Geschichten aus dem Welser Untergrund
Unter uns existieren neben hohen Gasvorkommen auch nie fertiggestellte, riesige Stollenanlagen.
BEZIRK. Nicht alle Besonderheiten einer Stadt oder Region sind auf den ersten Blick ersichtlich. Manche lassen sich gar nur erahnen. So zum Beispiel die Stollenanlagen im Thalheimer Reinberg. Am Ende des Zweiten Weltkriegs erbaut, sollten ursprünglich 5000 Personen in elf miteinander verbundenen Luftschutz-Anlagen Platz finden, schätzt Michael Kitzmantel. Der Leiter des Welser Stadtarchivs beschäftigt sich im zweiten Band seiner Buchreihe "Nationalsozialismus in Wels" unter anderem mit den Stollenanlagen in Thalheim. "Wels war eine Luftschutzstadt untergeordneten Ranges. Daher wurde mit dem Bau der Anlagen erst sehr spät begonnen", sagt Kitzmantel. Da der Krieg zu Ende ging, wurde der Bau nach ein paar Vortriebs- und Querstollen sowie Auffangräumen wieder beendet. "Der Plan wäre sensationell gewesen", ist Kitzmantel sicher. Eigentümer der Stollen beziehungsweise Abschnitte waren großteils Unternehmen wie Würzburger, Richter-Fritsch und Rotax. Die Eingänge sind noch erhalten, die meisten davon versperrt oder zubetoniert. Aufgrund der hohen Einsturzgefahr warnt Kitzmantel eindringlich davor, die nicht versperrten zu betreten. Auch, wenn Abschnitte davon laut Alexander Tauchmann, Geschäftsführer der Geotechnik GmbH in Steinhaus, noch genutzt werden, etwa als private Weinkeller. Die Reinbergstollen waren die einzigen in der Region. In Wels gab es nur Luftschutzräume, die laut Kitzmantel bei einem Bombenangriff eingebrochen wären.
Welser Alleinstellung
Doch die Stollen sind nicht die einzige Besonderheit im Untergrund der Region. Wels ist laut Franz Himmelfreundpointner der einzige Ort in Österreich, an dem es noch aktive Gasbrunnen für die private Nutzung gibt. Es sind drei an der Zahl, die den jeweiligen Häusern Energie für Warmwasser und Heizung liefern. Diese Art der Energieversorgung startete Anfang des 19. Jahrhunderts, als in Wels große Gasvorkommen entdeckt wurden. "Von da weg kamen die Gasbrunnen. Zu Beginn wurde damit alles mit Energie versorgt, sie wurden aber vom elektrischen Strom abgelöst", sagt Himmelfreundpointner, der bis zur Hofübergabe an seinen Sohn Walter vor wenigen Jahren Obmann der Welser Gassonden-Gemeinschaft war. Je nach Überlieferung gab es bis zum Zweiten Weltkrieg, in dem sehr viele Gaskessel zerstört wurden, zwischen 70 und 120 Gasbrunnen auf den Grundstücken von Welser Familien und Unternehmen. Jeder versorgte jeweils ein Gebäude. Deren großer Vorteil war, dass nach der Anschaffung bis auf die Wartung keine laufenden Kosten anfielen. Die Gasbrunnen bargen aber auch Nachteile. So ist das Tiefenwasser sehr jodhaltig und es besteht die Gefahr, dass ein Kessel im Winter einfriert. Seit Anfang der 1990er-Jahre ist das Nachbohren verboten. "Es gibt unter uns aber noch enorme Erdgasvorkommen. Alleine im Bahnhofsbereich sind es etwa drei Quadratkilometer", sagt Franz Himmelfreundpointner, der fortfährt: "Das System war einfach und rein auf physikalische Gegebenheiten abgestimmt. Außerdem musste man nicht Energie sparen, denn die Erdgasnutzung verursachte keine Kosten und es wurde auch nie knapp." Er sei stolz, dass er mithilfe der Gassonden-Gemeinschaft die drei aktiven Brunnen bis heute erhalten konnte: "Es wäre schade, wenn es sie nicht mehr gäbe. Die Jungen sollen ja sehen, wie es früher war. Es würde aufgrund strenger Auflagen aber auch ein Vermögen kosten, einen Brunnen außer Betrieb zu nehmen."
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.