Sexuelle Identität als Fluchtgrund: "Queer Base" bietet Beratung
Viele Menschen müssen wegen ihrer sexuellen Identität flüchten. Die "Queer Base" in Mariahilf bietet Beratung und ist damit die einzige deratige Anlaufstelle, auf der gesamten "Balkanroute".
Fedaa Alarnaoot ist im April 2015 aus Syrien nach Wien gekommen. Wie so viele Menschen aus dieser Region musste er sein Heimatland, seine Familie verlassen. Seine Mutter lebt nach wie vor in Syrien, Fedaa lebt in Mariahilf. Dort geht er auch seiner Arbeit nach. Fedaa arbeitet in der "Queer Base", einem Verein, der Menschen unterstützt, die aufgrund ihrer Sexualität flüchten mussten.
Die Wiener "Queer Base" ist nicht nur innerhalb Österreichs die einzige Organisation, die als Ansprechpartner für lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intersexuelle Menschen auf der Flucht (LGBTIQ-Refugees) fungiert, genau genommen ist sie die einzige auf der sogenannten "Westbalkanroute".
Angst vor homophoben Übergriffen
"Vor rund zwei Jahren sind die Probleme für schwule, lesbische und transsexuelle Flüchtlinge in den Unterkünften immer schlimmer geworden", beschreibt Marty Huber den Zeitpunkt, an dem die "Queer Base" ihre Arbeit aufgenommen hat. Es gebe große Angst vor homophoben Übergriffen. Die Menschen hätten deshalb oft die Unterkünfte verlassen. Die zugewiesene Unterkunft zu verlassen, bedeutet aber auch, aus der Grundversorgung hinauszufallen – also mittel- und obdachlos zu sein.
Die "Türkis Rosa Lila Villa" – kurz "Villa" – das Community-Zentrum für Lesben, Schwule und Trans*Personen an der Linken Wienzeile, wurde schnell zur ersten Anlaufstelle für diese Menschen. "Kurzfristig konnten wir den Menschen hier Quartier geben, dass das längerfristig nicht funktioniert, war aber auch klar", sagt Huber, die eigentlich aus dem Kunst- und Kulturbereich kommt und seit 20 Jahren in der "Villa" aktiv ist.
Asylverfahren: lange Wartezeiten
Vor allem Wohnraum zu schaffen, in dem sich die Betroffenen sicher fühlen können, stand und steht im Zentrum der Aktivitäten der "Queer Base". In Kooperation mit der Diakonie werden Quartiere, hauptsächlich Wohngemeinschaften, für LGBTIQ-Flüchtlinge geschaffen.
Auch Fedaa lebt in einer WG. Er hatte "unglaubliches Glück", wie er selbst sagt. Er ist in jenem Zeitfenster im Jahr 2015 nach Wien gekommen, in dem Menschen aus Syrien sehr schnell und nahezu zu 100 Prozent Asyl erhalten haben. Für Menschen, die heute nach Österreich kommen, schaut die Situation anders aus. Eine Wartezeit von 15 Monaten auf das erste Interview für das Asylverfahren sei keine Seltenheit, erzählen Marty und Fedaa. Dabei ist das Asylverfahren für Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Identität flüchten mussten, noch einmal belastender. Sie müssen im bereits im ersten Interview für das Asylverfahren den Fluchtgrund, also ihre sexuelle oder geschlechtliche Identität angeben und im weiteren Verfahren, ihre sexuelle Orientierung nachweisen – und auch, dass sie deshalb verfolgt wurden.
Und wenn man in seinem Heimatland nicht gerade am Cover eines Schwulenmagazins abgedruckt war, sind solche Beweise nicht leicht zu erbringen. Denn in Ländern, in denen Homosexualität teils sogar unter Strafe steht, wird es genauso wenig Dokumente einer Verpartnerung geben wie Fotos, Familie oder Freunde, die das Beziehungs- und Sexualleben eines Menschen bezeugen könnten. Und es ist für viele auch nicht leicht, darüber zu reden.
Community wichtig
Dass auch viele LGBTIQ-Flüchtlinge aus den Bundesländern schlussendlich in Wien landen, habe damit zu tun, dass sie hier einerseits Beratung finden, andererseits sei die Stadt einfach "offener". "Ich fühle mich sehr wohl in Wien, es ist meine Stadt", sagt Fedaa dazu. So ist die "Community", also die Gemeinschaft, ein wesentlicher Punkt für die "Queer Base". "Die Menschen sind oft traumatisiert oder depressiv. Sie haben niemanden, mit dem sie reden können", sagt Fedaa. Deshalb sind auch die Donnerstagabende, an denen man in lockerer Atmosphäre in der "Villa" zusammenkommen kann, sehr wichtig – neben der Rechtsberatung, der Unterstützung bei der Suche nach Wohnraum, aber auch den Workshops – etwa für Polizeibeamte –, die von der "Queer Base" geleistet werden.
Die Arbeit wird der "Queer Base" sicher nicht so schnell ausgehen. "Selbst wenn sich die kriegerischen Konflikte, die derzeit für große Fluchtbewegungen sorgen, entschärfen würden – für LGBTIQ-Flüchtlinge ändert das recht wenig", sagt Marty Huber. Denn sie würden in ihren Heimatländern wie etwa Russland, Tschetschenien, Bangladesch, Syrien, dem Iran, der Türkei, Uganda, Nigeria, Kamerun und vielen anderen weiterhin verfolgt.
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