Mein Auto für Afrika

- hochgeladen von Gabriela Stockmann
Mein Autohändler schüttelt bedauernd den Kopf: „Nein, für diesen Alten kann ich Ihnen keinen Cent mehr geben.“ Baujahr 2000, rundherum eingedeppscht, Pickerl abgelaufen, erste Rostflecken. Ich weiß, er war keine Schönheit mehr, mein Alter, aber doch fährt er noch. Da fällt mir ein roter Zettel ein, der vor ein paar Tagen an der Windschutzscheibe steckte. „Kaufe Ihr altes Auto“ - mit Telefonnummer und E-Mail-Adresse.
Ich rufe dort an. Zwei Stunden später stehe ich einem Afrikaner gegenüber, der meinen Alten auf jeden Fall haben will. Wir handeln ein bißchen um den Preis – schließlich einigen wir uns auf 200 Euro. Immerhin. Der Afrikaner legt mir einen Kaufvertrag vor, der Preis ist in dem Dokument nicht niedergeschrieben. Ich frage nach. „Das brauchen wir nicht“, sagt er „Ich gebe dir Geld sofort“ – und zieht locker die 200 aus seiner Hosentasche. „Warum brauchen Sie überhaupt dann den Kaufvertrag?“ frage ich naiv. „Damit ich beweisen kann, dass ich das Auto nicht gestohlen habe.“ „Was machen Sie denn mit dem Auto? Bauen Sie die Ersatzteile aus?“ frage ich weiter. „Nein, ist für Afrika!“ antwortet er mir.
Zwei Tage später ist mein Alter tatsächlich abgemeldet, die Kennzeichentafel ist entfernt, und der Afrikaner kommt den Wagen abholen, Treffpunkt ist ein Parkplatz in Leobersdorf. Ein wenig Wehmut beschleicht mich nun doch, so kurz vor der Trennung. Immerhin hat er mich über zehn Jahre begleitet – im Urlaub vom Südburgenland bis ins Waldviertel, dienstlich von Pottendorf nach Alland.
Ich übergebe dem Afrikaner Typenschein und abgelaufenen Zulassungsschein – auch das muss er haben, um beweisen zu können, dass er den Wagen nicht gestohlen hat. „Danke, Baby“, sagt er zu mir. Ich steige in mein neues Auto und fahre weg. Plötzlich sticht mich der Hafer und ich will Sherlock Holmes spielen. Ich beobachte aus gebührender Distanz, wie mein Alter an die Leine – sprich an das Abschleppseil – kommt und dann geht’s über Kottingbrunn, Vöslau, Baden, Pfaffstätten auf die B17. Ich hinterher.
Es ist schon dunkel geworden, im Abendverkehr fällt meine Verfolgungsfahrt hoffentlich nicht auf. Ein einziges Mal knippse ich mit dem Handy auf mein altes Auto, aus dessen Kofferraum ein Pannendreieck hängt – und hoffe dass das Blitzlicht nicht auffällt. Schließlich biegt der Afrikaner von der B17 in die Breitenfurter Straße ab, hier ist kaum Verkehr. Mich überkommt ein mulmiges Gefühl, jetzt fällt meine Verfolgungsfahrt bestimmt auf. Ich beschließe, meine Karriere als Sherlock Holmes schnell zu beenden. Mein Handy zeigt, dass ich ungehörte Anrufe von dem Afrikaner hatte. Ohje, denke ich, er will mich bestimmt zur Rede stellen, jetzt bin ich „geliefert“. Ich rufe gleich zurück. „Ist etwas nicht in Ordnung mit dem Auto?“ frage ich. „Nein, nein, nein“, lacht er verlegen ins Telefon. „Ich wollte dir dringend etwas fragen, ist schwer...“ - „Was?“ - „Baby, Baby – hat nix mit Auto zu tun. Habe Arbeit erledigt, Auto zur Autobahn gebracht. Schwere Frage...“ - „Was?“ - „Ich wollte dir fragen, ob du mit mir etwas eine Kaffee trinken gehst, bitte, bitte, Baby“, fleht er mich an. Ich sage „Nein, nein – ich wollte nur ein Auto verkaufen. Ich bin nicht weiter interessiert.“ - „Bitte, bitte, Baby“, schmeichelt er sich in mein Ohr. Ich lege auf.
Zum Glück habe ich erst vor zwei Wochen Ulrich Seidls Film „Paradies: Liebe“ gesehen. Da ging es um die Prostitution junger Afrikaner. Ihre „Zielobjekte“: ältere Touristinnen aus Europa auf der Suche nach einem Abenteuer. Sie bekommen ihre Affäre und werden dafür – per Mitleidsmasche – um etwas Geld für arme Verwandte in Afrika erleichtert.
So wird für jedes Bedürfnis ein Markt gemacht – von der Altauto-Entsorgung bis zum Sex-Abenteuer.





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