Ein Tal rüstet sich für die Zukunft
Mit einer Marketing-Initiative sagen die Betriebe im Steyrtal der steinigen Zukunft den Kampf an.
GRÜNBURG, MOLLN, STEINBACH/STEYR (wey). 2008 gab es in Molln und Grünburg insgesamt sieben Bäcker und einen Fleischhauer. Heute sind davon vier Bäcker übriggeblieben, den Fleischhauer gibt es nicht mehr. In anderen Branchen wie dem Lebensmittel-Einzelhandel oder der Gastronomie schaut es ähnlich aus. Mit der Marketing-Initiative „Nahversorgung Steyrtal“ sagen die drei Gemeinden Grünburg, Molln und Steinbach/Steyr der negativen Entwicklung den Kampf an. Projektpartner sind das Regionalmanagement OÖ, der Erlebnismarkt Molln-Leonstein und die Wirtschaftskammer Kirchdorf. „Es geht um keine Schreibtischgeschichte, sondern um ein Projekt, das den Betrieben nützen soll“, erklärt Siegfried Pramhas, Bezirksstellenleiter der Wirtschaftskammer Kirchdorf. „Produkte und Dienstleistungen der Steyrtaler Betriebe sollen in das Rampenlicht gestellt werden.“ Es geht um die Sicherung der Nahversorgung, aber auch um Arbeits- und Ausbildungsplätze in der Region.
Projekt startet im Mai
Das Projekt soll im Mai starten und läuft bis Ende 2014. Mehr als 40 von aktuell 361 aktiven Betrieben haben sich bereits angemeldet. Sie sollen von zahlreichen Image-, Marketing- und Kundenbindungsmaßnahmen profitieren. „Geplant sind unter anderem Transparente, Plakataktionen, eine vierteljährliche Infobroschüre und ein gemeinsamer Internetauftritt. Die bestehende Regionalwährung ‚Der Steyrtaler’ soll aufgewertet werden. Mit den ‚Steyrtaler Vorteilstagen’, Rubbellosen et cetera wollen die Betriebe ihre Beziehung zu den Konsumenten intensivieren“, sagt Alois Aigner, Regionalmanager für Kommunales und Wirtschaft von der Regionalmanagement OÖ GmbH (RMOÖ).
„Das Interesse der Betriebe ist groß“, freut sich Siegfried Pramhas. „Sie sind bereit, Verantwortung für den Lebensraum Steyrtal zu übernehmen. Gemeinsam mit den drei Gemeinden wird sichtbar gemacht, welche tollen Dienstleistungen und Produkte von den Steyrtaler Betrieben angeboten werden.“
Die Ziele sind ehrgeizig: Man erhofft sich sowohl eine Umsatzsteigerung als auch einen Anstieg der Kundenfrequenz um bis zu 10%. Durch das gemeinsame Marketing sollen die Kosten für den einzelnen Betrieb sinken. Darüber hinaus geht es den Projektpartnern um eine Bewusstseinsbildung für die Qualität der Produkte. Die Unternehmen selbst wollen in Zukunft verstärkt an einem Strang ziehen, Synergien nützen und enger zusammenarbeiten.
„Chancen im städtischen Bereich sind größer“
GRÜNBURG (wey). „Die Zukunft wird anders“, sagt Werner Beutelmeyer, Geschäftsführer des Linzer Marktforschungsinstituts „Market“. Er war als Gastreferent zur Projektpräsentation eingeladen und brachte die Herausforderungen für Landgemeinden auf den Punkt: „Der ländliche Raum ist der Globalisierungsverlierer. Die Chancen sind im städtischen Bereich größer als am Land.“
Im Jahr 2011 verzeichneten die Steyrtalgemeinden Molln, Grünburg und Steinbach an der Steyr rund 12.000 Nächtigungen. Eine Studie der OÖ. Landestourismusorganisation aus dem Jahr 2010 ergab, dass pro Jahr mehr als 2,5 Millionen Ausflugsgäste den Bezirk Kirchdorf besuchen. Das Potenzial für die ansässigen Betriebe ist demnach groß.
Dennoch weiß Werner Beutelmeyer: „Es gibt einen Trend zur Folklorisierung. Die Städter sagen: ‚Das Naturerlebnis ist geil.’ Gleichzeitig denken sie sich: ‚Gut, dass ich hier nicht arbeiten muss.’ Es gibt viel zu tun.“
Stimmen zum Nahversorger-Projekt:
Siegfried Pramhas, WKO Kirchdorf: „Die aktuellen Wirtschaftsdaten sind nicht schlecht, regen aber zum Nachdenken an. In Zeiten der Mobilität und der demografischen Entwicklung wird der Verdrängungswettbewerb im ländlichen Raum immer stärker. Daher müssen die unternehmerischen Leistungen noch sichtbarer gemacht werden. Die Betriebe setzen jetzt gemeinsam ein Zeichen.”
Alois Aigner, Leiter RMOÖ-Geschäftsstelle Steyr-Kirchdorf: „Die Unternehmer können den regionalen Konsumenten langfristig nur mit kompetenter Beratung und freundlicher Bedienung für das Einkaufen vor Ort begeistern. Die Marketinginitiative bietet den Betrieben die Chance, das Bewusstsein für flächendeckende Nahversorgung zu schärfen und den Steyrtalern das Angebot nachhaltig und emotional näherzubringen.”
Christian Dörfel, Landtagsabgeordneter und Bgm. von Steinbach: „Ich kann es nur jedem empfehlen, bei der Marketinginitiative für die Betriebe in den drei Steyrtal-Gemeinden mitzumachen. Wir müssen darauf schauen, dass die eigenen Leute aus der Region bei uns einkaufen. Wenn sie jedoch gar nicht wissen, was es hier alles gibt, wird es schwierig werden. Mit der Initiative soll auch die ‚Marke Steyrtal’ weiter geprägt werden.”
Gerald Augustin, Bürgermeister Grünburg: Wir befinden uns nicht im Speckgürtel und können beispielsweise nicht auf Teufel komm heraus Baugründe umwidmen. Wir müssen vielmehr bestehende Betriebe so unterstützen, dass es Zuzug gibt. Es geht auch um die Bewusstseinsbildung. Wie der finanzielle Beitrag der drei Gemeinden für die Initiative aufgeteilt werden soll, wird noch spannend werden."
Renate Rettenegger, Bürgermeisterin Molln: "Wir sorgen uns um die Kaufkraft und wollen die Betriebe unterstützen. Ich stehe voll hinter dem Projekt. Einkaufszentren mit Billiggeschäften wären allerdings kontraproduktiv. In Molln befinden sich große Betriebe; über den finanziellen Beitrag der einzelnen Gemeinden wird man noch sprechen müssen."
Gerhard Klaffenböck, Geschäftsführer Raiffeisenbank Molln-Leonstein: "Es ist toll, dass alle drei Gemeinden an einem Strang ziehen. Man muss auch nicht alles neu erfinden, sondern sollte auf Vorhandenes setzen."
Karl Schwarz, Musikhaus Schwarz Molln: "Das Projekt ist eine einzigartige Chance für die Betriebe. Viele Bewohner wissen gar nicht, was es alles gibt."
Andreas Rosensteiner, Fa. Rosensteiner Steinbach/Steyr: "Auch die Unternehmen in der Region kennen sich untereinander nur wenig. Obwohl 98% unserer Produkte den Bezirk verlassen, werden wir uns aus Solidarität den dem Projekt beteiligen."
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