Penisdouble, Teichtmeister & Co.
Ringen um Haltung beim Österreichischen Filmpreis
Der Österreichische Filmpreis stand im Zeichen einer "Kultur des Hinschauens" und wurde doch etwas von der Causa Teichtmeister überschattet. Sisi-Verfilmung "Corsage" räumte dennoch vier Auszeichnungen ab, "Vera" wurde als bester Spielfilm ausgezeichnet.
ÖSTERREICH. Im Wiener Globe in der Marx Halle wurden am Donnerstag, 15. Juni, die Austro-Oscars verliehen. Doch recht überraschend gewann der achtfach nominierte Film "Corsage" in den vier Kategorien beste Kamera (Judith Kaufmann), bestes Kostümbild (Monika Buttinger), bestes Maskenbild (Maike Heinlein, Helene Lang) und beste weibliche Hauptrolle (Vicky Krieps). Krieps bedankte sich via Videobotschaft für "die Reise" bei Drehbuchautorin und Regisseurin Marie Kreutzer.
Missbrauch: "Unser aller Problem"
Nachdem Ex-Burgtheaterschauspieler Florian Teichtmeister, der Kaiser Franz Joseph in "Corsage" spielt, der Besitz Zehntausender Dateien mit Kindesmissbrauchdarstellungen vorgeworfen wurde und nun der Prozess neu angesetzt werden muss, gab es vor der Gala eine angemeldete Demo der Initiative "Stoppt Missbrauch".
Die "Corsage"-Regisseurin, die den Preis für die abwesende Krieps entgegen nahm, gab sich ein wenig vorwurfsvoll, da die Causa Teichtmeister zu einer Causa Corsage gemacht wurde, denn (Macht-)Missbrauch gebe es überall in der Gesellschaft. "Das ist nicht das Problem von 'Corsage', auch nicht der Akademie oder der Filmbranche - das ist unser aller Problem", mahnte sie. "Je mehr, je offener, je ehrlicher wir auch in unserer Branche über Machtmissbrauch und Übergriff in und um Filmteams sprechen, je mehr der Geschichten, die wir alle kennen, werden publik werden. Das ist wichtig, und das ist schmerzhaft für viele."
Was wirklich zähle, sei der Umgang miteinander als Menschen und Kolleginnen und Kollegen, so Kreutzer und nennt weitere anonyme Beispiele. Beispielsweise habe ein Filmemacher als "Penisdouble" fungiert, da der eigentliche Darsteller die Oralsexszene nicht realistisch genug darstellen wollte. Ein anderer soll sich vor einer Maskenbildnerin selbst befriedigt haben, während ein weiterer Darsteller eine Hauptrolle bekam, obwohl zu dieser Zeit eine gerichtliche Wegweisung seiner Lebensgefährtin vorgelegen habe. Folglich sei das Zurückziehen von Förderungen, Filmpreisen oder Ausladungen nur eine Momentaufnahme und: "Wie wir als Menschen und Kolleginnen und Kollegen miteinander umgehen, das zählt."
"Kultur des Hinschauens" zum Ziel
Das Präsidentschaftsduo der Akademie des Österreichischen Films, Verena Altenberger und Arash T. Riahi, stellte klar:
"Aber wir bewegen uns, arbeiten, ringen um eine Haltung, um Solidarität, um Ausgewogenheit und um Offenheit der Debatten. Wir kämpfen für Schutzmodelle, Nachwuchs und Diversität, physische und psychische Sicherheit."
Das Ringen um Haltung war in gewisser Weise das Motto des Abends. "Alle teilen wir eine grundlegende Haltung: für Demokratie, für Gleichberechtigung aller Geschlechter und Nationalitäten – für die Gleichberechtigung aller Menschen und gegen jede Form von Machtmissbrauch. Wir wollen informierte und letztendlich klare Worte finden." Man wolle eine "Transformation von der Kultur des Wegschauens zu einer Kultur des Hinschauens".
Die Gewinner-Filme des Abends
Trotz der Umstände gewann "Corsage" gleich vier Auszeichnungen, genauso wie "Eismayer", der Film über Österreichs berühmt-berüchtigten Bundesheer-Ausbilder, der in den Kategorien beste männliche Hauptrolle (Gerhard Liebmann), bestes Drehbuch (David Wagner), beste männliche Nebenrolle (Luka Dimić) und beste Musik (Eva Klampfer) abräumte.
Zum besten Spielfilm gekürt, wurde "Vera" von Regie-Duo Tizza Covi und Rainer Frimmel. Ausgezeichnet wurde das semidokumentarische Projekt auch für die beste Regie und den besten Schnitt. Als beste Dokumentation überzeugte Claudia Müllers "Elfriede Jelinek – Die Sprache von der Leine lassen" über die bekannte Literaturnobelpreisträgerin.
In der Kategorie Bester Kurzfilm gewann "Will my parents come to see me" von Mo Harawe und "Griechenland oder der laufende Huhn" wurde zum publikumsstärksten Kinofilm gekürt. Die Auszeichnung für die beste weibliche Nebenrolle ging an Gerti Drassl in ihrer Rolle als die Mutter des Elias in "Märzengrund".
Science-Fiction-Film "Rubikon" konnte mit der besten Tongestaltung (Bertram Knappitsch, Tong Zhang (Originalton), Rudolf Pototschnig (Sounddesign), Manuel Grandpierre, Andreas Frei (Mischung)) und dem besten Szenenbild (Johannes Mücke) punkten.
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