Agrarisches: Eine kleine Skizze
Die Oststeiermark galt einst als „Armenhaus“ Österreichs. Das kam wesentlich daher, daß die überwiegend kleinen Landwirtschaften der Region mehrheitlich nicht für den Markt produziert haben, sondern als Selbstversorger-Wirtschaften angelegt waren.
Das hatte auch einen bescheidenen Vorteil. Preisschwankungen auf dem Welmarkt oder ein größerer Preisverfall auf jener Ebene zeigten in der Oststeiermark kaum Wirkung. Doch die Lebensverhältnisse waren bescheiden.
Menschen, die das in seinen Ausläufern noch erlebt haben, sind nach wie vor unter uns. Gleisdorfs Kulturreferent Alois Reisenhofer weiß davon etwa aus eigener Anschauung zu erzählen, wenn er Nachbarn erwähnt, „Da war nie ein Geld beim Haus“.
Aus vielen Gesprächen habe ich vor allem dieses Motiv mitgenommen: Der Mangel war ein Dauergast, manchmal stellte sich Not ein. Da die Maschinisierung der Landwirtschaft erst nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzte, wissen heute noch viele Leute zu erzählen, daß das Leben in der agrarische Welt eine endlose Schinderei gewesen ist.
Daraus resultierte ein entsprechend hartes Arbeitsethos. Wer sich nicht geschunden hat, hat auch nichts gegolten. Das Sozialprestige hing von diesen Zusammenhängen ab.
Doch darin lag praktischer Zwang. Maria Gsellmann, die heute ihre Pension genießt, sagte mir: „Wer sich nicht geschunden hat, hat nichts zu essen gehabt.“ So einfach und unerbittlich klar ist das gewesen.
Die Ernährungslage war also über Jahrhunderte prekär. Die Abhängigkeit von der Natur bestand seit jeher. Eine der Hauptfragen in der Landwirtschaft lautet daher: Wie schaut der Ertrag aus? Sich schinden müssen, das ist eine Sache, einen angemessenen Lohn für die Schinderei zu beziehen, das steht auf einem völlig anderen Blatt.
So kann man zumindest erahnen, was es in der Zweiten Republik bedeutet hat, daß mit neuem Saatgut, mit Kunstdünger, Kraftfutter und mit erschwinglichen Maschinen für ein Umbruch in die Landwirtschaft gekommen ist. Der Mangel hatte endlich ein Ende.
Aus dieser Situation führte im Westen und Norden, in den gut situierten Nationen, ein extrem rasanter Weg zu völlig neuen agrarischen Verhältnissen. Es etablierte sich eine Art agrarischer Industrie, die längst auch erhebliche soziale und ökologische Probleme aufwirft.
Ich nenne unter vielen Aspekten vor allem zwei. Die bestürzende Reduktion der Vielfalt ist so ein Problem, bei gleichzeitiger Monopolisierung durch große Companies. Und der mit Subventionen und den genannten Mitteln (Maschinisierung, Dünger etc.) oftmals erzeugte Überschuß, welcher mit enormen Transportkapazitäten auf fremde Märkte geworfen wurde, wird oft gerne übersehen, wenn wir das Thema betrachten.
Dadurch sind in entlegenen Ländern die Preise ruiniert und bäuerliche Existenzen zerstört worden. Gelegentlich hat das auch Hungerkatastrophen losgetreten.
Wir haben also gute Gründe, darüber zu debattieren, was denn nun bäuerliche und was industrielle Landwirtschaft sei und welchen Umgang wir mit diesen und jenen Möglichkeiten für wünschenswert halten, was andrerseits geächtet werden müßte.
Ich lasse in dieser Betrachtung extremen Schwachsinn beiseite, wie er etwa ruchbar wurde, als man entdeckte, daß Konzerne in die Futtermittel für Wiederkäuer, also Pflanzenfresser, tierische Kadaver eingearbeitet hatten.
Es muß klar sein, daß profitorientierte Konzerne mitunter keine Hemmung zeigen, Dinge zu tun, die im besten Sinn des Wortes widernatürlich sind.
Einer der Gründe, warum wir gut beraten sind, uns in der Thematik wenigstens kursorische Kenntnisse anzueignen, damit wir uns in manchen öffentlichen Debatten zur Sache nicht völlig verloren fühlen.
In unserer Geschichtsschreibung gilt heute als weitgehend gesichert, daß die Seßhaftwerdung der Menschen mit der Erfindung des Ackerbaus einher ging, was rund zehntausend Jahre zurückliegt.
Ein Prozeß, der geographisch dem „Fruchtbaren Halbmond“ zugeordnet wird. Dieses Gebiet liegt im Übergangsbereich zwischen Afrika und Asien.
Es heißt, dort habe eine Überfluß an Gräsern und eßbaren Samen geherrscht und so die Grundlagen für den Ackerbau ergeben. Bis daraus Getreide gezogen wurde, und zwar in Mengen, die eine Sippe ernähren konnten, hat es allerdings sehr lange gedauert.
Wenn wir aber heute Maß nehmen wollen, um zu klären, was es agrarisch geben soll, was Menschenmaß sei, brauchen wir nur einige Jahrzehnte zu überblicken und können mit Menschen sprechen, die in ihren jungen Jahren noch ganz andere Verhältnisse erlebt haben.
Zur Motorisierung der Landwirtschaft siehe: "Der Technik auf der Spur" [link]
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