Erdäpfelbeet im Kreisverkehr
Im Dritten schlafen Wiener Kreiskartoffel
Seit dem Frühjahr wird der Kreisverkehr an der Kreuzung Schöpsstraße/Leopold-Böhm-Straße beackert. Im Oktober sollen hier dann Kartoffel geerntet werden.
WIEN/LANDSTRASSE. Hier dreht sich alles um Erdäpfel, sogar die Lenkräder der vorbeifahrenden Autos. Denn seit dem Frühjahr dient der Kreisverkehr an der Kreuzung Schöpsstraße/Leopold-Böhm-Straße nicht nur zum Wenden, wenn man sich zwischen den Neubauten verfahren hat, sondern auch als Acker für das beliebte Gemüse.
Initiiert hat das Erdäpfelbeet der Filmemacher und Klimaaktivist Christoph Schwarz. "Die Bewirtschaftung des Kreisverkehrs ist eine Mischung aus Nachbarschaftsprojekt, Kunst und Aktivismus", erzählt der Ideengeber. Ein Jahr lang hat sich Schwarz vorgenommen ein sogenanntes Klima Sabbatical zu machen. Dabei versucht er abgesehen von den Fixkosten wie Wasser und Strom möglichst ohne Geld auszukommen. Im Zuge dessen sind auch Kunstprojekte wie das Erdäpfelbeet in der Landstraße oder sein Cabriobeet am Alsergrund entstanden.
Logistische Herausforderung
"Der öffentliche Raum wird immer noch viel zu stark von Autos gestaltet", moniert der Klimaaktivist. "Den Kreisverkehr sehe ich als Symbol für Autozentrismus." Urban Gardening inmitten des Straßenverkehrs bringt logischerweise auch Herausforderungen mit sich. Besonders die Bewässerung des Ackers war komplex wie die Anrainerin und Beteiligte am Projekt Julia Knöbl erzählt: "Wir haben dank Wiener Wasser die Tanks mit einem langen Schlauch von einem Hydranten aus befüllen können."
Generell erhielt das Projekt, an dem ungefähr 30 Personen regelmäßig mitwirken, tatkräftige Unterstützung. "Dadurch dass uns der Obi von nebenan ein ausgestelltes Gartenhäuschen zur Verfügung gestellt hat, konnten wir hier auch unser Material lagern", erzählt Schwarz.
Besonders markant sind die vier Wassertanks, die sich in der Mitte des Kreisverkehrs befinden. Sie wurden nicht nur zur Bewässerung, sondern auch zur Vermittlung der zentralen Botschaft genutzt. "Zu Beginn standen die Worte 'Sind im Weltkrieg' auf den Tanks. Damit wollten wir einerseits auf den Krieg gegen die Klimakrise aber auch darauf, dass im Krieg urbane Flächen landwirtschaftlich genutzt wurden, aufmerksam machen", erklärt Schwarz.
Aus Krieg wird Markt
Doch die Behörde stufte den Slogan als zu provokant ein und deshalb steht nun von Montag bis Samstag 'Sind im Weltmarkt' auf den Kanistern. Immer Sonntags - Kreisverkehrgarteln ist nur an Sonn- und Feiertagen erlaubt - kommt die Community zusammen um gemeinsam zu arbeiten. "Das Erste was wir machen, wenn wir hinkommen, ist das Schild abzumontieren", erklärt Schwarz. Auch jetzt können Interessiert sonntags einfach vorbeikommen und gemeinsam mit anderen Schädlinge entfernen oder das Beet umgraben.
Ob das Projekt auch nächstes Jahr fortgesetzt wird, ist noch nicht klar. "Vielleicht gründet sich ja eine Nachbarschaftsinitiative", zeigt sich Kölbl zuversichtlich. Den Erfolg des urbanen Ackerbaus wird man nicht zuletzt an der Ernte, die für den 10. Oktober angesetzt ist, sehen. "Die Kartoffeln werden dann abgewogen und gerecht, je nachdem wer wieviel mitgeholfen hat, aufgeteilt", erklärt Schwarz. Und auch einen wissenschaftlichen Mehrwert hat das urbane Kreisverkehrbeet. "Wir wollen schauen, ob die Erdäpfel irgendwelche Unterschiede zu 'normal' angepflanzten Kartoffeln aufweisen", erklärt der Initiator.
Womöglich können Kölbl und Schwarz also bereits im Herbst ihre eigenen urbanen Erdäpfel in ihren Pfannen anbraten. Und wer weiß vielleicht entwickeln sich die Kreiskartoffeln in Zukunft zu einem delikaten Gemüse, auf dass dann alle im wahrsten Sinne des Wortes abfahren.
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