„Ich bin gerne ein Pionier“
Warum Doraja Eberle nach sieben Jahren genug von der Politik hatte und wieso sie nicht bei der SPÖ ist
Frau Eberle, Sie sind vor fünf Wochen als Landesrätin zurückgetreten – geht Ihnen die Politik schon ab?
DORAJA EBERLE: „Die Politik gar nicht, das Umfeld schon. Und damit meine ich: jeden Tag zu wissen, wofür man aufsteht, das ganze Team, Verantwortung auf hohem Niveau und eine große Herausforderung.“
Bringt ein Rückzug aus der Politik auch Eifersucht mit sich – wenn man sieht, dass jetzt jemand anderer diese Herausforderung angenommen hat?
DORAJA EBERLE: „Es hat mir einen Stich gegeben, zu sehen, wie schnell mein Name an der Tür weg war. Nach meinem Rücktritt in der Landtagssitzung bin ich ins Büro gegangen, weil meine Tasche noch dort war – da war mein Name schon weg. Eifersucht ist das falsche Wort, aber es war ein komisches Gefühl. Es war ein bisschen wie eine Watsch‘n; eine harte, aber gute Form von Abnabelung.“
Als Politikerin haben Sie Pressekonferenzen anfangs gefürchtet – aus Angst, vielleicht einmal keine Antwort auf eine Frage zu wissen. Heute sagen Sie, Journalisten sind gar nicht interessiert daran, die Dinge genau zu hinterfragen. Welche Frage ist Ihnen abgegangen?
DORAJA EBERLE: „Keine bestimmte, am ehesten die nach dem Warum. Ich habe oft quergedacht, aber warum ich das getan habe, hat niemanden oder fast niemanden interessiert. Jeder Politiker wird von den Journalisten in ein Kastl, eine Schublade gesteckt – und das war es dann.“
Eine Warum-Frage: Warum sind Sie bei der ÖVP?
DORAJA EBERLE: „Ja, warum bin ich nicht bei der SPÖ oder den Grünen? Ich habe einmal zu LH Burgstaller gesagt, ‚Gabi, wenn dein Programm besser ist, dann wechsle ich auch.‘ Aber ich sehe doch, dass es nicht besser ist. Ich spüre bei der ÖVP Begeisterung und Zusammenhalt, auch wenn mich manches anstinkt. Aber es lohnt sich, dafür zu rennen.“
Zu Ihrem Rücktritt: Sie waren – sind – bei den Menschen sehr beliebt, waren aber nicht auf ein Gehalt als Landesrätin angewiesen. Hat Sie die Politik zuletzt angewidert?
DORAJA EBERLE: „Vieles und sehr oft – nicht fachlich oder inhaltlich, aber der Umgang miteinander in der Politik. Die Wadlbeißerei steht vor dem Handschlag. Und der tägliche Ablauf, alleine unsere Sitzungskultur ist wider meine Natur. Ich bin es gewohnt, klar, schnell und strukturiert zu arbeiten. Und dann sitzen wir stundenlang in Verhandlungen und bringen nichts weiter. Ich bin nicht fürs Sitzen gemacht. Das hat mich oft angewidert. Und zum Finanziellen: Diese 6.000 Euro, die nach allen Abzügen übrig bleiben, habe ich jetzt nicht mehr. Ich habe Kinder, die in der Ausbildung stecken – da werde ich auch zurückstecken müssen. Aber wegen des Geldes geht man nicht in die Politik – das kann ich zumindest nur hoffen.“
Wenn Sie nicht fürs Sitzen gemacht sind – was machen Sie jetzt die ganze Zeit?
DORAJA EBERLE: „Ich wurschtle, ich habe noch keinen richtigen Alltag. Mein Adrenalinspiegel ist von 1.000 auf 100 heruntergesunken, ein Friseurtermin ist derzeit so ziemlich das Aufregendste in meinem Kalender.“
Dann muss ich direkter fragen: Was ist die neue große Herausforderung, von der Sie bei Ihrer Rücktrittsverkündigung gesprochen haben?
DORAJA EBERLE: „Es geht in eine soziale Richtung und es ist international. Mehr kann ich aber nicht verraten, weil diejenigen, um die es geht, noch gar nichts davon wissen.“
Sie sägen also am Sessel einer Person, die davon nichts weiß?
DORAJA EBERLE (lacht): „So ähnlich, nur dass mir diese Person den Sessel selbst angeboten hat.“
Eine Funktion bei der UNO?
DORAJA EBERLE: „Nein. Die UNO hat in Srebrenica kläglich versagt, für die würde ich nie arbeiten. Es ist nicht die UNO und es ist nicht das Rote Kreuz. Mehr will ich dazu aber nicht sagen.“
Was reizt Sie daran, noch einmal etwas ganz Neues zu machen?
DORAJA EBERLE: „Ich bin sehr gerne ein Pionier, das war bei Bauern helfen Bauern so und das war ich – zumindest was die aktuelle Kultur angeht – auch in der Politik. Und ich bin genau im richtigen Moment gegangen. Ich bin bis zum letzten Tag immer mit Begeisterung ins Büro gegangen, aber ich hätte mich dort nicht weiterentwickelt. Und ich habe gespürt, dass man leicht zum Hams-ter im Rad wird und es erfordert viel Kraft, das auszuhalten. Und auch wenn ich meine Entscheidung schon davor getroffen habe: Mit dem Tod meiner Mutter und meiner Schwester ist mir etwas von dieser Kraft weggestorben.“
Wen sehen Sie noch im Hamsterrad?
DORAJA EBERLE: „Uns Regierungsmitglieder, einschließlich mir. Ich habe mich getrieben gefühlt, mit dem Rücken zur Wand. Wir wissen, dass das Land an die Wand gefahren wird, aber wir sitzen da und trinken Kaffee.“
Ist Politik unmenschlich?
DORAJA EBERLE: „So wie sie jetzt ist, ja. Die Kommunikationsflut erschlägt einen, jeder will etwas, keiner sagt einfach nur ‚Grüß dich!‘. Mit viel Disziplin kann man das eine Zeitlang aushalten, aber man kann nicht legislaturperiodenlang tausend Prozent geben. Und noch einmal: Der Zeitpunkt war der richtige, denn wer den Stoppknopf im Hamsterrad nicht mehr findet, für den gibt es außerhalb dieses Rades auch nichts mehr.“
Interview: Stefanie Osman-Schenker
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