"Wölfe wandern vorwiegend aus Slowenien und Italien nach Kärnten ein"
Die WOCHE sprach mit Josef Obweger, dem Obmann des Kärntner Almwirtschaftsvereines, über gegenwärtige Herausforderungen für die Almbauern.
petra.moerth@woche.at
WOCHE: Mit welchen Herausforderungen sehen sich die Mitglieder des Almwirtschaftsvereines gegenwärtig konfrontiert?
JOSEF OBWEGER: Eine ganz wesentliche aktuelle Herausforderung ist der Faktor "Arbeit". Durch den Rückgang landwirtschaftlicher Betriebe und den zunehmenden Trend zur Bewirtschaftung von Höfen im Nebenerwerb wird es für Almbauern immer schwieriger, Zeit für wichtige Pflegemaßnahmen wie z. B. Schwendarbeiten (Entfernen kleiner Bäume und Sträucher) aufzubringen. Auch Haftungsfragen werden zunehmend schlagend - in Kärnten gibt es besonders viele Mutterkühe, die den Sommer mit ihren Kälbern auf der Alm verbringen und immer mehr Wanderer, die mit Hunden auf der Alm unterwegs sind. Konflikte sind deshalb vorprogrammiert, da die Kühe durch ihren Mutterinstinkt in Hunden - wenn sie ihnen zu nahe kommen - eine Bedrohung für ihr Kalb sehen und es verteidigen. Zunehmend stellen aber auch Großraubtiere wie Bär und Wolf eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die Almbewirtschaftung dar.
In einigen Almregionen ruft die Rückkehr des Wolfes Sorgen hervor. Wie berechtigt sind diese zum jetzigen Zeitpunkt für die Almwirtschaft in Kärnten tatsächlich? Gibt es dabei regionale Unterschiede?
Bereits seit einigen Jahren kommt es auf einigen Almen - insbesondere im Grenzbereich zu Italien und Slowenien - regelmäßig zu Rissen, vorwiegend von Schafen und Ziegen, sowie zu gefährlichen Beunruhigungen ganzer Herden durch Bären und Wölfe. Während der Bär zwar momentan weit mehr Schäden verursacht bereitet uns der Wolf dennoch ein größeres Kopfzerbrechen. Derzeit sind es einzeln lebende Wölfe, die auf einigen Kärntner Almen bereits blutige Spuren hinterlassen haben - wenn es jedoch zu einer Rudelbildung kommt (diese wird uns ja von Wildbiologen immer wieder prognostiziert), gibt es mit Sicherheit kein vielzitiertes Miteinander von Alm- und Großraubtieren - an eine traditionelle Almbewirtschaftung mit der damit verbundenen Erhaltung der offenen Kulturlandschaft und Erzeugung hochwertiger Almprodukte ist dann in dieser Region nicht mehr zu denken.
Was müsste aus Ihrer Sicht getan werden, um die Bedrohung durch das Großraubwild zu reduzieren? Was schwebt Ihnen vor?
Als einzige Lösung sehe ich die zumindest teilweise Aufhebung des unverständlich strengen Schutzes, den der Wolf in Europa genießt - und das obwohl er in keinster Weise vom Aussterben bedroht ist. Ich sehe es sogar als Verpflichtung, dass wir unsere Weidetiere, denen wir auf den Almen die höchste Stufe an artgerechter Tierhaltung anbieten, vor Großraubwild schützen. Die Erfahrung in Nachbarländern wie z. B. in der Schweiz und in Frankreich zeigen eindeutig, dass von Seiten des Naturschutzes vorgeschlagene Herdenschutzmaßnahmen wie das wolfssichere Einzäunen von Almen oder der Einsatz von Herdenschutzhunden auf Almen praktisch nicht durchführbar und vor allem nicht finanzierbar sind. Im Rahmen eines Pilotprojektes wurden solche Herdenschutzmaßnahmen im letzten Sommer auf einer Kärntner Alm im Grenzgebiet zu Slowenien durchgeführt - die Kosten dafür betrugen 195 Euro pro aufgetriebenem Schaf - also wesentlich mehr, als der tatsächliche Geldwert der Tiere - wer soll das auf Dauer finanzieren.
Außerdem würde auch der Wandertourismus sehr darunter leiden - eine wolfssicher eingezäunte oder mit Herdenschutzhunden bewachte Alm ist selbstverständlich auch für Wanderer nicht mehr oder nur mehr unter größerem Risiko zugänglich.
Warum ist der Wolf, der in Mitteleuropa lange Zeit als ausgerottet galt, überhaupt wieder heimisch geworden?
Wölfe können an einem einzigen Tag sehr große Strecken zurücklegen und lassen sich selbstverständlich nicht durch Grenzen aufhalten. Sie wandern vorwiegend aus Slowenien und Italien nach Kärnten ein.
ZUR SACHE:
Der Kärntner Almwirtschaftsverein hat 1.300 Mitglieder – überwiegend sind dies Almbauern, einige auch Freunde der Almwirtschaft.
Es gibt folgende Formen von Almbetrieben: Eigenalmen (Almen im Besitz eines landwirtschaftlichen Betriebes), Agrargemeinschaften (gemeinschaftliche Bewirtschaftung einer Alm durch mehrere Almbauern) und Servitutsalmen (Weiderechte auf fremdem Grund und Boden).
Almen sind Weideflächen oberhalb der Dauersiedlungsgrenze, die im Almkataster eingetragen sind. In Kärnten gibt es zirka 1.900 Almen, davon einige Milchviehalmen – hauptsächlich aber Mutterkuh- sowie Jung- und Galtviehalmen.
Jedes Jahr werden 1.500 Milchkühe, 29.000 Mutterkühe und Kälber, 19.000 Kalbinnen und trockenstehende Kühe sowie 1.400 Pferde und 17.000 Schafe und Ziegen gealpt.
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