Tipps für Eltern: Gut vorbereitet auf das Zeugnis
Wie Eltern auf schlechte Noten reagieren und den Zeugnistag dennoch feiern können. Ratschläge vom Psychologen.
Eines vorweg: Mehr als 60 Prozent der Kinder freuen sich auf ihr Zeugnis. Am Beginn der Volksschule sind es sogar 90 Prozent.
Festzuhalten ist auch: Größere Angst vor dem Zeugnis als die Kinder haben wir Eltern. Studien zeigen, dass Eltern viel überraschter über eine nicht so gute Note sind.
Warum die Aufregung? Was ist ein Zeugnis? Ein Zeugnis ist eine Leistungsbeurteilung und keine Persönlichkeitsbeurteilung. Leider werden in großer Emotionalität oft unreflektierte Persönlichkeitsaussagen getroffen, auch von uns Eltern. „Du bist dumm“, heißt es dann. Aber ein Zeugnis gibt keine Auskunft über Klugheit oder Dummheit, sondern über die Leistung – zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Die Bedeutung des Zeugnisses
Psychologische Untersuchungen zeigen: Wenn das Zeugnis in Verbindung mit der Persönlichkeit gebracht wird, hat es massive Auswirkungen auf den Selbstwert. „Ich kann nicht“, „Ich bin nicht…“ „Ich bin ein Superstar“. Meistens sind die Auswirkungen negativ, da die persönlichkeitsbezogenen Schlussfolgerungen eher bei schlechten Zeugnissen stattfinden.
Trennen Sie also immer: Zeugnisse sind eine Leistungsbeurteilung, unabhängig von der Persönlichkeit Ihres Kindes! Und: Ein schlechtes Zeugnis sollte keine Überraschung sein, wenn wir Eltern mit Lehrern kommunizieren.
Tipps für Eltern
Das können Sie tun, um den Zeugnistag zum Erfolgstag zu machen.
1.) Sorgen Sie für ein gutes, wertschätzendes Familienklima, das die Stärken der Familienmitglieder wahrnimmt und akzeptiert. Kommunizieren Sie aktiv, fokussiert auf das Positive.
2.) Feiern Sie den Zeugnistag auf jeden Fall! Er ist ein besonderer Tag, er ist der Abschluss eines Abschnittes und dieser verdient ein würdevolles Begehen. Ein kleines Essen, ein kleiner Ausflug, etc.
3.) Schauen Sie sich dann gemeinsam das Zeugnis an und bemerken Sie zunächst wieder die positiven Dinge. Was nicht so gut gelaufen ist, bemerken Sie auch und heben es sich für eine spätere Diskussion in guter Stimmung auf!
4.) Drohen Sie nicht, sondern ermutigen Sie! Drohungen schüchtern ein und zerstören Ihren Selbstwert und jenen des Kindes. Versichern Sie Ihrem Kind, dass Sie immer hinter ihm / ihr stehen.
5.) Lassen Sie Ihr Kind die Situation der nicht so gut gelaufenen Dinge selbst einschätzen. Dies bietet eine gute Voraussetzung für eine konstruktive Ursachenanalyse. Woran liegt es? Wurde zu wenig gelernt? Wie wurde gelernt? Wie funktioniert die Kommunikation mit der Schule? Wie wird das Lernen erlebt?
6.) Nehmen Sie die Potenziale und Leidenschaften Ihres Kindes wahr, um dort ansetzen zu können! So können Sie ihm begegnen, es begeistern. Mit „Du musst, ansonsten …“, funktioniert nichts.
7.) Holen Sie sich Unterstützung von außen, Menschen, die Ihnen Bestand leisten! Suchen Sie auch den Kontakt zu den Lehrenden!
8.) Formulieren Sie für das Lernen kleine Ziele und stellen Sie nicht das große Ziel vorne weg! Sorgen Sie für klare Strukturen! Loben Sie kleine Erfolge, anstatt das nicht erreichte Große zu kritisieren!
9.) Nehmen Sie sich Zeit, um das Lernen zu reflektieren! Der beste Weg heißt: begegnen, inspirieren begeistern. Dann aber auch: üben, üben, üben und dies in kleinen Portionen. Die Herausforderung ist Ihrem Kind als Unterstützer und nicht als Antreiber zu begegnen. Inspiration und Begeisterung sind die besten Dünger für erfolgreiches Lernen.
DER EXPERTE
Dr. Philip Streit ist Psychologe, Psychotherapeut und Lebens- und Sozialberater.
Seit 20 Jahren leitet er das „Institut für Kind, Jugend und Familie“ in Graz, das größte Familientherapiezentrum der Steiermark.
www.ikjf.at oder per Tel.: 0316/77 43 44
In der „WOCHE“ beantwortet er wöchentlich eine Frage zu Erziehung und Beziehung. Ihre Anregungen können Sie an die Redaktion schicken:
elisabeth.poetler@woche.at
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