2, Stammersdorfer Zieselwanderung
Am Samstag, dem 15.06.2013 lud die IGL Marchfeldkanal bereits zum zweiten Mal zu einer Ziesel-Wanderung, um Interessierten die Möglichkeit zu geben, sich von den örtlichen Gegebenheiten auf dem umstrittenen Grundstück nördlich des Heeresspitals in Stammersdorf ein Bild zu machen.
Bekanntlich lebt hier auf einem Grundstück, welches nun auf obskure Weise zu Bauland erklärt wurde, eine sogenannte Reliktpopulation des Spermophilus citellus oder auch Europäischen Ziesels. Doch auch andere streng geschützte Arten wie der Feldhamster oder die, regelmäßig von der MA22 geleugnete, Zauneidechse.
Trotz brütender Hitze (das Feld liegt naturgemäß in der prallen Sonne) folgten mehr als 200 Artenschutzbefürworter dem Ruf der IGL und fanden sich um 15 Uhr am Johann-Orth-Platz in Stammersdorf ein. Unter den zahlreichen Gästen und Naturfreunden befand sich auch einige Prominenz, allen voran die Präsidentin des unabhängigen Wiener Tierschutzvereins Frau Dr. Madeleine Petrovic. In einer emotionalen Rede erinnerte Dr. Petrovic alle Anwesenden nochmals an die, mittlerweile wohlbekannten, Fakten. Das Ziesel ist auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Tiere in Österreich an erster Stelle zu finden und weltweit somit auf einer Stufe mit dem sibirischen Tiger, dem großen Panda sowie dem afrikanischen Elefanten. Dr. Petrovic fand außerdem viele nette Worte für die Bürgerinitiative IGL Marchfeldkanal zu deren Unterstützern sie, neben weiteren 9000 Personen, seit langem gehört.
In weiteren Reden wurde etwaig anwesenden Befürwortern des Bauprojekts ein offener Dialog angeboten, auch zum Zweck eines Informationsaustauschs.
Der Bauträger Kabelwerk arbeitet seit einiger Zeit mit einer gut vernetzten PR-Agentur eines prominenten Ex-Politikers zusammen, welche die geplanten Ausgleichsflächen als Paradies für Ziesel darzustellen versucht und der Bürgerinitiative ziemlich unverblümt unterstellt lediglich aus egoistischen Gründen gegen eine Bebauung des Feldes zu sein. Einige „Erfolge“ konnte diese Agentur bereits verbuchen indem in normalerweise integeren Blättern gezielt fragwürdige „Informationen“ verbreitet wurden. Dem Vernehmen nach, war die eine oder andere Person von Unique, jener PR-Agentur auch zugegen, wollte sich jedoch keinem Gespräch stellen.
Anschließend startete die eigentliche Begehung des mutmaßlichen Bauplatzes unter der Führung von Biologen Mag. Erik Pauer, der allgemeines über die putzigen kleinen Nager erzählte und deren Lebensgewohnheiten dem Auditorium näherbrachte. Gleich zu Beginn der Wanderung gab es ein Highlight in Form einer Zauneidechsendame zu bestaunen. Die MA22 wird nicht müde zu beteuern, dass diese, ebenfalls bedrohte, Spezies auf dem Feld keinen geeigneten Lebensraum vorfindet. Die Gäste der gestrigen Wanderung konnten sich davon überzeugen, dass die Eidechsen dies anders sehen.
Am Marchfeldkanal angekommen, durften die Besucher dann die vorgesehenen Ausgleichsflächen in Augenschein nehmen, die laut Beschluss der MA22 den neuen „Lebensraum“ der Ziesel darstellen sollen. Dies unter Anführungszeichen zu setzen ist eigentlich noch immer eine Verhöhnung der Tatsachen. Warum sollten Tiere die auf einem großen sonnigen Feld in Erdhöhlen leben plötzlich ein Dasein auf schattigen kleinen Uferböschungen (welche außerdem teilweise von Bibern bewohnt werden) fristen wollen? Weil der Bauträger das gerne hätte? Tatsache ist, dass diese Alternativwohngelegenheiten die Ziesel wohl verschwinden lassen würden. Die einzig vernünftige Ausgleichsfläche, im Fachjargon A3 genannt, wird bereits von der sehr dichten Zieselpopulation des Heeresspitals in Beschlag genommen. Weitere Teile des Ausgleichsfleckerlteppichs muten noch skurriler an. So impliziert manche Fläche das freiwillige Überqueren des Marchfeldkanals durch die, ohnehin sehr scheuen, Nager.
Nachdem genug über die merkwürdigen Pläne von Kabelwerk bzw. der MA22 gestaunt wurde, ging es wieder retour in Richtung Ausgangspunkt der Wanderung. Dort konnten sich die Zieselfreunde dann am reichhaltigen Buffet laben, welches durch Sachspenden (unter anderem der Firma Ströck) möglich gemacht wurde. Das Buffet war somit auch kostenlos, es wurde lediglich dezent um die eine oder andere kleine Spende gebeten, um den Kampf für die Ziesel und für den Artenschutz weiterhin mit möglichst großer, auch juristischer, Rückendeckung führen zu können. Niemand der Anwesenden entzog sich dieser Bitte, nachdem sie gehört und gesehen hatten mit welcher Hingabe und mit welchem Herzblut die Mitglieder der IGL für ihre Anliegen, die eigentlich unser aller Anliegen sein sollten, eintreten.
Es wird auch in Zukunft weitere Informationsveranstaltungen zu den Stammersdorfer Zieseln geben, die größere Produktion von Ziesel T-Shirts wurde ebenfalls bereits angeregt. Buttons, Sticker und Postkarten mit Bildern der putzigen Tierchen fanden gestern bereits reißenden Absatz. Diese einzigartigen Tiere dürfen nicht einem Bauprojekt, dessen Sinnhaftigkeit ebenso wie die Vergabe zumindest fragwürdig ist, zum Opfer fallen, zumal die Stadt Wien laut Stadtrat Ludwig über 2 Mio. Quadratmeter Baulandreserve verfügt.
Mehr Infos zu den Zieseln findet man unter www.ziesel.org.
Mario Wanderer
www.oesterreichmagazin.at
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