Corona-Impfung
Chaos bei Impfung von dementer Oma (90)
Der Corona-Impfstart in Korneuburg war holprig. Auf Kontrollen wurde dabei teilweise verzichtet.
BEZIRK KORNEUBURG | BEZIRK KLOSTERNEUBURG. Sophie (Name geändert) ist erleichtert: Als sich am 10. 2. erstmals das Anmeldefenster für eine Corona-Impfung in Niederösterreich öffnet, ergattert sie einen Impftermin für ihre 90-jährige Oma. Da es in Klosterneuburg zu diesem Zeitpunkt noch keine Impfstelle gab, entschied sie sich für einen Arzt im Bezirk Korneuburg. Die Oma ist gehbehindert, hat fortgeschrittene Demenz und wird von einer 24-Stunden-Pflegerin betreut.
Für den ersten Impftermin am 24. 2. organisiert die Enkelin einen Krankentransport des Roten Kreuzes Klosterneuburg. Dieser bringt die Oma zum Impftermin, die Enkelin fährt hinterher. Alle geforderten Unterlagen hat sie mit: E-Card, Ausweis, Impfticket, Aufklärungsbogen und Medikamente der Oma.
Nichts fragen, nichts sagen
Kurz vor 10 Uhr treffen Krankenwagen und Enkelin beim Arzt ein, vor der Eingangstür eine Warteschlange. Eine Angestellte der Praxis kontrolliert die Namen auf einer Liste. Die 90-Jährige muss nicht warten. Sanitäter und Enkelin dürfen sie in die Ordination bringen. Am Schalter meldet Sophie ihre Oma an. Lediglich Name, Adresse und Telefonnummer werden abgefragt – E-Card oder Ausweis nicht.
Gleich darauf dürfen Oma, Enkelin und ein Sanitäter in den Behandlungsraum. Ein Assistent fragt nach dem ausgefüllten Aufklärungsbogen und dem Impfpass. Sophie händigt diese aus. Der Arzt begutachtet das Formular, unterschreibt und legt es ab. Aufgrund von Omas Demenz konnte die Enkelin vorab nicht alle Felder ausfüllen: etwa, ob in der Vergangenheit schon einmal Impf-Nebenwirkungen aufgetreten sind.
"Nachgefragt wird nicht", erzählt Sophie. "Stimmt nicht", sagt der Arzt in seiner Stellungnahme. Ob offene Fragen abgeklärt werden müssen? „Der Arzt muss bei jeder Impfung eine Impfaufklärung machen“, heißt es dazu von der Österreichischen Ärztekammer (ÖAK).
Keine Kontrolle der Identität
Auch die E-Card wurde nicht verlangt. „Sie wird seit einem Jahr nicht mehr gesteckt, um eine mögliche Ansteckung zu verhindern“, sagt der Arzt. Das klingt durchaus nachvollziehbar. Doch die Ärztekammer sieht das anders: „Die E-Card muss vorgelegt werden. Sonst kann der Arzt gar nicht abrechnen.“ Zudem sei der Arzt verpflichtet eine Personenüberprüfung vorzunehmen, „wenn er den Patienten nicht kennt." Die Oma war dem Arzt nicht bekannt, sie war nie zuvor bei ihm.
Nachbeobachtung oder nicht?
Oma ist geimpft. Sowohl das Gesundheitsministerium als auch die Ärztekammer empfehlen eine bis zu 20-minütige Nachbeobachtungszeit. Eine Verpflichtung dazu gibt es aber nicht. Oma wird nicht nachbeobachtet. Im Gegenteil: die Ordination verweigert das und fordert die Sanitäter auf, die 90-Jährige umgehend wieder mitzunehmen. Der Arzt bestreitet das: „Nach der Impfung bleibt der Patient in der Ordination zur Nachbehandlung. Wie eine 'Verweigerung' der Nachbeobachtung genau aussehen soll, ist mir nicht klar. Wahrscheinlich hätte die Enkelin erwartet, dass man 15 Minuten vor der Großmutter sitzt und sie beobachtet."
Die Aussage des Arztes wird vom Roten Kreuz Klosterneuburg widerlegt. Der Fall wurde dokumentiert, das Vorgehen schriftlich im Einsatzbericht festgehalten, bestätigt Bezirksstellengeschäftsführer Christian Gröschl. „Wir persönlich halten uns an die Empfehlung der Nachbeobachtung. Das Team ist aber natürlich darauf vorbereitet, im Falle einer Impfreaktion sofort zu handeln", so Gröschl weiter.
Arzt ohne Einsicht
Die Ansichten der Enkelin kann der Arzt nicht nachvollziehen. Er sieht in den Aussagen "keinerlei Wahrheitsgehalt". Er erklärt sich die ganze Sache mit verletztem Stolz und wirft der Enkelin vor, "die Begleitung der Großmutter zum Impftermin als fröhliche Ausfahrt mit dem Rettungsauto" gesehen zu haben.
Wie der Arzt darauf kommen mag, die Enkelin sei überhaupt mit dem Rettungsauto mitgefahren, bleibt ungeklärt. Tatsache ist, dass der Transport natürlich nur für die Großmutter war. Enkelin Sophie ist mit dem eigenen Auto angereist. "Ich dachte, es sei besser, dabei zu sein. Für den Fall, dass es Rückfragen gibt, denn der Arzt kennt meine Oma ja nicht". Nun, Rückfragen gab es keine.
Wie der zweite Impftermin ablief, dazu kann die Enkelin nur wenig sagen. Auch diesmal brachte das Rote Kreuz die Oma zum Impftermin. Auch diesmal kam die Enkelin – mit eigenem Auto – hinterher, Aufgrund des Contact Tracing waren Begleitpersonen jedoch nicht gestattet. Sophie wartete draußen. "Es war kein Andrang wie beim ersten Mal, sondern ein konstantes Kommen und Gehen." Bleibt zu hoffen, dass die Unstimmigkeiten nur dem anfänglichen Stress der Situation geschuldet war.
1 Kommentar
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.