Jede vierte Frau durch den eigenen Partner erlebt
Sexuelle Gewalt in Beziehungen nimmt zu

Über 80 Prozent der Gewaltstraftaten werden von Männern begangen | Foto: privat
  • Über 80 Prozent der Gewaltstraftaten werden von Männern begangen
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  • hochgeladen von Sarah Yasmine

Die Forschung belegt, dass jede vierte Frau im Laufe ihres Lebens sexuelle Gewalt durch den eigenen Partner erlebt. Und dieser Befund gilt leider nicht nur für Österreich, sondern für ganz Europa, wie die Ergebnisse einer aktuellen Studie der Europäischen Grundrechteagentur zeigen. 22 Prozent der befragten Frauen berichteten, dass sie mindestens einmal im Leben sexuelle Gewalt durch einen früheren oder aktuellen Partner erlebt haben.


Sexuelle Gewalt: „Und bist Du nicht willig, so zahle ich es Dir morgen heim“

Die wenigsten Betroffenen sind sich bewusst, dass sie im Rahmen ihrer Misshandlungsbeziehung auch Opfer sexueller Gewalt sind. Sexuelle Gewalt ist mit Vergewaltigung assoziiert. Sexuelle Gewalt fängt tatsächlich aber viel früher an: mit sexuellem Druck und/oder der Instrumentalisierung der Sexualität zur Legitimation von psychischer und verbaler Misshandlung.
Betroffene hatten auch nach der Trennung über einen langen Zeitraum mit den Folgen dieser – oft unerkannten – Form der sexuellen Gewalt zu kämpfen. 

Anfangs: der hyperlative Honeymoon, auch im Bett

Die meisten Misshandlungsbeziehungen beginnen mit einem hyperlativen Honeymoon. Seelenverwandtschaft! Immense Idealisierung! Noch nie fühltest Du Dich von einem Mann so innig geliebt und begehrt. Unzählige WhatsApp Nachrichten und Anrufe, kleine Gesten, intensive Gespräche, Komplimente, Schwärmerei, Sexualität wird zelebriert. Rücksichtsnahme und Konzentration auf ihre Lust. Viele Betroffene beschreiben ihren Misshandler in der Anfangsphase als großartigen Liebhaber, fürsorglichen, verständnisvollen Partner, der sich nach und nach als Lügner, Heuchler und Betrüger entpuppt, nicht nur im Privatleben sondern auch oft beruflich. 

Sie hat auf Knopfdruck zu funktionieren. Mechanisches Streicheln und plumpes Grabschen als „AN-Knopf“

Ein „Vorspiel“ findet kaum noch statt, vielmehr kommt es zu plumpen Annäherungsversuchen: Brust oder Gesäß grabschen, direkt mit der Hand in den Schritt fassen, plumpe verbale Annäherungen.

Viele Betroffene berichten von „mechanischem, lieblosen Pseudo-Streicheln“. Hierbei erfolgt keinerlei eingehen auf die Frau, vielmehr wird mechanisch auf ein und derselben Körperstelle auf und ab gerieben, was oft zu Überreizung der Hautpartien führt. Folge: Schmerzende Haut anstelle von Erotisierung.
Der Misshandler erwartet natürlich, dass die Betroffene von diesen Animierungsversuchen in lustvolle Stimmung gebracht ist und mit ihm intim wird.
Viele Männer betrachten Sexualität als Grundrecht in einer Partnerschaft, das vom Gegenüber erfüllt zu haben werde, ganz egal, wie es sonst um die Beziehung bestellt ist. Nicht umsonst existiert die Wendung der „ehelichen Pflichten“. Diese Haltung ist bei fast allen Misshandlern anzutreffen.

Hingabe trotz Misshandlung

Im „klassischen Verlauf“ einer Misshandlungsbeziehung sind psychische und verbale Gewalt inzwischen an der Tagesordnung. Dennoch erwartet der Misshandler, dass die Betroffene ihre „partnerschaftliche Pflicht“ trotz „Schwierigkeiten in der Partnerschaft“ weiterhin erfüllt und ihm sexuell zu Willen ist.
Frauen brauchen Nähe und Sicherheit um sich ihrem Partner sexuell öffnen und lustvoll hingeben zu können. „Versöhnungssex“ kann nur stattfinden, wenn tatsächlich auch eine Versöhnung stattgefunden hat. Die Struktur von Misshandlungsbeziehungen schließt aber eine Versöhnung aus. Zwar „ent-schuldigt“ sich der Misshandler anfangs noch für die ein oder andere Bemerkung, wirkliche Klärung (inkl. aufrichtiger Reue, Verantwortungsübernahme und gehaltenem Versprechen, dass dieses Verhalten nicht wieder auftreten wird) findet aber nicht statt.
Ihr „Partner“ erwartet weiterhin regelmäßig stattfindende Sexualität. Sie hat berechtigte Angst, dass sich noch mehr Frustrationen über ihr entladen, wenn sie diesen Anspruch nicht erfüllt. Gleichzeitig bedeutete ein Einwilligen in die „Wünsche“ des „Partners“ ein implizites Akzeptieren der Misshandlungen, Hingabe trotz erlittener Gewalt. Ihre Hingabe würde signalisieren „ich bin trotzdem noch die Deine, obwohl Du mich quälst und misshandelst“.

Genau diese implizite Botschaft sucht der Misshandler.

Die Betroffene muss sich also selbst zwingen, seinen sexuellen Wünschen nachzukommen, sie muss sich selber vergewaltigen, denn der Verstand ist bereits vernebelt und der Wille gebrochen.  Es reicht nicht, die eigentlich unerträgliche Sexualität über sich ergehen zu lassen, die Betroffene muss sich und ihren Körper auch noch belügen: Ein Verrat an sich selbst mit oft verheerenden Folgen.
Viele Betroffene greifen in dieser Situation zum Substanzabusus (z.B. durch ein paar Gläser Wein oder Prosecco), um die quälende Sexualität besser über sich ergehen lassen zu können.

Verweigerung der Frau 

Der Misshandler erwartet, dass die Betroffene alle seine sexuellen Wünsche jauchzend erfüllt, damit er sich und seine Beziehung bestätigt fühlt. Oft werden diese Forderungen rapide gesteigert. Mehr Sex, leidenschaftlicherer Sex, ausgefallenere Praktiken, bis hin zu Perversitäten.
„Verweigert“ sich die Betroffene, ist der Misshandler gekränkt, wütend und frustriert. Er ist nicht in der Lage, mit seiner Frustation umzugehen. Daher reagieren viele Betroffene mit „vorauseilendem Gehorsam“. Sie entwickeln ein feines Gespür für die Stimmung ihres „Partners“. Droht diese zu kippen, bringen sie sich durch Sex wieder in mehr Sicherheit. Fast alle Betroffene haben die Erfahrung gemacht, dass ein NEIN spätestens in den Folgetagen massive Folgen haben wird.
Der Preis jedes NEINS ist hoch: Der Misshandler beginnt, sein negatives Verhalten dadurch zu legitimieren, dass sie ihn sexuell frustriert. „Ich bin so geladen, weil Du nie mit mir schläfst“. „Natürlich habe ich schlechte Laune, ich bekomme keinen Sex von meiner Partnerin“. „Wir würden uns nicht so häufig streiten, wenn wir regelmäßigen Sex hätten, wie andere normale Pärchen“.
Viele Misshandler spielen diese Karte immer wieder aus. Wenn die Betroffene über ihre Verletzungen durch die Misshandlung sprechen möchte, kann er sie damit mundtot machen. Schlimmer noch, er kann jedes Gespräch zu seinen Gunsten umdrehen, da sie sich „ihm gegenüber schuldig macht“, durch Verweigerung seines „Grundrechts“.
Dieses „Totschlagargument“ wird mit zunehmender Häufigkeit und Eindringlichkeit vorgebracht. Nicht selten führt es dazu, dass die Betroffene es „übernimmt“ und sich im Verlauf tatsächlich als Verursacherin seiner Misshandlungen erlebt, u.a. weil sie ihm nicht ausreichend oder nicht ausreichend guten Sex gibt.

Drohung

Häufen sich die „Neins“ der Betroffenen, fangen viele Misshandler an damit zu drohen, dass sie sich einer anderen Frau zuwenden würden. Kandidatinnen seien natürlich in hoher Zahl vorhanden via Facebook, Instagram, Tinder und co. Häufig werden an dieser Stelle verschiedene Frauen aufgeführt, die bereits jetzt innig mit ihm zu flirten versuchten.

Da das Selbstwertgefühl der Betroffenen mittlerweile deutliche Spuren der Misshandlungen zeigt und sie zudem von der Angst regiert wird, vom Misshandler verlassen zu werden, fühlt sich eine derartige verbale Bedrohung existenzbedrohlich an und führt häufig zur Einwilligung (Selbstvergewaltigung).
Gleichzeitig beginnen viele Betroffene, jede Frau im Umfeld des „Partners“ als Konkurrentin und Bedrohung wahrzunehmen. Eifersucht entwickelt oder steigert sich.

Jede Gelegenheit nutzen!

Der „Partner“ nimmt meist ausschließlich nur seine „Aushungerung“ wahr. Er ist getrieben davon, endlich Sex von ihr zu bekommen. Die Betroffene spürt den Druck. Gleichzeitig wünscht die Betroffene sich Nähe, Trost und das Gefühl der sicheren Geborgenheit. Sie wünscht es sich, von ihrem Partner in den Arm genommen und getröstet zu werden, oft auch nach Auseinandersetzungen mit dem „Partner“.
Dieser nimmt oft nur den körperlichen Kontakt wahr und sieht eine Gelegenheit, „endlich wieder Sex zu bekommen“. Insofern wird körperlicher Kontakt zunehmend schnell sexualisiert. Eine tröstende Umarmung wandelt sich binnen Minuten in einen Annäherungsversuch. Gleiches gilt für „KUSCHELN" beim gemeinsamen Fernsehen“.
Anstatt Trost und Geborgenheit zu erhalten, ist die Betroffene dadurch in die Situation gebracht, entweder dem „Partner“ zu geben was er will (Sex) oder seine sexuelle Annäherung zu stoppen. Egal wie sie sich entscheidet, ihr Bedürfnis nach tröstender Nähe wird nicht erfüllt. Stoppt sie seinen Annäherungsversuch hat er wieder einen Grund, sie anzugreifen und ihr Vorhaltungen zu machen, sie zu beschämen.

Steffi, 34 Jahre:
Ich habe beim Sex mit Männern immer wieder schlechte Erfahrungen gemacht, wurde auch vergewaltigt. Mit meinem jetzigen Freund fühle ich mich insgesamt sehr wohl. Ich fürchte mich aber trotzdem vor dem Sex und fühle mich bei erotischen Berührungen unwohl, obwohl ich ihm voll und ganz vertraue. Allein mit ihm nackt zu sein, ist nicht einfach für mich. Manchmal wird mein ganzer Körper starr und ich empfinde gar nichts mehr. Wenn ich mich dann doch mal fallen lassen kann, fange ich unweigerlich an zu weinen. Wie kann ich diese Angst besiegen und damit umgehen?

"Die Reaktionen Ihres Körpers und Ihrer Psyche bei Nacktheit und sinnlicher Berührung sind sehr nachvollziehbar. Bedrohliche Erfahrungen, die uns verletzen, demütigen und gegen die wir uns nicht zur Wehr setzen können, bleiben in unserem Gedächtnis gespeichert. Manchmal genügt nur ein einziger Reiz, um nicht nur unsere Erinnerungen an die schlimme Situation in Form von Bildern zu wecken, sondern auch automatische Gefühls- und Körperreaktionen hervorzurufen: zum Beispiel Ohnmacht, Angst, Ekel oder das Gefühl, "einzufrieren". Manche Menschen spüren bestimmte Körperregionen nicht mehr. Andere beschreiben, dass sie bei bestimmten Reizen dissoziieren, das bedeutet, ihre Wahrnehmung spaltet sich vollständig von der Situation ab. Wichtig ist, zu verstehen, dass diese automatischen Abläufe Schutzreaktionen zum Überleben in der ursprünglichen Situation waren. Als solche brauchen sie Verständnis und Würdigung. Sie können nicht mit Willenskraft übergangen oder überwunden werden. Das merken Sie selbst", Paar- und Sexualtherapeutin Angelika Eck.

Frauenhelpline gegen sexuelle Gewalt in Partnerschaften: 0800 222 555
Sie ist österreichweit - rund um die Uhr - 365 Tage im Jahr - anonym und kostenlos erreichbar.

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