Fürstenfeld schluckt Söchau:
Plötzlich und unerwartet verstorben: Söchaus Eigenstädigkeit
Erste Berichte von der Bürgerversammlung vom 28.8.2024 über die geradezu überfallsartig in Gang gesetzte Fusionierung von Söchau mit Fürstenfeld, wegen der in den vergangenen Jahren durch den ÖVP geprägten Gemeinderat angesammelten Schulden von 3,5 Millionen Euro bestätigen, ja übertreffen sogar die schlimmsten Befürchtungen: Es waren zwar viele Menschen gekommen, einige mutige Söchauer*innen meldeten sich kritisch zu Wort, dennoch kamen vom anwesenden Fürstenfelder Bürgermeister Franz Jost nur Beschwichtigungen und schöne Versprechen.
Das Gemeindeamt solle als reine Servicestelle bestehen bleiben, aber mit Personal ohne hoheitlichen Funktionen zur Erledigung von Amtsgeschäften wie zum Beispiel beim Neu- oder Umbau des Eigenheims. Wer also von der Gemeinde als Amt etwas braucht muss in Zukunft nach Fürstenfeld pilgern. Ob davon auch Meldebestätigungen und Wohnsitzmeldungen betroffen sein werden, ist unserer Redaktion nicht bekannt.
Das Defizit von 90.000 Euro jährlich beim Schwimmbad sei für Jost kein Problem, der Weiterbetrieb des Bades sei gesichert, so keine kostenintensiven Instandsetzungsmaßnahmen von Nöten seien.
In den ersten fünf Jahren solle für Söchauer Belange 1 Million der erwarteten Mehreinnahmen durch die Fusion von rund 1,35 Millionen zur Verfügung stehen. Dieses Geld ginge allerdings wohl in erster Linie zur Abdeckung der Schulden drauf. Und was ist danach?
Bei all den vielen schönen Versprechungen vom blauen Himmel herab stellen sich grundsätzlich folgende Fragen: Wie kann ein Bürgermeister gewichtige Finanzierungszusagen machen, wenn das Gemeindebudget jährlich vom Gemeinderat zu beschließen ist und der Bürgermeister selbst dabei gar kein Stimmrecht hat? Und: Warum weiß das anscheinend niemand in der Bevölkerung? Wurden wir von der Erziehung und Politik unwissend gehalten?
Gewerbeansiedlungen sieht Franz Jost keine für Söchau vor, es gibt ja das Gewerbegebiet in Fürstenfeld. Und schließlich rechnet man in Fürstenfeld mit rund 1.000 neuen Arbeitsplätzen. Dafür soll Söchau als Wohnort positioniert werden und neue Wohnbauten bekommen. Was für ein wunderbarer Zufall, dass der Fürstenfelder Bürgermeister auch noch Firmengründer und Geschäftsführer des Fürstenfelder Immobilienfirma Connexa und mit dieser der Platzhirsch in Fürstenfeld ist.
Was von der Söchauer Bevölkerung auch nicht gesehen wird: als solches ist er "Oberbefehlshaber" des Bauamts. Freilich hat nicht gerade jeder etwas mit dem Bauamt zu tun, aber das kann sich schnell ändern, wenn z.B. gesetzliche Vorgaben, Eingaben von Nöten machen, weil man Abnahmeprotokolle für die Gewährung von Bausubventionen oder dgl. braucht. Nicht alle bautechnischen Belange ziehen zwar eine Baugenehmigung nach sich. Die weit öfteren Belange betreffen die Meldung von von baulichen Änderungen, überdachten Stellflächen, etc.
Viele Fragen blieben unbeantwortet, weil mensch bei dieser resolut durchgezogenen "Bürgerversammlung" gar keine Zeit fand, sich Fragen zu überlegen. Wie denn auch, wenn mensch kaum etwas über die Tragweite des nur in den schönsten Farben geschilderten Beschlusses der Oberen erfährt. Vor allem nicht was nach 5 Jahren passiert.
Da bleibt mensch fassungslos zurück, wenn einem nur die üblichen Beschönigungsworte von den Politikern aufgetischt werden? Ohne, dass zum Beispiel unabhängige Experten aufgrund einer vorher gemachten Analyse den Istzustand, die zu treffenden Maßnahmen und die Aussicht bei Fusionierung präsentiert. Eine Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile der verschiedenen Möglichkeiten sollten für alle sichtbar gemacht werden als Basis einer wirklich informierten Entscheidung.
Die große Überraschung kam, als die weitere Vorgangsweise offen gelegt wurde: Da nächstes Jahr Gemeinderatswahlen seien, wolle man das Ganze raschestmöglich durchziehen und hätte keine Zeit für die noch am 23. August via Regionalzeitung in Aussicht gestellte Bürgerbefragung.
Gleich nächste Woche, am Mittwoch 5.9.2024 soll die Fusion sowohl im Fürstenfelder als Söchauer Gemeinderat beschlossen werden.
Die durch die Verfassung gesicherte Autonomie der Gemeinden wird ja oft als große Errungenschaft dargestellt, dass die Bürger lokal etwas mitzureden hätten. Aber wer weiß schon, dass sogar der Verfassungsgerichtshof einfach so meint, es gäbe für Gemeinden - die Zelle der politisch organisierten Gesellschaft sozusagen - "kein Recht auf ungestörte Existenz".
Die von der per brutaler Überrumpelungstaktik aufgezwungenen Fusionierung betroffene Bevölkerung wird also als passives Stimmvieh behandelt, das zwischen den Wahlen nichts mitzureden hat. Wer sich die Protokolle der Sitzungen des Fürstenfelder Gemeinderates durchliest wird feststellen, dass die bereits angeschlossenen Ortschaften wie Altenmarkt, Hartl, Stadtbergen oder Übersbach gar nicht mehr als eigenständige politische Subjekte vorkommen.
So ist das leider mit uns Krähwinklern (Nestroy schau owi): Bevor mensch Verantwortung für das eigene Handeln, oder besser für das eigene Nichttun übernimmt, ist es viel einfacher, die persönliche Verantwortung an die übergeordnete Instanz, den großen Bruder oder sonstigen scheinbaren Retter von Außen abzugeben.
Gegen die strukturellen Benachteiligungen kleinerer Gemeinden durch den Finanzausgleich sowie der Aufbürdung zahlreicher neuer Aufgaben oder immer komplizierterer Gesetze ohne Gegenfinanzierung muss mensch leider auch selbst aktiv ankämpfen und zwar als ganze Bevölkerung! Mit paternalistischer, passivierender Schönredepolitik, mit der die realen Herausforderungen verdrängt werden, ist keine Zukunft mehr zu machen.
2018 wurde noch "mit Pauken und Trompeten" das 800 Jahr Jubiläum gefeiert, nur sechs Jahre danach wird nun also binnen weniger Wochen ohne echte Diskussion mit den Bürger*innen, ohne vorherige Analyse und ohne ein schriftliches Zukunftskonzept die eigene Selbständigkeit aufgegeben.
Korrekturen am 1.9.2024
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