreiwöchigen stationären Rehaufenthalt in einer strukturierten Form fortgeführt werden muss – entweder eigenständig oder über zahlenmäßig sehr begrenzte ambulante Einrichtungen.
Hausarzt als erster Ansprechpartner
Wie sieht diese Reha aus?
Atemphysiotherapie spielt eine ganz wesentliche Rolle, daneben ist die Leistungsdiagnostik wertvoll, die exakt feststellen lässt, welche Belastungen bereits bedenkenlos möglich sind und wo noch Grenzen gezogen werden müssen.
Wo sollen sich Menschen hinwenden, die nach einer Corona-Erkrankung glauben, an Long Covid zu leiden?
Bei anhaltenden Symptomen ist jedenfalls eine weiterführende Abklärung angezeigt. Meines Erachtens ist der Hausarzt hier der erste und auch kompetente Ansprechpartner, der viele Probleme selbst erkennen und lösen kann und sonst nach Identifikation des führenden Problems zu den jeweiligen Fachspezialisten überweisen kann: Lungenspezialist, Neurologe, Dermatologe, HNO, ... Derzeit arbeiten mehrere medizinische Fachgesellschaften gemeinsam an einer Leitlinie, die hier für Klarheit sorgen und Hilfe anbieten soll.
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