Filmfestival Kitzbühel

"Die kleine süße Chinesin"

Interview mit der chinesischen Schauspielerin, Regisseurin und Produzentin Ankie Lau im Rahmen des Filmfestivals Kitzbühel.

KITZBÜHEL/MÜNCHEN (navi.) Ankie Lau ist eine berühmte chinesische Schauspielerin, Regisseurin und Produzentin; bekannt ist sie im deutschsprachigen Raum für Produktionen wie „Die Einsteiger“, „Big Mäc“, „Die Supernasen“, „Das Traumschiff“, „SOKO München“, Derrick „ Ein Fall für Zwei“.
Sie wurde von Thea und Thomas Gottschalk zur „kleinen süßen Chinesin“ getauft.
Jüngste Trophäen: der Hollywood Film Fest ICON Award 2023 und der Asia Pacific International Film Festival Award „Best Hong Kong Feature Film of the Year”.

MEINBEZIRK: Was hat Sie inspiriert, Schauspielerin und Regisseurin zu werden, und
warum sprechen Sie so gut Deutsch?

ANKIE LAU:  „Mein Deutsch habe ich am Goethe-Institut in Hongkong gelernt, bevor ich
nach Düsseldorf zog, um an der Hochschule für Musik und Tanz Multimedia und Werbung zu studieren. Nebenbei arbeitete ich in einer Werbeagentur. Eines Tages kam ein Filmproduzent in die Agentur. Er war auf der Suche nach einer Schauspielerin und fragte mich: 'Können Sie schauspielern? Sind Sie Asiatin?' Mit einem entschlossenen 'Jawohl!' antwortete ich und
ahnte nicht, dass dieser Moment mein Glücksgriff werden würde, der mir eine Rolle in einer deutschen Fernsehproduktion einbrachte. Dadurch verbesserte ich meine Deutschkenntnisse, weil ich Drehbücher und Texte auswendig lernen musste. Meine Schauspielausbildung begann ich bereits in Hongkong, wo ich mit 17 Jahren in mehreren Kinofilmen und TV-Serien mitwirkte, bevor ich mein Studium in Deutschland aufnahm.“

 Warum haben Sie in Deutschland studiert?
„Ich liebe die deutsche Sprache, und die besten Autos sind schließlich Mercedes-Benz, BMW und Porsche. Meine zwei jüngeren Brüder haben ebenfalls in Deutschland studiert. Ein sehr wichtiger Punkt ist, dass das Studium in Deutschland kostenfrei ist, während das Studieren in England, den USA oder zu Hause sehr teuer ist.“

Kommen Sie aus einer Schauspielerfamilie?
„Nein, überhaupt nicht. Ich bin die einzige Schauspielerin in meiner Familie. Das ist eine interessante Geschichte, denn mein Vater hat mir immer gesagt, dass ich als Schauspielerin geboren wurde. Eigentlich wollte ich immer Opernsängerin werden und war im College bei der Drama-Gruppe die Obfrau. Nach meinem ersten Erfolg in Deutschland entdeckte ich meine Leidenschaft für die Schauspielerei.“

 Sind Sie zum ersten Mal beim Filmfestival in Kitzbühel?
„Ich liebe und kenne Kitzbühel seit vielen Jahren. Vor langer Zeit hat man mir einen Tipp gegeben, dass ich zu Weihnachten unbedingt nach Kitzbühel kommen muss. Bei einem Filmfestival habe ich hier den berühmten Filmproduzenten Eberhard Junkersdorf getroffen, der mich zum Lunch auf einer Berghütte eingeladen hat. Von da oben sieht man wie traumhaft
Kitzbühel ist! Vor zwei Jahren war ich hier beim Filmfestival in der Jury dabei.“

 Wie sind Ihre neuen Projekte?
„Ich habe während der Pandemie an einem Science-Fiction-Drehbuch gearbeitet, das ‚100 Sekunden‘ heißt. Es handelt von der Liebe und dem Chaos im Leben eines Mädchens namens Gisela.“

Kommen Sie gut voran mit dem Projekt?
„Ja, das Drehbuch ist fertig geschrieben. Ich habe die Ideen und die Inszenierung bereits im Kopf und plane die Dreharbeiten in Deutschland, Tirol, Hongkong, China und Amerika zu machen. Es wird ein großes Projekt!“

Was sind die größten Herausforderungen, mit denen Sie als Regisseurin konfrontiert werden?
„Ich habe im Hollywood-Reporter gelesen, dass nur 11 % der Regisseure der Welt Frauen sind. Dementsprechend bin ich glücklich, dass ich aus Hongkong komme, wo Männer und Frauen gleichbehandelt werden. Ich hatte sehr liebe Eltern, die mich immer unterstützt haben und stark an mich geglaubt hatten.“

 Was ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Schauspielern und dem Team?
„Das hängt davon ab, wie man mit anderen umgeht und wie man sie für das Projekt gewinnt. Den ersten Chinesen, der einen Oscar für die beste Kamera erhielt, habe ich sofort kontaktiert und ihm gesagt: 'Hey, hallo, morgen unterschreiben wir den Vertrag.' Um gute Leute zu gewinnen, muss man schnell sein und Entscheidungen treffen können. Ein starkes Team, eine gute Kamera, eine gute Regie und leidenschaftliche Schauspielerinnen und Schauspieler sind wichtig. Bevor ich Produzentin wurde, war ich im Filmeinkauf tätig. Als ich nach Deutschland kam, entdeckte ich einige talentierte Schauspielerinnen und Schauspieler. Manchmal hatten
wir Glück, und sie wurden bekannt.“

 Wie wichtig ist für Sie das Feedback von Zuschauern und Kritikern?
„Es ist sehr wichtig, weil wir Filme für die Menschen machen. Wir sollten weiterhin lernen und die Kritik ernst nehmen. Man sollte dankbar sein, wenn jemand Wahrheit oder Ehrlichkeit zeigt.“

Gibt es eine bestimmte Rolle oder einen Film, der Sie besonders geprägt hat?
„Ich liebe den Film ‚Der Unsichtbare‘ von der Berliner Filmhochschule. Die Studierenden sind besonders intelligent und kreativ. Meine Figur war eine Prinzessin auf dem Mars. Mein Vater war Udo Kiel, und die Rolle war sehr lustig. Ich habe diese Erfahrung sehr genossen.“

Wie verbringen Sie Ihre Zeit, wenn Sie nicht arbeiten? Was sind Ihre Hobbys?
„Mein Hobby ist meine Familie und meine Freunde. Ich mache keinen Urlaub, nicht einmal an meinem Geburtstag oder am Wochenende. Ich arbeite jeden Tag und habe keinen Feierabend. Ich genieße die Zeit, die ich mit Essen verbringe, und ich koche sehr gerne. Wenn ich meine Freunde treffe, ist das für mich wie Urlaub.“

Was würden Sie jungen Schauspielerinnen und Regisseuren empfehlen, die
in diese Branche einsteigen möchten?
„Es ist wichtig, seine Träume nicht aufzugeben. Wenn jemand Schauspieler werden möchte, sollte er dranbleiben. Es ist ein harter Weg. Es geht nicht nur um Talent, sondern auch um Glück und die Möglichkeit, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Ich war in Hollywood, um Schauspielerei zu lernen, und im Unterricht erhielten wir ein Blatt mit Wörtern wie 'glücklich', 'traurig' und 'Enttäuschung'. Diese Emotionen sind vielfältig. Bist du glücklich? Ja, wenn man eine alte Freundin trifft oder mit jemandem tanzt, sind das ganz unterschiedliche Gefühle. Jeder Text ist voller Bedeutung und Gefühl, und man muss als Schauspieler sein Handwerk gut beherrschen. Unsere Professoren sagen, dass man sogar das gesamte Drehbuch lesen sollte, auch wenn man nur einen Satz im Film spricht. Viele Schauspieler vergessen jedoch ihren eigenen Text, weil sie keine Zeit haben, sich mit der Geschichte vertraut zu machen. Die Schauspieler sollen tief in die Gefühle eintauchen können. Deshalb sollte man auch Sport treiben, sei es Tanzen, Yoga oder andere Sportarten. Dein Körper muss mit deinem Geist im Einklang stehen, und du musst mit deinem Text und deinem Hintergrund harmonieren. Nur dann wirst du ein großartiger Schauspieler.“

Wie sehen Sie die Zukunft des Kinos in unserer heutigen Zeit mit Streaming?
„Ich hoffe, es werden mehr Menschen wieder ins Kino gehen. Eine gute Geschichte im Kino zu erleben, ist etwas Besonderes! Du wirst nicht gestört und kannst in das Geschehen tief eintauchen. Im Filmtheater herrscht eine gemütliche Atmosphäre: bequeme Sitze, Dolby Surround. Es ist ganz anders, Fast Food zu essen oder in einem Fünf-Sterne-Restaurant zu speisen! Ich hoffe, die Menschen erkennen das.“

Welchen Einfluss hat deine kulturelle Herkunft auf deine Arbeit?
„Ich bin dankbar für meine chinesische Herkunft. Ich bin in Hongkong geboren und dort aufgewachsen, was mir eine reiche Vielfalt an internationalen Einflüssen geschenkt hat. Unsere Kultur ist 5.000 Jahre alt, und das Wissen, das wir daraus schöpfen, ist sehr wertvoll. Diese Philosophie kann man nicht einfach ignorieren, denn sie ist nach wie vor relevant. Die Kultur und die Philosophie haben einen wichtigen Einfluss auf mein Verständnis der Welt. Wie ein altes chinesisches Sprichwort sagt: 'Die Reise von tausend Meilen beginnt mit einem einzigen Schritt.' Diese Weisheit erinnert uns daran, dass jede Erfahrung, jede Kultur und jedes Wissen, das wir sammeln, uns auf unserem Lebensweg bereichert und voranbringt.“

Vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Gedanken!