Die Arbeit am Ganzen
Es gibt Momente, wo mich ein Vergnügen mitreißt, weil ich mit Dingen in Berührung komme, die überwiegend im Verborgenen blühen.
Könnte ich hier doch alles erzählen und zeigen, was mich erreicht! Aber manche Liebhaber stellen gut nachvollziehbare Ansprüche in Sachen Diskretion.
Ich habe gerade Fotos von atemberaubenden, sehr alten Fahrzeugen zugeschickt bekommen, darf sie aber nicht aus der Hand geben. Diese Bedingung zu ignorieren würde mir offene Türen verschließen. Dafür darf ich die Raritäten besichtigen.
Es werden in Österreich Fahrzeuge gewartet und gehütet, auch überhaupt erst in einen so oder so zufriedenstellenden Zustand gebracht, von denen manche zu ihrer Zeit bloß in ganz wenigen Einheiten gebaut wurden.
Man ahnt, wie viele davon 70, 80, 90 Jahre später noch erhalten sind.
Wenn es etwa damals bloß zehn Exemplare gab, ist heute vielleicht noch eines da. In so mancher Garage stehen also Unikate. Und falls es denn doch noch ein, zwei weitere Fahrzeuge davon gibt, dann muß ich annehmen, daß ich selbst sie nie sehen werde, aber eben dieses eine.
Sammler haben vielerlei Gesichter und Lebensgeschichten. Manche kaufen bloß. Andere greifen selbst zum Werkzeug. Ich durfte Männer besuchen, deren Berufe von völlig andere Art sind, aber durch viel Probieren, den Besuch von Kursen und von Kollegen, das Debattieren und das Praktizieren, sind sie schließlich zu versierten Handwerkern geworden.
Andere, wie Charly Haar, von dem ich schon erzählt habe, wuchsen damit auf. Die Großeltern Keuschler, der Vater Hackler im Puchwerk, er selber Ingenieur. Eine durchgängige Familiengeschichte zum Thema. Drei Generationen bilden ab, wie sich unser Land im 20. Jahrhundert sozialgeschichtlich gewandelt hat.
Haar sagt über seinen Vater, von ihm habe er alles gelernt. Heute lehrt er Teenager, zeigt ihnen, verstärkt durch einige Kollegen, wie die handwerkliche Arbeit am Ganzen geht, wo vieles nur mehr arbeitsteilig erledigt wird und die meisten Menschen bloß Ausschnitte eines Gesamtergebnisses kennenlernen.
Wer heute beispielsweise vor einer Automobil-Leiche Baujahr 1914 steht, muß entweder Millionär sein oder selbst ein tiefes Verständnis entwickeln, was „Das Ganze“ ist und wie die Dinge zusammenhängen. Sonst wird es nichts.
Unter jenen sachkundigen Liebhabern, die selbst Handwerker sind, hab ich noch keinen Millionär kennengelernt. Darum stehen ihre Perlen meist in gewöhnlichen Garagen. Das ist einer der Gründe, warum sie Diskretion erwarten, wenn man sie besuchen darf.
Andere Gründe liegen in akuten Begehrlichkeiten. Ein Sammler historischer Fahrräder, Schwerpunkt spätes 19. Jahrhundert, erzählte mir, daß er ein sehr rares Stück besitze, wegen dem ihn über Jahre ein wohlhabenden Mann aufgesucht habe, um vor seiner Nase mit einem Bündel von Geldscheinen zu wacheln.
Das trennt die Lager. Wer Geld auf den Tisch haut und zu ordern wünscht, erringt unter den Schraubern keine Sympathie. Wer seine Begehrlichkeiten vorbringt, aber nichts zahlen will, genauso wenig.
Ich hab als gelegentlicher Zaungast solcher Kräftespiele noch nicht gar so sehr durchschau, wie das alles läuft, wo wirklich rare Fahrzeuge kursieren. Heute vermute ich, da gibt es auch von außen nichts zu durchschauen. Man muß schon selbst zum Akteur in solchem Geschehen werden, um das genauer kennenzulernen.
Aber ich erlebe noch eine ganz andere Ereignisebene, die eben meine ist. Als staunender Gast in den privaten Garagen, Hallen, Werkstätten gibt es Hunderte Stunden des Betrachtens und der Gespräche. Wozu das gut ist? Erstens macht es viel Vergnügen. Zweitens trägt es ein wenig dazu bei, das flüchtige Wissen um diese Dinge zu erhalten.
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