Bad Blumau: Kontraste und Verschiebungen
Kommende Gemeindezusammenlegungen, die radikale Reduktion von LEADER-Regionen, das Forcieren von Kleinregionen, und hinter all dem schon Jahre lang, weltweit, eine neue Landflucht, eine Konzentration der Zentren.
Das alles, nachdem sich rund um den Globus in den Jahren 2008/2009 ein Ensemble von Krisen aufgebaut hatte, Finanz-, Immobilien- und Was-weiß-ich-Krisen, die uns spätestens 2010 in unseren oststeirischen Dörfern und Kleinstädten spürbar erreicht haben.
Damit nicht genug, die Steiermark steht vor einem neuen Doppelbudget, das 2013/14 den Maastricht-Kriterien entsprechen muß, demnach ein „Tal der Tränen“ verursachen wird. Als Optimist sage ich: Was für aufregende Zeiten! Kaum ein Stein wird auf dem anderen bleiben. Wir müssen so gut wie alle Angelegenheiten neu ordnen.
Doch das bedeutet auch enorme Verunsicherung. In solchen Zeiten machen Veränderungen sicher mehr Angst als sonst. Gerade in solchen Tagen scheint mir, daß die Kontroverse von Bad Blumau zum Lehrbeispiel werden mag, was uns blühen kann, wenn wir als Bürgerinnen und Bürger immer erst reagieren, sobald wir auf neue Faktenlagen knallen.
Ein wesentlicher Angelpunkt ist in solchen Kontroversen der Bereich Kommunikation. Ich muß etwas wissen wollen, andere müssen Auskunft geben wollen. Staat, Markt/Wirtschaft und Zivilgesellschaft müssen mit einander klären, wie angemessene Kommunikationsverhältnisse aussehen sollen.
Die Bad Blumau-Kontroverse ist im Augenblick ein Anschauungsbeispiel vollkommen verhedderter Kommunikationslagen, wo wir vorerst kaum Klarheit finden, wer mit welchen Intentionen was vorhat und daher mit wem welche Vereinbarungen getroffen hat.
Gehen wir von der Annahme aus, daß die Rogner Holding für das „Projekt Glashaus“ war, solange denkbar schien, daß Rogner die Kontrolle über den Laden bekommen könnte, während die Holding nun dagegen auftritt, weil sich diese Option als aussichtslos erwies.
Was spricht heute für diese Annahme, wenn man von einige recht eindeutigen Geschäftspapieren absieht?
Die steirische Wirtschaftskammer brachte in ihrem Periodikum „Steirische Wirtschaft“ vom 5. Oktober 2012 ein Feature des aktuellen „Aufsteiger des Monats“, das „Rogner Bad Blumau“. Dabei wird dessen Personalstand angeführt: 320 Leute machen diesen Betrieb aus.
Eine beachtliche Arbeitsplatzsituation. Bei rund 827 Erwerbstätigen in Bad Blumau (Stand 2010) sind also mehr als ein Drittel Angestellte des Hauses Rogner.
Nun hat Frutura vor, mit dem Glashausprojekt, das eine Investition von 48 Millionen Euro voraussetzt, vor Ort 200 Arbeitsplätze oder etwas mehr zu schaffen. Nehmen wir kurz und fiktiv an, was noch keine Realität ist: 320 Leute bei Rogner plus demnächst 200 Leute bei Frutura.
An diesen Zahlenverhältnis mag deutlich werden, daß sich die Stimmung im Ort und das Kräfteverhältnis der Unternehmen, somit auch die kommunalpolitische Situation gründlich ändern würden, wenn Frutura das „Projekt Glashaus“ durchbrächte.
Selbstverständlich würde das eine ganze Reihe an ökologischen und sozialen Fragen aufwerfen, wie die aktuelle Bürgerinitiative betont. Selbstverständlich würde dadurch eine erhebliche Wirkmächtigkeit des neuen Betriebes bezüglich des bisherigen Tourismusstandortes bemerkbar und erfahrbar werden. Ohne jede Frage bekämen regionalpolitische Kräftespiele ganz neue Akzente. Selbstverständlich würde das über Jahre genutzte Tourismuskonzept hinfällig und müßte neu entworfen werden.
Darf sich ein Ort so massiv verändern? Und falls nein, warum nicht?
Wenn der Ort bisher wirtschaftlich und regionalpolitisch von einem großen Player geprägt wurde, aber nun ein zweiter Player von vergleichbarer Potenz auf dem Set erscheint, bleibt natürlich nichts wie es war. Gut? Schlecht? Das wird wohl erst geklärt werden müssen. Derlei dürfte nicht ohne Emotionen machbar sein, aber es verlangt auch nach einer Sachebene, auf der Fakten darzulegen sind, die einer Bewertung bedürfen.
Man muß wahrlich kein Prophet sein, um vorherzusehen: Diese Bewertungen werden kontrastreich, teils gegensätzlich ausfallen. Ein spannender Prozeß! Aber wovon schreibe ich denn hier überhaupt? Ich will versuchen, ein paar Eindrücke zu vermitteln, mit welcher Situation wir es da zu tun haben.
Bevölkerungsstand und -struktur handeln in Bad Blumau von 1.619 Menschen (Stand 01.01.2012), die nach Altersgruppen so quantifiziert wurden:
bis unter 15: 279
15 bis 64: 1.087
65 und älter: 253
Unter „Nicht-österreichische Staatsangehörige“ werden 60 genannt, also nicht einmal vier Prozent der Bevölkerung. Wie verdienen all diese Leute ihr Brot? Die „Abgestimmte Erwerbsstatistik 2010“ nennt für Bad Blumau bei einer Bevölkerung von 1.613 Personen genau 695 als „unselbständig Erwerbstätige“ und 132 als „selbständig Erwerbstätige, mithelfende Familienangehörige“.
Davon werden nach wirtschaftlicher Zugehörigkeit (ÖNACE-Abschnitte) 10,9% der Land- und Forstwirtschaft, 0,2% dem Bergbau zugerechnet. Den größten Anteil hat der Handel (14.5%).
Beherbergung und Gastronomie 10,9 %, die sind also mit der Land- und Forstwirtschaft in Augenhöhe. Die Herstellung von Waren ist mit 14,1% auch stark vertreten, alle übrigens Branchern liegen weit unter 10%.
(Quelle: Statistik Austria, Abgestimmte Erwerbsstatistik 2010 mit Stichtag 31.10., Gebietsstand 2010. Erstellt am: 26.09.2012.)
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